Der Neue Merker
Richard Scheuerer
Wagner: Lohengrin, München, 19. Juli 2009
MÜNCHEN: Lohengrin bei den Münchner Opernfestspielen am 19.07.2009
 

Man nehme das Bühnenhaus einer großen Staatsoper überfrachte es zu 80 % mit einer „Häuslebauer“-Hintergrundaktion und inszeniere dann auf den verbleibenden 5 bis 6 Metern zum Orchestergraben Wagners Lohengrin.
So geschehen in der Staatsoper München.
Das mit Spannung erwartete Regiekonzept von Richard Jones kann meines Erachtens auch nach einem schmeichelhaften Einführungsvortrag im Capriccio-Saal nicht überzeugen.

War es Wagners Intention, mit grundlegend neuen Opernstrukturen das nervige Rampensingen der Belcanto-Arien zu beenden, so erfährt diese Gesangspräsentation in der Münchner Inszenierung eine unangenehme Wiedergeburt. Was sage ich hier – Wiedergeburt - bedingt durch das Bühnenbild wird es sogar zum ausschließlichen Prinzip erhoben. Leider!
Auch sonst sind Richard Jones Regieeinfälle über weite Strecken eher banal und billig.

Beim Aufruf zum Gottesgericht im ersten Aufzug antwortet der Männerchor dem Heerrufer mit „Der Freie büß´es mit der Hand, mit seinem Haupte büß´es der Knecht“. Ähnlich einem Gruppenspiel im Kindergarten streichen sich alle Chormitglieder bei der Stelle „mit der Hand“ mit zwei Fingern einer Hand über die Andere und bei der Stelle „mit dem Hals“ eben über den Hals.
Zu Beginn des zweiten Aufzuges, nach Wagners Regieanweisung in der Burg von Antwerpen, in der Münchner Inszenierung vor einem entstehenden Einfamilienhausrohbau mit emsigen Handwerkertreiben, wird die hell erleuchtete Bühne durch die Diaprojektion zweier Eulen in die Nachtszene verwandelt. Die beiden Eulen werden dann zu Beginn der Dämmerung von zwei lautlos krähenden Gockeln abgelöst.

Und im Vorspiel zum Dritten Aufzug, das Einfamilienhaus ist inzwischen bezugsfertig, tänzeln vor der aufgebrochenen Fassade zahlreiche Gärtnergehilfen mit blauem T-Shirt, die dem Outfit von Schlümpfen ähneln, um dem Schriftzug im Blumenbeet „Hier wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried – sei dieses Haus von mir benannt.“ Der Text hier lediglich eine plumpe Anspielung auf das Haus Wahnfried in Bayreuth und ohne jeden Bezug zur Oper. Auch die Tanzszene würde ich eher bei einer Revuevorstellung im Berliner Kristallpalast erwarten als in einer Lohengrininszenierung.
Wagner Musikkonzept lebt auch von der Ruhe und oft auch von einer reduzierten Handlung. Wer diese Ruhe nicht aushalten kann, der sollte eben Wagners Opern nicht inszenieren!

Das über lange Szenen gesellige Handwerkertreiben mit Kellen, Steinen, Karren und Kränen und anderen Baumaterialien stört nicht nur optisch die Aufzüge und Bilder. Es ist auch stellenweise eine akustische Belästigung. Dass dieses Treiben meist weder mit dem Text noch mit der Musik etwas zu tun hat, sei hier nur am Rande erwähnt. Mag sein, dass die Zuschauer, die Lohengrin nicht ganz freiwillig besuchen, dankbar für diese Szenen zur Zeitüberbrückung waren. Viele Besucher aber, die aber wegen Lohengrin nach München gekommen waren, fühlten sich in dieser Inszenierung durch diese „Einlagen“ eher gestört.

Resumee:
Eine Inszenierung, die man schnell vergessen kann und auch sollte. Was bleibt ist - wie so oft bei Wagner - die Hoffnung auf Kommendes.

Das Orchester unter der Leitung von Kent Nagano überzeugte. Die Sängerbesetzung an diesem Abend war Weltklasse, auch wenn Jonas Kaufmann krankheitsbedingt nach dem Zweiten Aufzug durch den derzeit in London engagierten Norweger Jvgar Gilhuus ersetzt werden musste. Beifallstürme und Bravo-Ovationen für die Sänger, die ich im Falle Anja Harteros nicht ganz nachvollziehen kann. Sie bot eine überzeugende Elsa, hat aber doch an vielen Stellen ein Belcanto-Vibrato in ihrer Stimme, das mir gerade bei Wagners Elsa nicht so sehr gefällt.






 
 
  www.jkaufmann.info back top