Die Deutsche Bühne
Von Wolf-Dieter Peter
Wagner: Lohengrin, München, 05. Juli 2009
Bitte mehr Kran statt Schwan!
 
Richard Jones deutet „Lohengrin“ bei den Münchner Opernfestspielen banal um
Foto: Wilfried Hösl)

„O fänd’ ich Jubelweisen“ zitiert der Kritiker gerne aus Richard Wagners Lohengrin-Text, wenn es um die musikalische Seite geht: vom fein geteilten Streicher-Pianissimo bis zum fulminanten Jubel des dritten Vorspiels bewies das glänzend disponierte Staatsorchester, dass es auch heute noch einen König Ludwig II. wie einst zu Tränen rühren könnte und mit dem eben nicht für den verdeckten Bayreuther Orchestergraben komponierten „Lohengrin“ weltweit keine Konkurrenz zu scheuen braucht. Kent Nagano dirigierte klar, sehr differenziert abgestuft, aber etwas distanziert kühl. Er bekam sogar den nicht immer günstig, weil mehrfach hoch entfernt auf einer hölzernen Bahnsteig-Brücke postierten, aber von Andrés Máspero bestens einstudierten Chor akustisch wie rhythmisch weitgehend in den Griff. Und dann noch die Besetzung: Wolfgang Koch – der beste mal cholerische, mal jovial hemdsärmelige Telramund seit Jahren; Christof Fischesser – ein junger, aber schon herrlich markanter König Heinrich im Senatoren-Look; Evgeny Nikitin – ein volltönender Heerrufer-Bürokrat auf einem Schiedsrichterhochstuhl und via Bildschirm; Michaela Schuster eine elegant giftblond kühle Ortrud; Anja Harteros – eine schwarzbezopfte Elsa in schwarzer Latzhose mit mal zarter, mal strahlend leuchtender Sopran-Süße für ihre Eigenheim-Fixierung, an der sie zwei Aufzüge lang mauerte… ja und dann dieser äußerlich entzauberte Wundermann: erstmal in silbernen Edelturnschuhen, Trainingshose mit Silberstreifen und schlichtem blauen T-Shirt, später dann in schwarzer Arbeitshose und Weste mit weißem Blouson wie ein wandernder Handwerksbursch des 19. Jahrhunderts, zunächst mit einer Schwan-Attrappe auf dem Arm kommend, am Ende damit abgehend und dann schnell mal mit dem Knaben Gottfried auf dem Arm wiederkommend – zu all dem aber sang der schlank-ranke Jonas Kaufmann mal mit der Süße eines Sandor Konya, mal mit der Strahlkraft eines jungen James King, am Ende eine anrührend traurig versunkene „Grals-Erzählung“. Das Premierenpublikum fand für all das zurecht Jubelweisen…

Kopfschütteln, verbitterte Zwischenrufe und dann Buhstürme für das Bühnenteam. Der seit seinem „Dino-Giulio Cesare“ 1994 in München geschätzte, oft mit seinen Neudeutungen beeindruckende Richard Jones und sein Bühnenteam glauben in unseren entromantisierten, entmystifizierten und dafür materialistischen Zeiten nicht an Wunder samt Schwanenritter. Doch dafür einen Handwerksburschen anzubieten, der einer prompt kleinbürgerlich wirkenden Elsa beim Häusle-Bauen hilft – das wirkte so banal und schlicht, dass es auch den konservativen Opernliebhaber, erst recht den Musiktheaterfreund ärgerlich unterforderte. Dazu viele lose Enden, die nicht ausgeführt wirkten: moderne Repetierpistolen neben Degen und Gottesgericht in Form von Schwertertanz; grässliche Büromöbel für hochgestochene Rituale im Kontrast zu mehrfach Live-TV-Aufwand; eine unergiebige bühnenüberspannende Holzbrücke über der Baustelle, die dann auch noch aufwändig hochgefahren werden muss, um per Kran das letzte Dachteil mit Sonnenkollektoren zu installieren – und durchweg viel Mauerarbeiten, als ob die Sänger eine Zweitausbildung als soziale Absicherung bekommen sollen; am Ende gar die Andeutung eines kollektiven Selbstmords des brabantischen Chorvolks und und und... Nichts von der Schwierigkeit einer „numinosen Herrschaft“ (Udo Bermbach), nichts von der Aura eines „Gestalters“, der zumindest versucht, unsere verfahrene Welt ins Lot zu bringen. Wären heute aber nicht gerade Künstler mit dem „Lohengrin“ zu einer Utopie herausgefordert? Um die Bau-Banalitäten von Richard Jones zu lösen wäre das erste: Bitte mehr Kran als Schwan! Und dann bitte mehr visionäre Ideen!






 
 
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