Ein Weltstar mitten in Salzburg. Bei herrlichem
Herbstwetter und bester Laune treffen wir Jonas Kaufmann auf der Salzburger
Steinterrasse zum Interview. Begleitet von seiner Frau Christiane erzählt
der Startenor ganz entspannt über den Umzug nach Salzburg, sein Eheglück und
darüber, wie er sich seine Zukunft vorstellt.
Seit rund einem
Jahr haben Sie Ihren Hauptwohnsitz in Salzburg, seit Februar auch die
österreichische Staatsbürgerschaft.
Ja, wir sind jetzt nicht nur
qua Wohnsitz, sondern auch qua Pass Österreicher.
Was hat Sie zum
Umzug nach Salzburg bewogen?
Da gibt es viele Kriterien, ein
paar sieht man hier, wenn man sich nur umschaut. Wenn man in Oberbayern
aufgewachsen ist, vermisst man sofort, wenn nicht in greifbarer Nähe Berge
sind. Meine Frau ist gebürtige Hessin, aus Wiesbaden, jedoch seit 2000 in
Wien ansässig gewesen und extrem in Österreich verwurzelt. Sie hat immer
gesagt: Ich will hier nicht mehr weg. Nicht nur Salzburg, sondern ganz
Österreich ist, was die Kulturaffinität betrifft, auf einem ganz hohen
Niveau. Darum kann ich sehr gut verstehen, dass sie gesagt hat: Ganz weg
geht nicht. Aber ich habe große Kinder, die mittlerweile auch schon fast
keine Kinder mehr sind, meine Tochter ist sogar schon verheiratet. Die leben
alle noch im Großraum München. Wien – München ist halt unpraktisch. Die
Kinder sind in der Hinsicht gnadenlos und sagen: „Keinen Bock! Fünf Stunden
im Zug sitzen, sicher nicht!“ Auch für mich ist es mühsam, an einem Tag hin
und retour zu gelangen. Da ist Salzburg natürlich das Beste aus beiden
Welten. Es war schließlich auch eine geografische Entscheidung. Beruflich
hat es mich natürlich immer schon nach Salzburg verschlagen. Wenn man es
sich erlauben kann – wie heißt es so schön, leben, wo andere Urlaub machen…
Was wurde aus dem Haus in Bayern, in dem 2020 die Amazon Prime
Reportage gedreht wurde?
(lacht) Das ist noch mein Eigentum,
aber nicht mein Besitz – es ist vermietet. Es würde mir sehr weh tun, wenn
ich es hergäbe, ich habe das Haus selbst geplant und gebaut. So etwas fängt
man kein zweites Mal mehr an und bekommt es nicht zurück, sobald es einmal
weg ist. Insofern war das klar, dass ich es nicht für immer hergeben kann.
Was hat Sie dazu bewogen, mit dieser Reportage der Welt Einblicke in
Ihr Privatleben zu geben?
Ich hab mich früher immer extrem
gewehrt gegen alle Blicke ins Private. Je mehr man sich dagegen wehrt, desto
mehr wird nachgebohrt. Mit Thomas Voigt habe ich irgendwann das erste Buch
herausgebracht, eigentlich aus der Not geboren, denn es hätte eine
nicht-autorisierte Biografie erscheinen sollen. Bevor jemand irgendetwas
schreibt, ohne mich wirklich zu fragen, dann mach ich das lieber selbst –
damit war es ein notgedrungenes Gegenprodukt. Im Nachhinein habe ich
festgestellt, dass es sofort viel weniger Nachfragen gegeben hat. Und das
ist auchhier so: Wir waschen keine schmutzige Wäsche, es wird nicht mit der
Steadycam in jeden Winkel geschaut, sondern es wird ein relativ
kontrollierter Einblick gegeben, qualitativ auf hohem Niveau.
Das
zweite war, dass bei meinem Job das Publikum extrem wichtig ist und einfach
gefehlt hat. Im Lockdown war genug Zeit, um so ein Projekt zu machen. Bei
vielen Promipaaren wird einfach eine Location angemietet und als das echte
Zuhause ausgegeben, aber das war in dem Fall aufgrund des Lockdowns gar
nicht möglich. Es hat auch Ewigkeiten gedauert, alle Genehmigungen zu
bekommen, damit so viele Leute im Haus sein dürfen, natürlich alle mit Maske
und jeden Tag getestet. Aber das ging nur im privaten Ambiente.
