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Zürcher Oberländer, 21. 2.
2005 |
Sibylle Ehrismann |
Monteverdi: L'Incoronazione di Poppea, Zürich, Februar 2005
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Historik und Moderne in Harmonie
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Premiere von Monteverdis
«L'Incoronazione di Poppea» mit Dirigent Nikolaus Harnoncourt im Opernhaus
Zürich |
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In der Geschichte der Oper steht Claudio
Monteverdi ganz am Anfang. Er erlebte nicht nur den Wechsel von der
höfischen Opernproduktion zum öffentlichen Haus, wo man Eintritt bezahlen
musste und was zu rentieren hatte. Als Komponist vollzog er auch eine
Entwicklung vom mythologischen Stoff zur Vermenschlichung seiner Figuren.
«L'Incoronazione die Poppea» ist denn auch die erste Oper, die mit dem
römischen Kaiser Nero und seinen Frauen einen historischen Stoff über
sinnliche Begierde eines Machthabers schrieb. Es macht einen heute noch
schaudern, wenn man hört und sieht, mit welch knappen und feinen Tönen hier
die seelischen Grausamkeiten des mächtigen, sinnenbegierigen Kaisers
geschildert werden.
Problematische Grippewelle
Die Dramatik liegt hier im subtilen Wechsel von «recitar cantando» (Sprechen
auf Tönen), «cantar recitando» (sprechendes Singen) und dem «cantare», dem
eigentlichen Gesang. Diese drei Arten der Ausführungen, so Harnoncourt im
Programmheft, können fallweise sogar von Takt zu Takt wechseln. Das
erfordert ein Umdenken der Interpreten, denn in dieser minutiösen
Ausgestaltung und Durchdringung finden sich bei keinem anderen Komponisten
der Musikgeschichte. Es war deshalb besonders heikel, dass ausgerechnet
diese Produktion von einer argen Grippewelle heimgesucht wurde, die während
der fünf Probewochen fast alle Sänger irgendwann ins Bett riss. Und
schliesslich musste nach intensiver und subtiler Probenarbeit Vesselina
Kasarova nach der Generalprobe aussteigen. Der Kolumbianerin Juanita
Lascarro, welche die Partie kürzlich in Frankfurt gesungen hat, gelang in
dieser kurzen Zeit eine szenisch wie musikalisch souveräne Integration.
Drehbühne mit Villa
Überraschenderweise geht auch die Modernisierung auf, die Jürgen Flimm bis
ins Detail durchdacht vornimmt. Das Bühnenbild (Annette Murschetz) auf der
Drehbühne zeigt die diversen Räume in modernem Design, eine Art heutige
Villa. Interessant ist nicht nur, dass man durch runde Luken auch Einblick
in die hinteren Räume hat. Die Drehbühne erlaubt auch den schnellen Wechsel
der Szenerie, verlangt doch Monteverdi oft nahtlose Übergänge, ja manchmal
sogar Überlappungen von einer Szene zur anderen. In dieser Veralltäglichung
der Geschichte, die von den relativ schlichten, aber schönen modernen
Kostümen von Heide Kastler noch betont wird, geht jedoch eine wichtige
dramaturgische Komponente verloren: diejenige von repräsentativer Macht -
Nero ist schliesslich Kaiser über das Römische Reich - und der niederen
Triebe. Doch das Eintauchen in die Intimität dieser Musik, in die
Schattierungen der Stimmführung, in die sparsame, aber wirkungsvolle
Instrumentation wird einem auch von der Szenerie her leicht gemacht. Flimm
führt die Figuren feinfühlig im musikalischen Duktus; auch einzelne Gesten
entsprechen dem musikalischen Verlauf. So gehen modernes Design und
historische Musik in ganz natürlicher Harmonie einher. Das Orchester La
Scintilla des Opernhauses Zürich ist spürbar auf Harnoncourt, seinen
Initianten, eingespielt. Der Continuoklang ist homogen und agil, der der
Streicher weich und innig.
Im hochgefahrenen Orchestergraben kann man die alten Instrumente gut sehen:
die Lauten, die Schalmeien, die Holzflöten, das Cembalo und die historischen
Bässe. Tatsächlich ist der Instrumentalpart der «Poppea» nicht viel mehr als
ein Continuo. Doch auch hier gibt es Meister: Continuospieler mit Phantasie
und sprechender Gestik. Harnoncourt konzentrierte sich stark auf die
Stimmen, ja auf die Worte und schmiegte den musikalischen Part ganz darauf
ein. Sehr schön gelangen auch die fliessenden Wechsel zum «cantar», wo
jeweils auch der Orchesterklang an Farbe und Dichte gewann. Einzig die sehr
schwer zu intonierenden Schalmeien leisteten sich vor allem zu Beginn noch
auffällig starke Patzer.
Berauschender Liebhaber
In der Rolle des Nerone debütierte der junge Münchner Tenor Jonas
Kaufmann mit überzeugender, zuweilen gar betörender Ausstrahlung und
schillernder Farbgebung. Er ging ganz im berauschten Liebhaber auf und fand
in den Duetten mit seiner geliebten Poppea zu vibrierendem Schmelz.
Juanita Lascarro wirkte als Poppea trotz des enormen Drucks locker,
selbstbewusst und stilsicher. Im Wechsel von der verführerischen zur
machtgierigen Frau fand sie viele Facetten. Ihr gegenüber vermochte auch
Francesca Provvisionato als von Nero verbannte Ehefrau Ottavia mehr zu geben
als die tragisch Betrogene. Mit starker Haltung und seelischer Präsenz
wirkte sie mit ihrer strahlenden Mezzostimme bis zum Schluss schön und
souverän.
Starke Stimmen
Selten sind die gut in ein Ensemble integrierten Countertenöre. Franco
Fagioli fand in seinem Rollendebüt als der von Poppea betrogene Ottone ein
verblüffend natürliches, weinerliches und verspieltes Profil, das keine
Überzeichnung nötig hat. Prägend ist auch der Auftritt von Jean-Paul
Fouchécourt in der komischen Altuspartie der Poppea-Amme Arnalta, welche er
mit bohrendem Timbre und markanter Präsenz gestaltete. Grossartig dazu die
tiefe Bassstimme von Lászlê Polgár, der als in Ungnade gefallener
Nero-Berater Seneca eine alles grundierende Gelassenheit ausstrahlte.
Auffallend waren zudem die quirlige Stimme von Sandra Trattnigg in ihrem
Drusilla-Debüt und die junge, eigenwillige Altistin Kismara Pessatti als
Amme der Kaiserin.
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