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SKJ 6/1995 |
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Schubring: Cyrano de Bergerac, Staatstheater Saarbrücken, Juni 1995
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Und er sticht nicht!
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Am 22. Oktober erlebte das Musical »Cyrano de
Bergerac« in Saarbrücken seine Uraufführung. Es basiert auf dem
gleichnamigen Schauspiel von Edmond Rostand von 1897, immer noch eines der
meistgespielten Stücke der Welt. Bühnenbild und Kostüme hat sich das
Staatstheater beim Theater des Westens in Berlin besorgt, wo man bereits
versucht hatte, aus dem Stück ein Musical zu machen – mit sehr mäßigem
Erfolg. Die Ausstattung allerdings ist allererste Sahne. Selten sah ich in
Saarbrücken ein so hervorragend gemachtes Bühnenbild, und die Kostüme sind
Spitze. Die schauspielerische Leistung konnte sich sehen lassen, und die
meisten Sänger sich hören, besonders Jessica Blume als Roxanne und Jonas
Kaufmann als Christian.
Aber das war's dann auch. Hauptdarsteller Hartmut Volle spielte absolut
überzeugend, hervorragend, lotete die Facetten der Figur aus (soweit ihm die
Regie dies gestattete), war stimmlich jedoch allzuoft überfordert. Die
Fechtszenen sind allenfalls Mittelmaß. Wie enttäuschend und schlecht
choreographiert der Kampf gegen die berühmten 100 Mann! Langweilig und lahm
schon das erste Duell mit dem berühmten Spruch »Denn beim letzten Verse
stech' ich«. Da stach nichts, da fehlte der Drive, der Biß – wie beim ganzen
Stück. Vielleicht hätte sich Regisseur Gerhard Weber vorher überlegen
sollen, wo er mit der Inszenierung hin will. Die bei Rostand angelegten
komischen Szenen kamen meist zu lau, zu lahm, der bei ihm und vor allem
Cyrano selbst vorhandene kritische Biß, die Satire wurden höchstens mal
angedeutet, von (Selbst)Ironie keine Spur... Doch all dies wäre nötig
gewesen, um die Längen des Stückes erträglich oder gar angenehm zu machen -
oder aber gründliche Kürzungen. Ich kann doch ein Stück vom Ende des 19.
Jahrhunderts nicht einfach bieder runterspielen! So machte sich immer wieder
Langeweile brei
Und dann die Musik - und die banalen Texte von Wolfgang Adenberg! Leonard
Bernstein hat einmal gesagt, das Musical befinde sich in einer Situation wie
das Singspiel vor Mozart; es brauche ein Genie, um einen Sprung wie den zur
Oper zu machen. Mir scheint, das Musical bewegt sich derzeit eher zurück,
wird allgemein immer bombastischer - und kitschiger. Der Cyrano von
Saarbrücken ist ein weiterer Meilenstein auf diesem falschen Weg.
Für wen hat Marc Schubring diese kitschigen, schlagerähnlichen Melodien
geschrieben? Für junge Leute kaum, eher für Operettennostalgiker – wobei ich
Operetten durchaus schätze, aber von einem guten Offenbach oder Strauß oder
gar einer modernen Inszenierung trennen dieses Stück Welten. Hier hätte man
mit Mut an die Sache gehen müssen, der Musik und damit dem Stück die Portion
Frechheit verleihen müssen, die Cyrano auszeichnete – diesen Freigeist,
Vorläufer der Aufklärung, Visionär und Phantasten im besten Sinne. So
bleiben 08/15-Melodien, oft auch noch schlecht arrangiert, zu laut und so
bombastisch, so daß selbst die Profisänger sie nicht übertönen. Nur einmal
überzeugte mich die Musik: Das dreistimmige fugenähnliche »Ohne dich« nach
der Pause ist hervorragend, wie überhaupt diese Szene im Lager der
hungernden Gascogner eine der wenigen gelungenen ist, bei der die »Massen"
mal nicht kopflos rumwuseln.
Für Freunde der altmodischen Operette oder des bombastischen Theaters mag
dieses Stück zu empfehlen sein; insgesamt ist es leider eine vertane Chance,
aus einer großen Vorlage mit Hilfe einer tollen Ausstattung ein modernes
Stück mit Witz, Biß und Komik zu machen. |
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