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Der Landbote, 19.02.2007
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Herbert Büttiker |
Mozart: Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007
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Der Mozart, der aus der Kälte kam
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Mit der Aufstellung zum Hochzeitskuss vor dem
Vorhang (zur Ouvertüre) beginnt der Abend, am Ende, wieder vor dem Vorhang,
küsst sich das Paar. Die ganze Oper also eine kurze Irritation: «Die beiden
werden in diesem besonderen Moment noch einmal durch die Welt ihrer Ängste,
Erwartungen und Zwänge geschickt.» (Martin Kusey im Programmheft.)
Man kann die «Zauberflöte» vielleicht so sehen: Der junge Mann allerhand
(männlichen) Prüfungsritualen, die junge Frau zudringlichen Kerlen
ausgesetzt, dazu die Zweifel und Verzweiflungen im Hoch und Tief der
Gefühle. Die Bühne (Rolf Glittenberg) der neuen Zürcher «Zauberflöte» ist
die in den Abgründen ausgeleuchtete Innenwelt, versehen mit allen kruden
Ausstattungsstücken des Albtraums: Monostatos, das schwarze Monster (auch
mit monströsem Ton Rudolf Schasching), mit riesigen Beilen bewaffnete Kerle
als «wilde Tiere», blutige Schlächterinnen und entsprechend zugerichtete
Opfer.
Was Martin Kusej und sein Bühnenbildner Rolf Glittenberg auf der Bühne
zeigen, ist die Implosion des Humanitätsstücks im animalischen Seelenleben,
des Aufklärungsappells in den dunklen Geheimkammern des Menschlichen. Für
die grossen Symbole, die Prüfungen der Liebe in Feuer und Wasser, ist da
kein Platz: Die beiden Geharnischten sind die «Tätschmeister» im
Presley-Look, die ihre Phantasie nonchalant ein bisschen weit treiben: Einen
Weg mit Streichholz durch den Raum voller Benzinkanister und Ölfässer hat
das Brautpaar abzuschreiten. Wirklich gefährlich oder nur Spiel? Monostatos
scheint später dann eher Pech zu haben, aber für Tamino und Pamina geht
alles gut aus, und die Musik hat das Ihre getan, dass der gefestigten Liebe
am Ende das Kusssiegel aufgedrückt werden kann.
Die Musik tut überhaupt viel an diesem Abend: Nikolaus Harnoncourt lässt mit
grosser Besetzung, aber auch mit grosser Behutsamkeit musizieren, als ob die
Musik liebevoll nacherzählt werden sollte. Momente wie das Presto am Ende
des ersten Aktes, das diese kammermusikalische Gestimmtheit zerreisst,
können da schon irritieren. Insgesamt dominiert innere Bewegtheit, ruhiger
Fluss, und die Kälte der Bühne lässt nur um so mehr die Klangwärme
empfinden, die das Orchester des Opernhauses entfaltet: besonders etwa
Klarinetten und Bassetthörner, die alten Posaunen und, reizvoll, die
sordinierten alten Trompeten. Phantasievoll spielt die Flöte ihre
Sonderrolle: ein modernes Instrument - das alte dient bloss als Requisit auf
der Bühne. Überhaupt ist nicht «La Scintilla» am Werk sondern das «Orchester
der Oper Zürich».
Schule der Empfindsamkeit
Die Inszenierung, von Anfang an auf das Liebespaar fokussiert, hat das
Glück einer jungen und über alle Gefährdungen triumphierenden Besetzung für
beide: Als Fast-Opfer der Erkältung wurde Julia Kleiter als Pamina
angekündigt, als Einspringer in letzter Sekunde für den erkrankten Kollegen
der Darsteller des Tamino, Jonas Kaufmann. Über allen Gefährdungen
gestalteten beide auch in musikalischer Hinsicht: sie geradlinig, aber
intensiv, besonders in der von Harnoncourt als leidenschaftlich verstandenen
(aber dann doch zunehmend langsamer werdenden) Andante-Arie «Ach, ich
fühl’s»; er mit viriler Substanz und mit Glanz auch in der Höhe. Die
Handschrift des Dirigenten trägt - überraschend schon der gedehnte Auftakt
des Vogelfängerliedes - auch der Papageno von Ruben Drole. Zwar spielt er
den hemdsärmeligen Burschen ganz deftig, aber wie sensibel führt er sich
ein, wie glaubt man diesem Bariton mit seinen feinen Zwischentönen im Duett
mit Pamina das empfindsame Herz! Und wie sie zu ihm passt, die Papagena, die
Eva Liebau mit klarer Stimme und reizendem Sprachfehler gibt und in
Gummistiefeln und Overall immer auf dem Sprung.
Als Routiniers fügen sich Elena Mosuc als Königin der Nacht, Matti Salminen
als Sarastro in die Inszenierung ein. Alles ist da, effektvolle, allerdings
auch reichlich forcierte Dramatik, die Spitzentöne bei ihr, die sonore
Deklamation, die Tiefe bei ihm, aber spürbar bleibt zu sehr, dass die
grossen Figuren hier nicht wirkliche, gegen einander agierende und für das
Liebespaar entscheidende Faktoren sind. Ein solides Terzett bilden Sandra
Trattnigg, Martina Welschenbach und Katharina Peetz, nur bleibt ein Rätsel,
warum sie blind sind. Recht forsch singen die drei Knaben, die auch zum
Hühnerrupfen (nicht nur im übertragenen Sinn) abkommandiert sind. Auch
Gabriel Bermudez als Sprecher, Thomas Winkler und Tomasz Slawinski als
Geharnischte profitieren von der originellen Figurenzeichnung. Überhaupt
gilt, dass mit der Kälte der Bühne eben da und dort auch für Frische gesorgt
ist. Recht glücklich macht die Sache nicht. |
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