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Orpheus 1/2, 2008 |
Felix Falkner |
Humperdinck: "Königskinder", Zürich, Premiere, 21. Oktober 2007
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Triumph für ein verkanntes Werk
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Nicht überall wo „Märchen“ draufsteht, ist auch
ein solches drin. In JENS-DANIEL HERZOGs ernsthafter Inszenierung am
Opernhaus rücken Humperdincks verkannte KÖNIGSKINDER aus dem Schatten des
Schwesternwerkes heraus und zeigen sich als sozial- und
gesellschaftskritische Parabel. Menschen von heute agieren in einem
geschlossenen System, dies auch im übertragenen Sinn auf den kargen
Bühnenraum von MATHIS NEIDHARDT, der im ersten Akt ein Labor als
übergeschützter, durch Angstmache hermetisch abgeschlossener Ort für die
Gänsemagd ist, im zweiten Akt eine an Spießigkeit kaum zu übertreffende
Festhalle der Hellabrunner Gesellschaft darstellt, wo der Königssohn sich
als Abfallaufleser des Burgerladens (Königsburger!) verdingt hat und so die
stumpfe Selbstzufriedenheit seines Volkes kennenlernt. Er ist der einzige
Unabhängige, der das Potential in sich trägt, die Augen der verblendeten
Gesellschaft zu öffnen und etwas zu ändern, jedoch dabei kein „gottgesandter
Heilsbringer“ ist, weit eher Naturbursche mit Herzensbildung. JONAS KAUFMANN
verkörpert ihn aufs trefflichste und in musikalischer Hinsicht betörend. Der
kernig-dunkle Tenor, seine virile Erscheinung verleihen ihm eine
darstellerische Glaubhaftigkeit und Autorität, die ihn Mittelpunkt des
Stückes werden lassen. An seiner Seite entwickelt sich die Gänsemagd.
ISABEL REY intensiviert und konzentriert die Innigkeit ihres berührenden
Soprantimbres im Laufe des Abends von naiv-kindlichem Ausdruck zur reifen
Frau und zur Leidensfigur. Gleichfalls gelingt es sowohl dem überraschend
balsamisch singenden OLIVER WIDMER als Spielmann wie auch dem ausgezeichnet
vorbereiteten und berückend klangschön intonierenden Kinderchor, eine dem
Protagonistenpaar ähnliche Intensität zu erzeugen. Sie bilden die Brücke zur
gesellschaftlichen Masse. Mit Kindern untermauert, was allenthalben als
Kitsch abgetan wird, Humperdinck die durchdacht psychologische Komponente
seiner Werke. LILIANA NIKITEANU als Hexe, REINHARD MAYR und VOLKER VOGEL als
Holzhacker und Besenbinder und die anrührende MARIE-THERESE ALBERT wie auch
der prachtvolle Chor geben der Rarität weiteren Glanz. Im Graben leistet
INGO METZMACHER bei seinem ersten Auftreten am Opernhaus Zürich beredt
Überzeugungsarbeit für das verkannte Werk. Er sucht nach den Schönheiten,
demonstriert sie, lässt munter und glanzvoll aufspielen einerseits, nimmt
piani aber extrem zurück. Das Orchester der Oper Zürich erreicht unter
seiner bisweilen aber recht hemdsärmligen Führung weder die gewohnte
Präzision noch die erwartete Klangkultur. Man spürt jedoch die Zuneigung und
Begeisterung für diese Musik, deren Schönheit den Abend mit zum Triumph
geführt hat. |
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