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Bühne, April 2021 |
ATHA ATHANASIADIS |
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Jonas
Kaufmann
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Steckbrief: Jonas Kaufmann Alter: 51 Jahre
Wohnort: Bayern Das Private kennt jeder. Spannender ist die jahrelange
Berufsbeziehung, die Jonas Kaufmann mit Direktor Bogdan Roscic hat. Bis Ende
2019 war Roscic der Plattenchef von Kaufmann und verantwortlich für dessen
größte internationale Verkaufserfolge. |
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Wie klingt der perfekte Ton?
Warum haben viele Sänger Reflux?
Warum braucht man für „Parsifal"
bequeme Schuhe?
Und warum heißt das Stück nicht „Kundry"? Die
Antworten. |
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Jonas Kaufmann hat jetzt meine Telefonnummer!
Für diesen Satz wären viele Fans bereit, alles zu tun. Ich würde Ihnen ja
die seine sofort weiterleiten, hätte Kaufmann sie nicht schlauerweise
unterdrückt. 30 Minuten hat sein PR-Agent uns gegeben, um über jenen
„Parsifal" zu reden, den Kaufmann gemeinsam mit Elina Garanca (Interview
BÜHNE Nr.7) unter der Regie von Kirill Serebrennikov an der Wiener
Staatsoper verkörpern wird.
23 Fragen hatten wir vorbereitet. 78,26
Sekunden macht das pro Antwort. Das Telefon läutet. Er ist dran und dermaßen
gut gelaunt und freundlich, dass ein Teil der Fragen, wegen Infantilität
unsererseits, sofort gestrichen wird.
2004 hat Kaufmann seinen ersten
„Parsifal" in Zürich gesungen, dann ein paar Wiederaufnahmen, eine
Neuproduktion an der MET, dazu konzertante Aufführungen. Wer, wenn nicht er,
kennt das Stück. Die Uhr tickt, lassen Sie uns beginnen.
Herr Kaufmann, wie würden Sie einer Fünfjährigen die doch etwas komplexe
Handlung von „Parsifal" erklären?
Puhh (Man merkt, er hat
die Frage nicht erwartet. Gut so, dann langweilt er sich wenigstens nicht.)
Es gibt andere Wagneropern, die noch märchenhafter sind und mit denen man
bei Fünfjährigen gut landen kann, wie „Lohengrin". (Kaufmann macht eine
Pause, atmet tief aus. Lacht. Und startet seine Vereinfachung.) Also: Da ist
eine Gemeinschaft, die im Wald lebt und die ihr Allerkostbarstes verloren
hat und es sucht. Lustigerweise heißt es: Nur derjenige, der gar nichts
weiß, kann es finden. Und dann kommt dieser eine und findet es wirklich,
aber er findet es nicht deshalb, weil er nichts weiß, sondern er findet es,
weil er unvoreingenommen an die Sache herangeht, anders als die anderen, die
schon zu viel wissen ... (Kaufmann lacht.) War das verständlich?
Geht so. Sie stehen im ersten und im dritten Akt recht lange auf der
Bühne herum und dürfen nichts tun außer schauen ...
Sie
werden es mir nicht glauben, aber Nichtsingen ist oft anstrengender als
Singen. Vor allem wenn wir davon ausgehen müssen, dass unser „Parsifal" fürs
Fernsehen aufgezeichnet werden wird und die Kamera viel näher an uns dran
ist als das Publikum. Ich singe teilweise 25 Minuten gar nicht und werde
beim Schauen beobachtet. Das Problem beginnt, wenn man die Spannung verliert
und von der Trägheit eingelullt wird. Birgit Nilsson hat einmal gesagt: „Das
Wichtigste, was man für Wagner braucht, sind bequeme Schuhe." Ich dachte:
Haha, Koketterie! Aber nach der Stimme ist das Wichtigste bei Wagner, dass
man körperlich und geistig nicht müde wird. Der dritte Akt hat eine Spur
mehr Zug als der erste Akt. Aber „Parsifal" ist so wahnsinnig toll
geschrieben, insofern hat sich mir nie die Frage gestellt: Lohnt sich das
Warten? (Lacht.)
Früher wurde Wagner wie Belcanto gesungen.
Dürfen wir in Wien also auf eine vergoldete Version hoffen?
Jaaaa! (Die Frage freut Kaufmann offensichtlich.) Gerade in Verbindung mit
Elina Garanca und Ludovic Tezier ist das ein Dreierpack, das für einen
Wagnergesang mit Legato steht. Ich finde, die Melodien von Wagner sind so
berührend schön, dass sie sehr wohl eine Berechtigung haben, auch
entsprechend gesungen zu werden. Und Philippe Jordan ist einer der wenigen
Dirigenten, die Wagner zu einer unglaublichen Transparenz verhelfen können.
„Parsifal" ist ja nicht unbedingt ein feministisches Stück. Es
gibt nur eine Frau. Warum hat man das Stück nicht einfach „Kundry" genannt?
Oder „Gurnemanz"?!
Bizet war sich nicht sicher, ob er sein
Stück „Carmen" nennen sollte. Ich glaube, der Name „Parsifal" ergibt Sinn,
weil er ja letztendlich derjenige ist, der alles zu einer Lösung bringt.
Irgendwann hört die Macht der Kundry auf, und Parsifal übernimmt ...
