St. Galler Tagblatt, 23.10.2007
Verena Naegele
Humperdinck: "Königskinder", Zürich, Premiere, 21. Oktober 2007
Ein Märchen aus heutiger Zeit
Das Opernhaus Zürich zeigt Engelbert Humperdincks fast vergessene Oper «Königskinder»
Doppelt belohnt wurde das Publikum der jüngsten Premiere am Opernhaus Zürich: Mit dem Début von Ingo Metzmacher und der Begegnung mit Humperdincks «Königskindern».

Am Schluss liegen die beiden Königskinder tot auf der kalten, von rieselndem Schnee zugedeckten Bühne, verhungert, erfroren, durch die miefigen, globalisierten Kleinstädter von Hellabrunn dem Gift des Bösen preisgegeben. Es gibt entgegen der Regieanweisung in der Vorlage kein Happy End, kein Aneinanderschmiegen der Unschuldskinder «Lippe an Lippe» im Tod. Und das ist gut so, logisch innerhalb eines dramaturgischen Konzepts von Regisseur Jens-Daniel Herzog und Dirigent Ingo Metzmacher, das alles latent Germanisch-Pompöse eliminiert und einen überzeugenden Abend gestaltet.

Kunstvolles Kammerspiel

Mit seinem die Klangleichtigkeit der Partitur betonenden Ansatz machte Metzmacher deutlich, warum gerade er prädestiniert war, Humperdincks schwieriges Stück zur Diskussion zu stellen. Er setzte konsequent auf transparente Durchhörbarkeit des kunstvoll polyphonen Satzes, ein volksliedhafter, vielfach elegisch-lyrischer Ton herrschte vor, wurde aber immer wieder auch von dramatischen Ausbrüchen durchbrochen. Exzellent aufeinander abgestimmt war neben dem Orchester auch das Ensemble mit leichten Stimmen, die durch charakteristisches Timbre und sublime Farbgebung zu einem fein differenzierten Kammerspiel beitrugen.

Schon das erste Bild (Ausstattung Mathis Neidhardt) zeigt, dass hier ein psychologisch durchdachter Rahmen geschaffen wurde, der keinen Raum für die altertümelnde Sprache der Librettistin Elsa Bernstein lässt. Ein laborähnlicher Ort mit kahlen Wänden, getrübten Oberlichtfenstern und ein Wassertrog bilden den «Märchenwald», eine nüchterne Anstalt, in der die Gänsehirtin durch die Hexe zum Bösen, zu Egoismus und Profit erzogen werden soll. In der Anstalt regiert die Hexe (Liliana Nikiteanu) als Pflanzengiftmischerin, die vom strengen Outfit der «Labortante» beim Erscheinen des Spielmanns mühelos zum Vamp mit wehend roten Haaren wechselt. Den schwierigen Part des Spielmanns, der zwischen den Welten laviert und zu keiner gehört, gestaltet Oliver Widmer mit nuancenreicher und liedhaft elegischer Stimme.

Regisseur Herzog gelingen immer wieder sprechende Bilder für seine Aussagen. So charakterisiert er die Hellabrunner als Gesellschaft, die «Königs-Burger» fressend auf Festbänken sitzend den Erlöserkönig erwartet, um beim Anblick der abgehärmten Gänsehirtin zum wilden Pöbel zu mutieren.

Unschuldskinder

Wie die beiden Königskinder in dieser Öde ihre Unschuld bewahren, ohne in Kitsch auszuarten, ist wunderbar bildhaft dargestellt. Wenn die beiden etwa den stählernen Laborwagen zu ihrem rollenden Liebesnest machen, dann vergisst man die nüchterne Umgebung. Isabel Rey besticht mit ihrer Wandlung vom einsam-unschuldigen Mädchen zur liebenden Frau ebenso wie Jonas Kaufmann, der vom neugierigen Jüngling zum desillusionierten Ausgegrenzten mutiert. Reys leichter und doch klar fokussierter Sopran und der dunkel-virile Tenor von Kaufmann finden so im Optischen ihr Äquivalent.
Foto: Copyright: Suzanne Schwiertz, Zürich






 
 
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