Man nehme das Bühnenhaus einer großen Staatsoper
überfrachte es zu 80 % mit einer „Häuslebauer“-Hintergrundaktion und
inszeniere dann auf den verbleibenden 5 bis 6 Metern zum Orchestergraben
Wagners Lohengrin.
So geschehen in der Staatsoper München.
Das mit Spannung erwartete Regiekonzept von Richard Jones kann meines
Erachtens auch nach einem schmeichelhaften Einführungsvortrag im
Capriccio-Saal nicht überzeugen.
War es Wagners Intention, mit grundlegend neuen Opernstrukturen das nervige
Rampensingen der Belcanto-Arien zu beenden, so erfährt diese
Gesangspräsentation in der Münchner Inszenierung eine unangenehme
Wiedergeburt. Was sage ich hier – Wiedergeburt - bedingt durch das
Bühnenbild wird es sogar zum ausschließlichen Prinzip erhoben. Leider!
Auch sonst sind Richard Jones Regieeinfälle über weite Strecken eher banal
und billig.
Beim Aufruf zum Gottesgericht im ersten Aufzug antwortet der Männerchor dem
Heerrufer mit „Der Freie büß´es mit der Hand, mit seinem Haupte büß´es der
Knecht“. Ähnlich einem Gruppenspiel im Kindergarten streichen sich alle
Chormitglieder bei der Stelle „mit der Hand“ mit zwei Fingern einer Hand
über die Andere und bei der Stelle „mit dem Hals“ eben über den Hals.
Zu Beginn des zweiten Aufzuges, nach Wagners Regieanweisung in der Burg von
Antwerpen, in der Münchner Inszenierung vor einem entstehenden
Einfamilienhausrohbau mit emsigen Handwerkertreiben, wird die hell
erleuchtete Bühne durch die Diaprojektion zweier Eulen in die Nachtszene
verwandelt. Die beiden Eulen werden dann zu Beginn der Dämmerung von zwei
lautlos krähenden Gockeln abgelöst.
Und im Vorspiel zum Dritten Aufzug, das Einfamilienhaus ist inzwischen
bezugsfertig, tänzeln vor der aufgebrochenen Fassade zahlreiche
Gärtnergehilfen mit blauem T-Shirt, die dem Outfit von Schlümpfen ähneln, um
dem Schriftzug im Blumenbeet „Hier wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried –
sei dieses Haus von mir benannt.“ Der Text hier lediglich eine plumpe
Anspielung auf das Haus Wahnfried in Bayreuth und ohne jeden Bezug zur Oper.
Auch die Tanzszene würde ich eher bei einer Revuevorstellung im Berliner
Kristallpalast erwarten als in einer Lohengrininszenierung.
Wagner Musikkonzept lebt auch von der Ruhe und oft auch von einer
reduzierten Handlung. Wer diese Ruhe nicht aushalten kann, der sollte eben
Wagners Opern nicht inszenieren!
Das über lange Szenen gesellige Handwerkertreiben mit Kellen, Steinen,
Karren und Kränen und anderen Baumaterialien stört nicht nur optisch die
Aufzüge und Bilder. Es ist auch stellenweise eine akustische Belästigung.
Dass dieses Treiben meist weder mit dem Text noch mit der Musik etwas zu tun
hat, sei hier nur am Rande erwähnt. Mag sein, dass die Zuschauer, die
Lohengrin nicht ganz freiwillig besuchen, dankbar für diese Szenen zur
Zeitüberbrückung waren. Viele Besucher aber, die aber wegen Lohengrin nach
München gekommen waren, fühlten sich in dieser Inszenierung durch diese
„Einlagen“ eher gestört.
Resumee:
Eine Inszenierung, die man schnell vergessen kann und auch sollte. Was
bleibt ist - wie so oft bei Wagner - die Hoffnung auf Kommendes.
Das Orchester unter der Leitung von Kent Nagano überzeugte. Die
Sängerbesetzung an diesem Abend war Weltklasse, auch wenn Jonas Kaufmann
krankheitsbedingt nach dem Zweiten Aufzug durch den derzeit in London
engagierten Norweger Jvgar Gilhuus ersetzt werden musste. Beifallstürme
und Bravo-Ovationen für die Sänger, die ich im Falle Anja Harteros nicht
ganz nachvollziehen kann. Sie bot eine überzeugende Elsa, hat aber doch an
vielen Stellen ein Belcanto-Vibrato in ihrer Stimme, das mir gerade bei
Wagners Elsa nicht so sehr gefällt. |