Der Tenor Joseph Aloys Tichatschek soll überirdische Stimmkräfte
gehabt haben und der Grund dafür sein, dass Wagner das Leistungsvermögen der
Sängerinnen und Sänger überschätzt hat. Sauer auf Tichatschek?
Ich muss jetzt keine Lanze für Wagner brechen, jeder weiß, dass ich ihm
verfallen bin. Aber etwa bei Tristan weiß ich, wo die Grenze ist und dass
man diese Grenze bis aufs Letzte ausloten muss, um das singen zu können. Ich
werde in letzter Zeit von Leuten angesprochen, die sagen: „Da kann man doch
ein bisserl schummeln." Aber dafür ist Wagner nicht da. Wenn ich das singen
will, dann will ich es so singen, wie es dasteht. Tristan stellt mir da eine
Aufgabe im Tenorfach, die ihresgleichen sucht. Das ist bei Parsifal nicht
ganz so. Bei Kundry ist das im Gegensatz dazu schon fast gemein geschrieben.
Wagner hat sich eine Kontra-Altistin mit Koloratur vorgestellt. Vor allem am
Ende des zweiten Aktes, das ist so ... (Kaufmann fehlen die Worte — er
beginnt zu singen. Klingt toll.) Wie kann eine Stimme, die all das andere,
was er vorher verlangt hat, gemacht hat, dann dieses Stück auch noch mit
Leichtigkeit singen ... Als Sänger können wir uns nicht beschweren, weil
das, was wir singen dürfen, von grandioser Schönheit ist. Und ehrlich:
Parsifal hat es nicht so schwer, wenn man die Minuten zusammenzählt, die er
singt, dann kommt man auf circa 35. (Lacht.)
Tenöre stehen im
Ruf, nicht besonders intelligent zu sein — Ihr Kollege Piotr Beczala hat bei
einem Treffen einen Tenorwitz nach dem anderen abgefeuert ...
... sehen Sie, intelligent genug sind wir Tenöre aber, um uns all diese
Witze zu merken ... (Jonas Kaufmann ist ja richtig schlagfertig, und ich
verliere kurz den Gesprächsfaden; also zu einer Frage, die mich schon lange
beschäftigt.)
Stimmt es, dass viele Sänger an schmerzhaftem
Reflux leiden, oder ist das ein Gerücht?
Nein, das ist kein
Gerücht. Das ist physisch ganz logisch. Beim Singen wird das Zwerchfell
massiv nach unten gedrückt und quetscht Magen und Gedärme: Der Lunge soll
möglichst viel Raum gegeben werden, um die Luftsäule, die sich zwischen
Kehlkopf und Zwerchfell bildet, möglichst lang zu halten und einen möglichst
großen Ton zu erzeugen. Da fliegt der Ton hin und her, und je länger der
dauert, desto länger hält man das Zwerchfell tief. Dieses ständige
Nach-unten-Drücken führt dazu, dass sich der Magenausgang zwischen dem
Zwerchfellgeflecht nach oben schiebt. Das wiederum behindert den Ringmuskel,
der die Speiseröhre zum Magen hin abschließt. Sodbrennen entsteht. Das kann
man vorübergehend hinkriegen, es gibt da viele Übungen, oder man arbeitet
mit Osteopathen, die dann den Magen wieder an die richtige Stelle schieben.
Aber beim nächsten Mal Singen kommt daß Sodbrennen wieder. Ich kenne kaum
einen Sänger, der das nicht hat.
Was ist das schönste
Kompliment, das Ihrer Stimme je gemacht wurde?
Marilyn Horne
hat einmal gesagt: „Du hast eine Stimme wie ein Cello." Das war sehr nett.
„Ich suche Emotion, nicht Perfektion. Gefühle transportiert man
nicht durch Perfektion.”
Gibt es eigentlich einen
Jonas-Kaufmann Trick, um von Ihrem exzellenten Aussehen abzulenken?
(Jonas Kaufmann beginnt herzlich zu lachen, und selbst das klingt wie
Koloratur.) Man versucht mit Kurzhaarperücken, mit Glatze, mit allen
möglichen Dingen vom Kaufmann-Look wegzukommen. (Er lacht weiter.) Ich habe
früher immer gesagt: Nicht jeder altert wie George Clooney, ich muss auch
auf andere Qualitäten, wie Singen, schauen.
Wie klingt der
perfekte Ton?
Der perfekte Ton ist derjenige, der an der
richtigen Stelle genau den richtigen Ausdruck bringt. Singen ist etwas sehr
Subjektives. Jeder will und hört etwas anderes. Die Perfektion ist nicht
das, was man als Musiker sucht: Ich suche Emotion. Die Musik ist ein Mittel,
um Gefühle zu transportieren. Und Gefühle transportiert man nicht durch
Perfektion. Man kann beeindrucken durch Perfektion, aber das ist nicht von
Dauer.
Sie gelten als großer Charmeur: Welche Sprache
funktioniert bei Frauen am besten: Italienisch, Französisch, Spanisch ...?
Uiii ... Ich nehme mal an, Italienisch. Das klingt so gurrend und
geheimnisvoll, und selbst wenn man es nicht versteht, hat man doch immer das
Gefühl, dass da etwas Unglaubliches erzählt wird.
Herr
Kaufmann, danke für das Gespräch. |
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