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Stuttgarter Nachrichten, 07.07.2009 |
Von Susanne Benda |
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
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Stein auf Stein, das Häuschen wird bald fertig sein
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Bei den Opernfestspielen in München: Richard
Jones" "Lohengrin" lohnt nicht - doch Anja Harteros und Jonas Kaufmann
glänzen |
Foto: W. Hösl |
Wer
ist Lohengrin? Fragt bloß nicht nach, sagt der Ritter, der aus dem Nichts
kam. Fragt bloß nicht nach, warnt auch Richard Wagner, der im
Revolutionsjahr 1848 als 34-Jähriger seine Oper über den Sohn des
Gralsritters Parsifal vollendete. Wenn ihr fragt, ist der Zauber
verschwunden, und zurück bleibt nur das, was der Verstand erklären kann. Das
ist dann der Tod des Glaubens, der Fantasie, der Kunst - und der Liebe.
Elsa fragt, weil sie Angst hat, weil sie dem Fremden in dem Mann an ihrer
Seite nicht traut. Der Regisseur Richard Jones fragt bei seiner Inszenierung
des "Lohengrin" an der Bayerischen Staatsoper ebenfalls - weil er an den
Zauber des Stücks nicht glaubt. Sein Misstrauen verhalf den Münchner
Opernfestspielen am Sonntagabend zu lautstarken Zuschauerprotesten - die
Buhrufe auch des Publikums, das Jones" Inszenierung draußen als "Oper für
alle" bei Bratwurst und Bier auf einer Großleinwand verfolgt hatte, hallten
weit und lange hinein in die Stadt.
Zugegeben: Dieses seltsame Opernmärchen heute auf der Bühne plausibel und
faszinierend wirken zu lassen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Unter den
vier Regisseuren, die sich in der zu Ende gehenden Spielzeit des "Lohengrin"
annahmen, ist es nur Stefan Herheim an der Berliner Staatsoper gelungen, den
Titelhelden begreifbar zu machen, indem er ihn als Vertreter einer
Kunst-Welt mit eigenen Gesetzen und eigenem Zauber beschrieb. Womöglich wäre
auch der Vergleich mit Helden heutiger Kinomythen einmal einen
Inszenierungsversuch wert, und Lohengrin wäre als Superman glaubhaft. Wenn
man den Lohengrin jedoch so auf Alltagsformat schrumpft, wie es Richard
Jones jetzt tat, erklärt sich weder das Stück selbst noch der weltentrückte
A-Dur-Streicherklang, mit dem Wagner seinem Protagonisten gleichsam einen
Heiligenschein als musikalisches Permanent-Make-up beigibt.
Ungelöste Fragen gibt es an diesem Abend nur dort, wo Bilder nicht
zusammenpassen. Warum bloß hält der ritterliche Retter Elsas, der in
hellblauem T-Shirt und Sporthose die Bühne betritt, einen Schwan im Arm?
Warum soll Lohengrin, wie man der stummen Szene beim Vorspiel wie auch dem
auf Millimeterpapier gedruckten Programmheft entnimmt, mit Elsa zusammen die
Architektur eines neuen (nachrevolutionären, sozialistischen) Staates
entwerfen, gelangt aber auf der Bühne in bürgerlicher Zimmermannskluft nur
zu einem spießigen Reihenhaus, bei dem Kinderbett und -wagen irgendwie
gleich dazugehören? Und warum gibt sich der Hausbau des jungen Paares, der
sich über drei Akte hinzieht, so ambitioniert, während der Chor nur derart
starr und blöde in der Gegend herumsteht, dass nicht mal die Koordination
mit dem Orchester recht gelingen will?
Diese Fragen hätten Antworten verdient gehabt. Man bekam sie nicht - und
konnte sich so immerhin sehr gut auf das konzentrieren, was an diesem Abend
zu hören war. Die vor allem anfangs zu laute und insgesamt pauschale Art,
mit der Kent Nagano dem Bayerischen Staatsorchester den Weg durch die
eigentlich doch so feine, durchsichtige Partitur wies, hätte man zwar nicht
unbedingt gebraucht. Doch neben Wolfgang Koch, der dem Telramund schon im
Stuttgarter "Lohengrin" große Präzision und feinen Ausdruck beigegeben
hatte, fügten sich Anja Harteros und Jonas Kaufmann zum Dreamteam, bei
dem der Jubel des Publikums schier kein Ende fand. Berückend schöne weite
Bögen und weiche, runde, farbreiche Höhentöne zierten den packenden Gesang
der Sopranistin, und Deutschlands zurzeit populärster (und womöglich auch
schönster) Tenor findet zumindest bei Wagner keine Partie, bei der die
baritonale Grundierung und die kantable, "italienische" Stimmführung seinem
Stimmtimbre so ideal entsprechen, wie es beim Lohengrin der Fall ist. Ganz
ohne Marotten, mit genauer Tonvorstellung, Kraft, einem schönen Kern und der
Fähigkeit, auch die vielen Piano-Töne der Gralserzählung noch voluminös
wirken zu lassen, war Kaufmann so stark, dass ihn nicht nur Elsa, sondern
auch das Publikum am Ende eigentlich nicht ziehen lassen wollte. Er tat es
dennoch. "Lohengrin", schrieb Wagner als Bühnenanweisung ans Ende seiner
Partitur, "wird immer ferner gesehen."
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