Tiroler Tageszeitung, 3.06.2023
Das Interview führte Markus Schramek
 
 
Jonas Kaufmann übernimmt Festspiele Erl: „Initiative ging von Haselsteiner aus“
 
Startenor Jonas Kaufmann wird mit Herbst 2024 neuer Intendant der Festspiele Erl.

Der Startenor wollte von einer Bewerbung für die Festspiele Erl zunächst nichts wissen.

Herr Kaufmann, haben Sie sich selbst initiativ beworben, oder hat Sie Herr Haselsteiner darum gebeten?

Jonas Kaufmann: Ich gebe zu, die Initiative kam ursprünglich von Herrn Haselsteiner. Sie fiel in einer ersten Runde nicht auf extrem fruchtbaren Boden, weil ich ja schon einen vollen Terminkalender habe. Der Vorschlag hat mich aber immer mehr beschäftigt. Ich habe begonnen, Pläne und Ideen aufzuschreiben, auch für das Marketing. Und irgendwann hat mich Herr Haselsteiner dann „gehabt“, und ich habe mich beworben.

Intendanten in Wien oder Salzburg, wo Sie oft auftraten, könnten enttäuscht sein, dass Sie nun der „neue Mister Erl“ werden.

Kaufmann: Ich stehe für Oper auf höchstem Niveau. Das ist kein Ausschlusskriterium für Erl. Ich war noch nie Anchorman für ein bestimmtes Opernhaus und bin kein Fan davon, dass man Tickets für eine „Netrebko-Show“ kauft und gar nicht weiß, wie das Stück heißt. Das ist ein Teil Geschäfts, wenn wir zum Beispiel die Salzburger Festspiele nehmen, der mir nicht geschmeckt hat. Als Intendant ist es aber legitim, wenn man mit seinem Haus verbunden wird..

Waren Sie schon in Erl?

Kaufmann: Ja, ich war in Erl und ich bin begeistert von der Architektur und der phänomenalen Akustik im Festspielhaus. Da kann man sich als Sänger nur sämtliche Finger abschlecken. Es gibt wenige vergleichbare Häuser in Europa, vielleicht das Concertgebouw in Amsterdam oder San Carlo in Neapel.

Ihr Name wird Erl deutlich mehr in den Fokus der Musikwelt rücken.

Kaufmann: Natürlich sorgt mein Name für Aufmerksamkeit, aber die ist nur kurz, dann müssen wir liefern und das auf unanfechtbar hohem Niveau. Erl soll zu einem „global player“ hochkarätiger Festivals werden.

Hatten Sie schon einmal eine vergleichbare Leitungsfunktion inne?

Kaufmann: Nein, überhaupt nicht. Ich betrete als Intendant absolutes Neuland. Ich habe damit immer geliebäugelt für später, wenn ich einmal nicht mehr singen kann oder will. Zum jetzigen Zeitpunkt war es nicht Teil meiner Planung. Unterstützt vom richtigen Leitungsteam, kann ich Erl als „Nebentätigkeit“ zu meinem Beruf als Sänger aber sicher bewerkstelligen.

Wollen Sie in Erl auch selbst Regie führen?

Kaufmann: Nein, das maße ich mir als Quereinsteiger nicht an. Da würde auch der Haussegen schief hängen, schließlich ist meine Frau Opernregisseurin. Ich bin für das Programm verantwortlich und engagiere die Regisseure. Ich habe meine künstlerische Linie für das Haus und die ist mit den Regisseuren abzustimmen.

Der Schritt von den großen Metropolen nach Erl: ein Kulturschock für Sie?

Kaufmann: Es ist doch nicht so, dass ich nach Erl gehe, weil sie mich woanders nicht hinlassen und ich in Wahrheit viel lieber die Met in New York leiten würde. Erl ist von der Menge und von der Größe der Spielwiese her für mich perfekt. Das kann ich mir sowohl geistig als auch zeitlich leisten.

Planen Sie Änderungen beim Erler Festspielorchester mit seinen MusikerInnen u. a. aus Weißrussland und Italien?

Kaufmann: Eine große Veränderung wird nicht möglich sein. Das System ist relativ etabliert. Ob Erik Nielsen Chefdirigent bleibt, werden wir sehen. Die personellen Entscheidungen stehen noch aus. Sie werden aber im Laufe des kommenden Sommers erfolgen.
 






 
 
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