Seit rund einem Jahr lebt Startenor
Jonas Kaufmann mit seiner Frau Christiane und ihrem gemeinsamen Sohn in
Salzburg. Im großen SALZBURGERIN-Interview spricht er über Leben, Arbeit und
Familie.
Haben Sie und Ihre Familie sich schon gut in
Salzburg eingelebt?
Eingelebt vielleicht noch nicht ganz, aber
wir haben beide schon viel Erfahrung mit Salzburg. Christiane hat bereits
zwei Mal am Salzburger Landestheater gearbeitet und hat bereits vor dem
Umzug einige Monate in der Stadt gelebt.
Insofern kennt man zwar
vieles, aber erst, wenn man wirklich da wohnt, merkt man: Salzburg ist – im
wohlgemeintesten Sinne des Wortes – ein Dorf und das ist genial! Man kennt
immer jemanden, der jemanden kennt. Man braucht bloß zu fragen, alle sind
per du. Da ist Wien schon sehr anders.
Und der Wohnsitz in Wien?
Den haben wir aufgegeben. Es war eine schwierige Entscheidung, aber ich
werde ja trotzdem oft in Wien sein und an der Staatsoper arbeiten.
Realistisch betrachtet – ich habe das früher mit zwei und drei Wohnsitzen
exerziert – ist man dann nirgends richtig daheim. Du kommst an und musst
aufarbeiten, was wochenlang liegengeblieben ist, dann fährst du wieder,
anstatt dich sorgenfrei auf ein Zuhause zu konzentrieren.
Sie
sind stolzer Vater von insgesamt vier Kindern, drei davon aus erster Ehe –
wie alt sind diese bereits?
Die Große ist 24, dann habe ich noch
zwei Jungs mit 19 und 17. Interessante Alter, sag ich mal vorsichtig.
Was ist Ihnen wichtig in der Erziehung Ihrer Kinder? Gibt es
Unterschiede heute zu damals?
Ja und nein, ich kann das nur
subjektiv beurteilen, aber grundsätzlich ist natürlich dieser Nachzügler
insofern privilegiert, dass er ein bisschen mehr Narrenfreiheit hat. Er hat
zusätzlich zu seinen Eltern die großen Geschwister und keiner von uns kann
seinem Charme widerstehen. Damit ist es natürlich schwieriger, die Grenzen
aufzuzeigen. Ich hab meine erste Ehe und die Geburt des ersten Kindes noch
sozusagen in absoluter Provinzlaune bestritten. Ich glaube, mir war all die
Jahre immer unglaublich wichtig, dass die Kinder nie verzogen werden, nach
dem Motto „Mein Papa ist der Jonas Kaufmann“. Es war oft im Gegenteil sogar
so, dass die Söhne nachhause kamen und sagten: „Da hat einer gesagt, seine
Mutter möchte ein Autogramm von dir haben. Wieso denn?“ Der Vater geht außer
Haus, weil er singen muss, und dann kommt er wieder. Das ist ein Beruf wie
jeder andere. Das war immer unsere Einstellung.
Sie sind schon
auf fast allen Bühnen dieser Welt gestanden. Gibt es dennoch eine Bühne, auf
der Sie noch nie gesungen haben, die Sie reizt?
Ich hab immer
mal geträumt, in dem Theater in Manaus, Brasilien zu singen, das die
verrückten Kautschuk-Barone gebaut haben. Allerdings: Es ist ein relativ
kleines Theater im Niemandsland mit schwierigen klimatischen Verhältnissen,
es ist sicher nicht einfach, da aufzutreten. Wahrscheinlich würde man sagen,
wäre ich doch nur als Tourist gekommen und müsste nicht auch noch singen.
Aber ansonsten ist eigentlich alles abgegrast. Klar gibt es immer noch
einzelne Städte oder Regionen, die ich noch nicht geschafft hab. In
Neuseeland war ich zum Beispiel noch nicht…
Sie sind schon auf
fast allen Bühnen dieser Welt gestanden. Gibt es dennoch eine Bühne, auf der
Sie noch nie gesungen haben, die Sie reizt?
Ich hab immer mal
geträumt, in dem Theater in Manaus, Brasilien zu singen, das die verrückten
Kautschuk-Barone gebaut haben. Allerdings: Es ist ein relativ kleines
Theater im Niemandsland mit schwierigen klimatischen Verhältnissen, es ist
sicher nicht einfach, da aufzutreten. Wahrscheinlich würde man sagen, wäre
ich doch nur als Tourist gekommen und müsste nicht auch noch singen. Aber
ansonsten ist eigentlich alles abgegrast. Klar gibt es immer noch einzelne
Städte oder Regionen, die ich noch nicht geschafft hab. In Neuseeland war
ich zum Beispiel noch nicht…
Was mögen Sie am wenigsten an Ihrem
Job?
