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Der Tagesspiegel, 06.12.2003 |
Frederik Hanssen |
Berlioz: La damnation de Faust, Berlin ab 4. Dezember 2003
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Heinrich, mir graut vor dir!
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Als Hector Berlioz auf Einladung des preußischen
Königs 1847 nach Berlin kam, um seine Damnation de Faust zu dirigieren,
erwartete ihn eine böse Überraschung: Weil es der Komponist gewagt hatte, in
einer Zeitung zu behaupten, französische Flötisten seien besser als
deutsche, hatte der Soloflötist der Staatskapelle mächtig Stimmung gegen
Berlioz gemacht. Nur mit Mühe gelang es, das störrische Orchester zu
bändigen.
Mit dieser Anekdote im Hinterkopf kann sich der Kritiker am Donnerstag ein
Schmunzeln nicht verkneifen, als bei der konzertanten Aufführung der
„Damnation“ in der Philharmonie nicht der französische Soloflötist der
Berliner Philharmoniker, Emmanuel Pahud, das Podium betritt, sondern sein
Kollege Andreas Blau. Damit ist allerdings der erfreuliche Teil des Abends
auch schon vorbei. Denn Dirigent Charles Dutoit tut sein Möglichstes, um
alle Vorurteile zu bekräftigen, die über den größenwahnsinnigen
Theaterdonnerer Berlioz kursieren.
Dabei besteht kein Anlass zur groben Fahrlässigkeit: Jonas Kaufmanns
eleganter Tenor und der seidig schimmernde Sopran von Ruxandra Dunose bilden
ein edles Liebespaar – und einen schönen Kontrast zum grotesken Mephisto von
Willard White. Der von Simon Halsey vorbereitete Rundfunkchor und die
Philharmoniker würden die feinen atmosphärischen Momente und instrumentalen
Raffinessen der Partitur sicher gerne präsentieren. Doch Dutoit peitscht mit
halsbrecherischen Tempi los – ohne die nötige schlagtechnische Präzision zu
besitzen –, hascht nach Effekten und treibt den Kitsch der Apotheose an den
Rand des Erträglichen.
Eine Woche vor dem 200. Berlioz-Geburtstag am 11. Dezember bewahrheitet sich
einmal mehr die alte Weisheit: Zu früh gratulieren, bringt Unglück. |
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