Seit 2018 sind Sie mit Regisseurin Christiane Lutz verheiratet. Wie lange
sind Sie schon ein Paar?
Seit 2014.
Was ist Ihnen
wichtig in einer Beziehung? Was bringt Ihr Herz zum Tanzen?
(lacht) Die Kunst in einer Beziehung ist, die Unbeschwertheit beizubehalten
und sich nicht von Alltagssorgen, Stress und allem so sehr ablenken zu
lassen, dass man den Kern der Sache vergisst. Das ist uns bisher sicher
gelungen. Ich wundere mich selbst immer wieder, wie es passieren kann, dass
alles so unglaublich frisch bleibt. Was mein Herz zum Tanzen bringt – was
soll ich sagen? Ich habe einfach einen Narren gefressen an dieser Dame und
unserer Beziehung! Das wird sich auch nicht mehr ändern!
Welche
Kompromisse sind Sie zugunsten Ihrer Karriere eingegangen?
Grundsätzlich ist es so, je mehr man zuhause ist, desto mehr hat man die
Möglichkeit, das gemeinsame Leben zu genießen und auch an allen Beziehungen
in jeder Hinsicht zu arbeiten. Das ist natürlich schwieriger, je mehr man
weg ist. Das war mir auch damals klar, dass es nicht immer wahnsinnig
einfach war in den verschiedenen Phasen meiner Kinder. Natürlich könnte man
sich gegen eine Karriere entscheiden, sagen, ich mach’s jetzt einfach nicht,
ich nehme ein Festengagement an. Den möchte ich allerdings sehen, der sagt:
Ich könnte jetzt alles haben, aber ich will nicht. Ich hab mir eingebildet,
ich schaffe diesen Spagat. Wie wir heute rückblickend sehen, habe ich das in
weiten Teilen auch sehr gut geschafft. Dass ich jetzt ein zweites Mal
verheiratet bin, zeigt halt, dass über die Jahre nicht überall alles
funktioniert hat. Ich empfinde es nicht so, dass ich Entbehrungen in Kauf
nehmen muss. Klar, wenn ich mich entscheide, heute auf die Wiesn zu gehen
und auf den Tischen zu tanzen, dann weiß ich, dass ich morgen keinen
Auftritt haben kann. Aber das wird man überleben, dann lässt man halt einen
Tag auf der Wiesn aus. (lacht)
Sie haben schon einmal pausieren
müssen, aufgrund einer Verletzung am Stimmband. Wie groß ist die Angst um
die Stimme?
Eigentlich nicht groß, natürlich ist man davor nicht
gefeit. Wenn man einmal das Vertrauen in die Stimme verloren hat, glaube
ich, dann ist das Karriereende sehr nah. Weil man dann auch gar nicht mehr
frei singen und auftreten kann. Ich kann‘s nicht ändern, es kann theoretisch
wieder einmal passieren, aber ich gehe mittlerweile regelmäßiger, einmal im
Jahr, zur Untersuchung. Die Ärzte versichern mir immer wieder, dass sie ganz
andere Stimmbänder gesehen haben, die wirklich Abnützungserscheinungen
haben. Das Positive an der Karriere, die ich bisher hatte, ist, dass ich
darauf aufbauend auch einmal ein Jahr nichts machen kann und danach trotzdem
wieder Engagements bekomme. Das ist ja leider in vielen anderen Phasen der
Karriere nicht der Fall. Wenn ich gerade am Aufsteigen bin, kann es gut
sein, dass ich nie wieder diese Chancen bekomme.
Haben Sie für
den Fall einen Plan B für die Zukunft?
Nein – aber natürlich ist
das Naheliegende, dass man unterrichtet oder, wie mein Kollege Placido
Domingo, anfängt zu dirigieren. Das würde mich übrigens wahnsinnig reizen!