Der Erfolg bringt es mit sich, dass es fast so etwas wie
eine moralische Verpflichtung gibt, immer und überall aufzutreten. Wenn man
einem Veranstalter zwei oder drei Mal abgesagt hat, tut man sich sehr
schwer, ein drittes Mal abzusagen, auch wenn eigentlich der Kalender schon
zu voll ist. Das ist einer der Punkte, die mich immer wieder stören, dass
man, obwohl man sich gefühlt zerreißt, ständig das Gefühl hat, immer noch zu
wenig zu tun. Der zweite Punkt ist die Krankheit, die jedem passieren kann.
Der eine geht mit einer Grippe-Tablette ins Büro und schnieft ein bisschen.
Der andere kann halt leider nicht auftreten. Die Akzeptanz dessen, dass man
zum Schutz der Stimme absagt, ist oft leider nicht gegeben. Aber das sind
Kleinigkeiten.
Was kann Sie heute bei einem Auftritt noch nervös
machen?
Stau! Ich bin jemand, der gerne pünktlich ist. Wie
andere Leute ins Büro fahren, fahre ich ja auch zur Arbeit. Das Problem ist,
wenn ich zu spät komme, warten dann gleich einmal ein paar Tausend Leute.
Manchmal ist es ein bisschen knapp, das gebe ich zu. Meistens ist dann die
Vorstellung umso besser, weil man ein bisschen Extra-Adrenalin ausschüttet.
Es ist aber eine meiner Stärken, dass ich eben nicht nervös bin. Es gibt
kein Lampenfieber irgendeiner Art. Und dann hat man die ganze Kapazität frei
für die Interpretation und ist nicht gehandicapt durch den Stress.
Wo sehen Sie sich in 20 Jahren?
(lacht) In Rente! Ich
glaube, ich habe eine gewisse Verpflichtung – nicht der Menschheit gegenüber
– sondern meinen Nächsten, irgendwann ruhiger zu treten. Wir haben vorhin
von Entbehrungen gesprochen, vom vielen Nicht-da-Sein, das macht man unter
anderem auch deshalb, weil man weiß, dass es auf Zeit ist und nicht für
immer Heute denke ich noch überhaupt nicht daran – aber man muss sich
darüber im Klaren sein, dass man es eines Tages ruhiger angehen lässt. Dann
macht man vielleicht noch ein paar Konzerte, ein paar Master Classes, für
den Rest der Zeit genießt man das Leben. Das wäre ja fatal, wenn man bis zum
letzten Atemzug versucht, alles rauszupressen. In 20 Jahren, ich bin jetzt
53, mach ich vielleicht ab und zu noch irgendeine kleine Rolle aus Spaß,
weil ich doch noch ein bisschen Bühnenluft schnuppern möchte. Aber sonst
überlasse ich das Arbeiten anderen.
Wie schöpfen Sie Energie,
laden Ihre Akkus wieder auf?
Ja, das wenn ich wüsste. (lacht) Es
ist meistens viel zu wenig Freizeit am Stück, um den Akku so richtig
aufzuladen. Ich bin ein Mensch, der grundsätzlich sehr, sehr viel Energie
hat. Der Erfolg, nicht der mittelbare, sondern der unmittelbare,
beispielsweise nach einer Aufführung, gibt einem unglaublich viel Kraft und
Energie zurück. Die Publikumsreaktion, die einen sofort wieder euphorisiert,
macht viel aus. Ganz extrem ist auch meine Frau involviert, was das
betrifft, weil das Zusammensein extrem ausgleichend ist und ich sofort
runterkommen kann. Ich hab festgestellt, ich bin in der Hinsicht sehr
italienisch, auch wenn es nur eine ganz kurze Pause ist von ein paar Stunden
oder ein paar Tagen – ich kann sofort umschalten in den
Jetzt-hab-ich-frei-Modus. Ich versuche, jeden freien Moment wirklich zu
genießen und auszukosten.
Weihnachten naht – wie werden Sie das
Fest begehen?
Am 23. Dezember habe ich nachmittags noch ein
Konzert in München in der Isar Philharmonie, das Nachholkonzert vom
vergangenen Jahr. Das heißt, die stille Zeit fängt bei mir relativ spät an.
Am 24. Dezember gibt es wieder eine Weihnachtssendung im ZDF. Demnächst
kommt auch eine neue Edition meiner Weihnachts-CDs heraus, diesmal mit
Lesungen, also hab ich mich im Laufe des Jahres schon viel mit Weihnachten
beschäftigt. Am Heiligen Abend werde ich mit allen Kindern in Salzburg
feiern und etwas Feines kochen. Letztes Jahr ist meine Schwester aus Hamburg
zu Besuch gewesen mit ihrer Familie. Je mehr, desto besser – dann macht das
Kochen gleich noch mehr Spaß, wenn man in großer Runde genießen kann.
Welche Rolle spielt dabei der Glaube?
Grundsätzlich ist
der Glaube bei uns immer gegenwärtig, es gibt auch Tischgebete. Aber ich
habe, wenn ich ehrlich bin, schon vor vielen Jahren den Glauben an die
Institution Kirche ein bisschen verloren. Es gab in meinem Umfeld einige
Begebenheiten, die dazu beigetragen haben, zu erkennen, dass das eine mit
dem anderen vielleicht nicht so viel zu tun hat, wie man denkt. |