Neue Zürcher Zeitung, 17.6.2008

Peter Hagmann

Verdi: Requiem, Tonhalle, Zürich, 15. Juni 2008

Kostpröbchen

hmn. Nirgends stand es in den Vorankündigungen, in letzter Minute wurde es eingeschoben, und das erst noch am Tag einer abendlichen Premiere: das Philharmonische Konzert des Opernhauses Zürich, das in der Tonhalle das Orchester der Oper Zürich zum ersten Mal mit dem italienischen Dirigenten Daniele Gatti zusammenbrachte. Warum die eigenartigen Umstände? Es ist kein Geheimnis, das Opernhaus Zürich hält Ausschau nach einem Chefdirigenten. Da Alexander Pereira nicht eben als Inbegriff des Teamplayers gilt, das Mandat zudem mit Pereiras (wohl) 2011 auslaufender Intendanz verbunden ist und damit wenig Möglichkeiten des gestalterischen Zugriffs mehr bietet, hält sich die Attraktivität der Position in Grenzen. Ingo Metzmacher war im Gespräch, damals nach den herausragenden «Königskindern» von Humperdinck, doch das Orchester hat sich quergestellt. Jetzt soll es Gatti sein, der noch nie am Opernhaus Zürich gearbeitet hat, dem Orchester also nicht vertraut ist. Darum das eilig einberufene «Requiem» von Verdi – das nun allerdings eine hochstehende, wenn auch ausgesprochen konventionelle Wiedergabe erfahren hat. Weltmännisches Flair verbreitete sich, das war nicht zu überhören; der von Ernst Raffelsberger vorbereitete Chor und das Orchester klangen prächtig, unter den Solisten ragten, neben der sehr musikalischen Sopranistin Fiorenza Cedolins und dem Bass Roberto Scandiuzzi, die erstaunliche Agnes Baltsa in der grossen Mezzosopran-Partie und der junge Tenor Jonas Kaufmann hervor. In wunderbarem Piano das eröffnende «Requiem aeternam», das «Dies irae» dann aber laut, ja grob – Pauke und grosse Trommel knallten da jeweils wüst heraus. Über weite Strecken dominierten schweres Pathos und wenig transparente Klangfülle; dass Verdis «Requiem» im Grunde ein Pianissimo-Stück ist, war nicht zu erfahren. Ein Kostpröbchen, mehr nicht; über eine mögliche Zukunft Daniele Gattis in Zürich sagt es wenig oder schon fast zu viel aus.