Wiesbadener Tagblatt
von Siegfried Kienzle
Mozart: Die Zauberflöte, Wiesbaden, Maifestspiele, 6. Mai 2007
Neue Nuancen im Bekannten
"Die Zauberflöte" als Operngala bei den diesjährigen Maifestspielen
WIESBADEN Fünf Jahre alt ist mittlerweile die Wiesbadener "Zauberflöten"-Inszenierung von Cesare Lievi, in der Tamino als Schulbub aus dem Klassenzimmer aufbricht. Seine Suche nach Liebe und Weisheit wird zum Marsch in die arktische Kälte - hinein in eine eisgraue verknöcherte Gesellschaft. Es ist erstaunlich, wie selbstverständlich und überzeugend trotz der Eigenwilligkeit dieses Regiekonzepts vier Gastsänger ihre Rollen ausfüllen.

Das gilt vor allem für den Papageno von Markus Brück, der einige Jahre Protagonist im Wiesbadener Ensemble war. Sein Vogelfänger zieht nicht die obligate Hanswurstiade ab, sondern zeigt in den Sprechszenen das Charakterporträt eines pfiffigen, warmherzigen Lebenskünstlers, der zur eigentlichen Gegenfigur zum gefühlskalten Vernunftkult im Reich Sarastros wird. Wie bei Brück im Duett "Bei Männern, welche Liebe fühlen" das Staunen über eine unbekannte Liebesahnung durchklingt, wie er das Plapper-Duett mit Papagena als stotternde Sprachlosigkeit der Freude akzentuiert - so viel an spielfreudiger Präsenz begeistert. Mit seinem helltimbrierten Pracht-Bariton vermag Brück immer neue Nuancen im Wohlbekannten zu entdecken. Der Tenor Jonas Kaufmann ist in seinem Repertoire längst bei Florestan und Hüon angekommen. So haben seine trompetenhaften Spitzentöne einiges an Mozart-Schmelz eingebüßt. Kaufmann verfügt über empfindsame Pianokultur. Für die Zähmung der Tiere, für die Begegnung mit Pamina findet er sensible Zwischentöne der Hoffnung, Resignation und des leidenschaftlichen Aufbegehrens.

In wuchtigem Pathos stellt Kurt Rydl seinen Sarastro als Patriarchen hin. Mit weißem Bart und Silbermähne erscheint er wie einer jener Herrscher, die in Science-Fiction-Filmen das Universum unterjochen. Seine Priester sind greise Apparatschiks. Im Schlussbild, wenn Mozart die Strahlen der Sonne bejubelt, blicken wir auf eisverkrustete Palmen.

In flammendem Rot bringt die Königin der Nacht mit ihren Damen Farbe und Kontrast in diese triste Welt. In Abendroben und wippenden Federn verkörpern sie lockende Erotik, Fantasie, Jugend. In diesem Sinn singt Cornelia Götz ihre Koloraturketten nicht in schneidender Kälte, sondern sanft abgemildert.

In beseelten Legatobögen gestaltet die Pamina von Thora Einarsdottir die Todessehnsucht ihrer g-Moll-Arie. Erik Biegel vermittelt den Leidensdruck des Monostatos im Lendenschurz als Wilder aus dem afrikanischen Busch. Emma Pearson ist eine neckische Papagena, Axel Wagner solid als Sprecher und ein Geharnischter. Ansprechend auch die drei Damen Annette Luig, Ute Döring und Inga Lampert.

Marc Piollet gibt bereits der Ouvertüre den filigranen Schliff und zeigt in den Orchesterstimmen, wie viel an Zukunftsangst mitschwingt, wenn die Musik anscheinend so munter und melodisch die Geschichte vorantreibt. Eine imponierende Gesamtleistung, mit stürmischem Beifall bedacht.






 
 
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