Bieler Tagblatt, 14. 01. 2003
Ruth Werfel, sda
Mozart: Idomeneo, Zürich, Januar 2003
Ein etwas gar mildes Klima auf Kreta
Ohne antiken Pomp haben Regisseur Klaus-Michael Grüber und Dirigent Christoph von Dohnanyi Mozarts Oper «Idomeneo» auf der Bühne des Zürcher Opernhauses vorgeführt.
Schreckliches ereignet sich in Mozarts «Dramma per musica». Auf dem Meer vor der heimatlichen Küste gerät Idomeneo, der König von Kreta und Held von Troja, in einen fürchterlichen Sturm. In der Not schwört er, Gott Neptun den ersten Menschen zu opfern, der ihm am Ufer begegnet. Am Strand trifft er seinen Sohn Idamante. Dass Vater und Sohn das grässliche Schicksal erspart bleibt, ist Ilia zu verdanken.

Gerührter Gott
Längst liebt Ilia, die in Kreta gefangene Tochter des besiegten Königs von Troja, den Feind Idamante. Aus Liebe zu ihm will sie an seiner Stelle sterben. Gerührt ob so viel Opferbereitschaft ist der Gott besänftigt. «Ha vinto amore» verkündet das Orakel.
Doch in der Zürcher Aufführung mit der gewählten Kurzversion fehlen die drei Worte, die doch der Schlüssel zum glücklichen Ende sind. Tatsächlich feilte auch Mozart selbst unaufhörlich an diesem Werk, das einen Wendepunkt in seinem Schaffen bildet. Auch Klaus Michael Grüber und Dirigent Christoph von Dohnanyi suchten aus den Vorlagen nach einer eigenen Fassung. Sie kürzten, strichen eine Figur, lassen mit modernen Instrumenten spielen, um damit die Oper dem heutigen Publikum näherzubringen. Klaus-Michael Grüber zeigt klar konturierte Menschen von heute mit ähnlichen Nöten und Sorgen: Liebende, Verzweifelte, Neidische, Heimkehrende, Fremde, Sieger und Besiegte.
Doch das bewundernswert natürliche Spiel von Ilia (Malin Hartelius), Idamante (Liliana Nikiteanu), Idomeneo (Jonas Kaufmann) und der ebenfalls in Idamante verliebten und eifersüchtigen Elettra (Luba Orgonasova) nimmt dem Geschehen seine Grösse. Auf menschliche Dimensionen geschrumpft wirkt das antike Drama eine Nummer zu klein. Vor zart bemalten, wechselnden Prospekten wird gespielt. Nicht viel mehr als Chiffren sind die leicht verschiebbaren Elemente, die antiken Ruinen, die Felsblöcke am Strand, die Lavendelbüsche, oder die überraschend aus dem Boden wachsende weisse Poseidon-Büste. (Bühnenbild: Gilles Aillaud).

Ilia mit Liebreiz
Leicht und luftig wirkt diese Inszenierung, als hätte sie die drückende Schwere des Schicksals vorzeitig abgestreift. Leicht, flexibel sind auch die Stimmen, in den Rezitativen wie in den Arien. Voller Liebreiz Ilia, zunehmend sicher und keck Idamante. Mit betörenden Nuancen und Farben Elettra, und stimmschön, noch nicht immer ganz sicher in den Koloraturen, Idomeneo.
Das mag allerdings auch an den Orchestertempi liegen. Mit dem Zürcher Opernorchester auf modernen Instrumenten begleitet Dohnanyi die Sängerinnen und Sänger zwar dynamisch zurückhaltend und sensibel, aber manchmal etwas sehr langsam.
Insgesamt wirkt der Orchesterklang zu wenig einheitlich. Teils wunderbar ausgehorcht und ausgearbeitet, aber dann wieder eher pauschal und beliebig.
Die Auftritte des von Ernst Raffelsberger einstudierten, verstärkten Chors der Oper Zürich sind von grösster Ausdruckskraft und Plastizität. Auf sein Konto geht ein grosser Teil des Erfolgs dieses Zürcher «Idomeneo».






 
 
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