Aber wenn, dann auch nur, dass man mich nicht nur engagiert, weil da
Kaufmann draufsteht! Grundsätzlich hat mich immer alles Handwerkliche
interessiert, ich habe schon sehr viele Sachen gemacht. Erst heute habe ich
mit einem Lifttechniker telefoniert, als ich selbst in den Liftschacht
gekrochen bin und die Einstellungen verändert habe, weil etwas nicht
funktioniert hat. Der hat gemeint: Wenn ich das so höre, können Sie mir noch
eine Schulung geben! Das macht mir Spaß, ob es Elektrik ist oder Metallbau
oder Holz oder was auch immer. Aber ob ich damit mein Geld verdienen möchte,
steht auf einem anderen Blatt. Beschäftigung hätte ich auf jeden Fall.
Sie sind mit 53 Jahren im besten Alter – haben Sie so etwas wie eine
Midlife-Crisis durchlebt?
Nicht wirklich. Ich habe das Glück,
dass ich einen so wahnsinnig ausfüllenden Beruf habe, sodass ich eigentlich
gar nicht dazu komme, allzu sehr zu reflektieren und zu sinnieren. Die
vielen Rollen, die man darstellt, haben alle auch eine selbstreinigende
Wirkung. All diese Gefühle durchlebt man auf der Bühne und kann sich damit
einiger Dinge viel klarer werden, als wenn man einen Beruf hat, in dem das
Äußern von Emotionen keine so wichtige Rolle spielt. Es ist eine Katharsis,
eine Reinigung, übrigens auch beim Publikum. Es gibt Leute, die weinen mit,
die lachen mit und fühlen sich danach richtig befreit. Weil sie ihren
Gefühlen einmal freien Lauf gelassen haben.
Was macht ein Jonas
Kaufmann, wenn er ganz viel Zeit nur für sich hat? Welchen Hobbys gehen Sie
nach?
Ich geh gern Bergsteigen, ich radle, ich segle, spiele
Tennis, Golf. Was halt möglich ist, um ein bisschen die Seele baumeln zu
lassen. Ich lese aber auch leidenschaftlich gerne und sehr viel. Der
Verbrauch an Büchern ist immens, aber es ist herrlich. Am Abend noch eine
halbe Stunde zu lesen, bevor man das Licht ausmacht, ist genial. Weil man
alles, was vorher vielleicht gestresst haben könnte, aus dem Kopf bekommt.
Und ich habe einen Oldtimer, das ist natürlich auch eine
Vollzeit-Freizeitbeschäftigung, diesen immer am Laufen zu halten. Ein alter
BMW aus dem Jahr 1969, meinem Geburtsjahr, ein BMW 1600 GT. Er macht sehr
viel Spaß und bringt Autofahren auf ein ganz anderes Niveau zurück. Es ist
fast schon Sport, wenn man noch richtig mitlenken muss.
Sie sind
bekennender Kaffee-Junkie…
Ja, unglaublich.
Welche
Laster haben Sie sonst noch?
Da muss ich nachdenken: Ich sag bei
einem guten Glas Wein sicher nicht nein, es sei denn, es ist vor dem
Auftritt. Ich kann mir nicht vorstellen, auch nur eine Note mit Alkohol zu
singen, das geht nicht. Es ist wie ein Kontrollverlust, vielleicht auf sehr
kleinem Niveau, aber es ist für mich ein No-Go. Aber nach dem Auftritt lässt
sich da durchaus drüber reden. Ich hab auch mittlerweile ein paar
befreundete Winzer, bei denen ich regelmäßig vorbeischaue. Ich esse sehr
gerne, koche leidenschaftlich gern. Ein Genussmensch, könnte man durchaus
sagen. Aber ansonsten – da müssten Sie meine Frau fragen.
Abschließend ein kleiner Blick in die Zukunft: Welche Projekte stehen in
nächster Zeit an?
Eines der nächsten Projekte sind auf jeden
Fall die Osterfestspiele hier, mit Wagners Tannhäuser. Es ist mein
Rollen-Debüt in dieser Partie und mein nächster Salzburg-Termin. Es gibt
kaum noch große Partien, die mir fehlen und die ich unbedingt noch machen
will. Der Tannhäuser ist einer davon. |