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Die Presse, 18.02.2007
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Walter Weidringer |
Mozart: Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007
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Rache aus dem Kühlschrank
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Harnoncourt schnitzt seinen Mozart schärfer,
Martin Kušej erzählt einen symbolistischen (Alb-)Traum. |
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Sie werden ihn lieben, den Jonas!“,
versprach, nein: trug Hausvater Alexander Pereira dem Zürcher Publikum auf –
und pflichtschuldig liebte es Jonas Kaufmann. Schließlich hatte der deutsche
Tenor, nachdem sein Kollege Christoph Strehl am Premierentag(!) wegen
Bronchitis ausgefallen war, „wie ein Wahnsinniger“ (Pereira) geprobt, um als
Tamino den Abend zu retten. Mag sein, dass aufgrund dieser Umstände seine
relativ dunkle, heldische Stimme dann und wann in den Hals rutschte –
darstellerisch waren jedenfalls keine Schwächen zu bemerken im Umgang mit
einer doch recht ungewöhnlichen Inszenierung.
Womit wir schon, Harnoncourt hin oder her, beim Hauptthema der Produktion
wären. Vielleicht hätte ja Pereira auch ein paar ähnlich begeisterte Worte
über „den Martin“ fallen lassen sollen. Den mochte man nämlich gar nicht
besonders, hielt ihn wohl für den eigentlich „Wahnsinnigen“: Zentnerweise
prasselten zuletzt die Buhs auf Regisseur Martin Kušej und seine Mitstreiter
Rolf Glittenberg (Bühne) und Heidi Hackl (Kostüme) nieder. Dabei ist das
einzig Radikale an Kušejs Sicht der „Zauberflöte“ die Gründlichkeit, mit der
er die Story allen ägyptisch-freimaurerischen und aufklärerischen
Brimboriums entkleidet, stattdessen die Geschichte einer Liebe erzählt.
Pamina und Tamino vor weißer Wand
Zur Ouvertüre stehen Pamina und Tamino als Braut und Bräutigam ungerührt vor
einer weißen Wand – nicht nur Hochzeits-, auch Verbrecherfotos lassen sich
so schießen. Ihr Kuss reißt sie jäh zurück in die eben durchlebte
Vergangenheit – oder ist es ihr symbolisch repräsentiertes Innenleben? Nicht
verschiedene Welten prallen da aufeinander, alles spielt sich im
Drehbühnen-Einheitsraum ab: einem grau gekachelten Labyrinth, zugleich
Nasszelle, Keller, Lagerhalle. Nicht die Frage nach der Verortung von Gut
und Böse dominiert, sondern ob die Liebe eine Chance hat zwischen
verhärteten Fronten.
Hüben wie drüben herrschen Defizite: Blind stöckeln die drei Damen (vokal
schwächelnd: Sandra Trattnig, Martina Welschenbach, Katharina Peetz) als
„Desperate Housewives“ im Retro-Look über die Bühne und betatschen den
Prinzen mit unverhohlen erotischem Vergnügen; die „Eingeweihten“ sind ein
exklusiver Macho-Fechtclub, dessen Spinde vor barbusigen Pin-Ups
überquellen. Und die noble Gesellschaft, die Sarastro, ein etwas schmieriger
Typ zwischen Business und Mafia (Matti Salminen hat Mühe, seinem Bass
geschmeidige Linien abzuringen) im ersten Finale zum Fundraising lädt,
schlürft den Sekt aus Pappbechern, ist also keineswegs so gut und fein, wie
sie sich vorkommt. Geduldete Außenseiter: der schuhcremeschwarze Monostatos
(Rudolf Schasching) und natürlich Papageno, der seinem eigenen Käfig
entsteigt. Schmutzig, mit Vogelkot am schäbigen Sakko, mimt der junge
Schweizer Ruben Drole eine Art Herman Munster en miniature: naiv, schrullig,
mit lyrisch weicher, nicht immer ganz fokussierter Stimme.
Kušejs Bemühungen, so interessant sie im Einzelnen sein mögen, wirken mehr
gründlich als inspiriert. Selten gelingt ein echter Theatercoup: etwa, wenn
das Orchester sich zum ersten Auftritt der Königin der Nacht gehörig
aufplustert – und dann bloß eine kleine Frau im Abendkleid verletzt am Boden
kauert. Dass die ehrlich um Dramatik bemühte Elena Mosuc vor „Der Hölle
Rache“ dem Eishauch eines Kühlschranks entsteigt, erntete jedoch auch einige
Lacher. Pamina ist es freilich, die letztlich die Hosen anhat und cool
bleibt bei Feuer- und Wasserprobe im Benzindepot und im Auto unter Wasser
(als Film). Julia Kleiter, noch etwas erkältet, verleiht ihr zart leuchtende
Phrasen und verspricht wohl am meisten in der jungen Besetzung, die Nikolaus
Harnoncourt um sich geschart hat.
Papageno lallt betrunken
Sein Mozart gleicht einem Holzschnitt, dessen Kerben er mit den Jahren immer
tiefer schnitzt, und hat deshalb auch nichts von der alten Widerständigkeit
verloren. Da ist zunächst seine (wie er sagt: Mozarts) Tempodramaturgie:
„Bei Männern, welche Liebe fühlen“ zelebriert er breit, die g-Moll-Arie
dagegen atmet höchst bewegten Schmerz ohne Pathos. Dann die romantische Aura
des Holzbläserklangs, den das sonst etwas trocken, aber immer mit
Synkopen-Biss, getreulich und höchst engagiert agierende Orchester gut
vermittelt. Selbstverständlich die rhetorische Zuspitzung in Agogik und
Pausen ebenso wie im Vortrag der Solisten: Die drei Damen sprechen manchmal
mehr als zu singen, Papageno lallt die letzte Strophe von „Ein Mädchen oder
Weibchen“ als Betrunkener. Zumindest in solchen Extremen finden sich
Harnoncourts bärbeißiger Humor und Kušejs Überdeutlichkeit auf der selben
Linie.
Zuletzt fliegen, keine schlechte Idee, die Königin und ihr Gefolge mit den
Ölfässern der Feuerprobe in die Luft. Sie blieben die Einzigen, die bei
dieser „Zauberflöte“ so richtig abheben konnten. |
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