Nürnberger Nachrichten, 12.12.2019
INTERVIEW: JENS VOSKAMP
 
 
Mit Heurigen-Gesängen zum Wagner-Trip
Vor seinem Gastspiel in der Nürnberger Meistersingerhalle spricht JONAS KAUFMANN über seinen Wechsel in das schwere Fach und das Wiener Lied.

Seit Fritz Wunderlich, Rene Kollo und Peter Hofmann hat kein deutscher Tenor mehr für so viel internationale Furore gesorgt wie Jonas Kaufmann. Der 50-Jährige gehört zu den gefragtesten Operndarstellern unserer Tage und feierte gerade in Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt" an der Bayerischen Staatsoper einen großen Erfolg. Am 18. Januar kommt der smarte Sänger in die Nürnberger Meistersingerhalle mit seinem neuen Album-Programm mit Wiener Liedern.

Herr Kaufmann, bevor wir auf Ihr aktuelles Wiener Programm zu sprechen kommen, möchte ich Sie fragen, ob Sie sich noch 26 Jahre zurückerinnern, als Sie das erste Mal in Nürnberg auftraten?

Wie könnte ich das je vergessen? (lacht) Der „Meistersinger-Wettbewerb" war ja der erste und einzige Wettbewerb, den ich je in meinem Leben bestritten habe. Und er fand seinerzeit für mich persönlich völlig zur Unzeit statt, weil ich gerade die Weisheitszähne gezogen bekommen hatte. Ich musste die Jury wegen ein paar Artikulationsschwierigkeiten tatsächlich um Entschuldigung bitten und fuhr zwischen der zweiten und dritten Runde nach München, um mir die Fäden ziehen zu lassen. Dass ich dennoch als Preisträger aus der Sache herausging, betrachte ich immer noch als ein Wunder.

Zu den Wundern Ihres Lebens gehört sicherlich auch, dass Sie bei der CD-Einspielung Ihres aktuellen Programms mit Wiener Liedern ausgerechnet von den Wiener Philharmonikern begleitet wurden. Eine Ehre, die auch nicht jedem zuteil wird. Empfinden Sie das als Ritterschlag?

Das muss ich schon zugeben, dass mich das außerordentlich gefreut hat. Mit dem Programm gehe ich bestimmt schon vier, fünf Jahre schwanger und ständig kam es zu Terminschwierigkeiten. Aber ich habe immer gesagt, bevor wir es mit irgendjemand machen, warten wir ab, bis die Wiener frei sind. Das ist ein Traum. Und den Philharmonikern machte das auch unheimlich Spaß, denn dieses Repertoire spielen sie eigentlich nur beim Neujahrskonzert. Insofern war das ein Geben und Nehmen. Besonders schön war, dass wir auch das Eröffnungskonzert dieser Tournee in Wien vor Wiener Publikum machen konnten. Hinterher überreichte mir der Wiener Bürgermeister einen Preis und ich fragte ihn bei dieser Gelegenheit, was er denn davon hielte, dass jetzt auch Piefkes Wiener Lieder singen. Daraufhin sagte Michael Ludwig nur: „Na, na. Dass das mit Ihnen passt, wussten wir scho."

Was für Erfahrungen haben Sie mit diesen speziellen Liedern denn gemacht?

Wissen Sie, wir kennen diese wunderbaren Schätze ja meist nur in den Arrangements der 50er Jahre, wo viel Puderzucker darüber gestreut wurde. Und das merkt man auch den Arrangements an. Man wollte die schlechten Zeiten hinter sich lassen und verwendete ordentlich Schmalz. Dahinter verschwanden ein bisschen der Schalk, der subversive Charme und auch der Grant, der in diesen Gesängen liegt. Der Schmäh verdrängte alles. Da wurden Hawaii-Gitarren eingebaut und Schubidu-Chöre eingesetzt. Die haben dem Affen Zucker gegeben und alles eine Spur zu süß gemacht. Das haben wir ein bisschen entschlackt.

Neulich wurden Sie von einem Kollegen gefragt, ob nach dem Berliner und Wiener Album nicht nun ein Münchner Programm dran wäre. Darauf haben Sie gesagt, dass müsste aber um fränkische Lieder ergänzt werden. Wie kamen Sie darauf?

Naja, es ist nicht so, dass ich jetzt fränkische Lieder rauf und runter singen könnte. Aber ich weiß, dass es da sehr viel traditionelles Liedgut gibt, und wenn man mir anbietet, ein oberbayerisches oder Münchner Programm zu machen, dann gehören diese Dinge ganz selbstverständlich dazu. Nach dem Video kamen übrigens prompt ein paar fränkische Reaktionen, die mir das gar nicht zugetraut hätten und sich bedankt haben.

Sie haben ja nun schon einige Mal in der Meistersingerhalle gastiert. Ist der Saal für einen einzelnen, unverstärkt auftretenden Sänger nicht im Grunde zu groß?

Das stimmt schon: Die Halle ist unendlich und gigantisch groß. Und um ehrlich zu sein: Wir werden bei diesem Programm teilweise auch die Verstärkeranlage nutzen. Peter Kreuders „Sag' beim Abschied leise Servus" oder „In einem kleinen Café in Hernals" - wenn man das mit so viel Stütze singen würde, dass es noch gut beim Publikum ankommt, ist eigentlich der Charakter weg. Einen richtigen Schönheitspreis wird der Saal sicherlich nie bekommen, aber die Akustik funktioniert doch viel besser als bei uns im Gasteig.

Neben dem leichten Genre, mit dem Sie derzeit auf Tournee sind, kommen im nächsten Jahr doch einige Brocken auf Sie zu...

Es ist nun einmal Beethoven-Jahr und insofern komme auch ich um den Florestan im „Fidelio" nicht herum. Siegmund ist im ersten Akt eine Tortur, aber dann geht's. Bei Stolzing gibt es viele Nickligkeiten. Denken Sie daran, dass allein das Preislied neunmal variiert wird und das nicht nur musikalisch, sondern auch textlich. Das verlangt schon ein enormes Gedächtnis. Und dann habe ich meinen ersten Tristan vor mir. Da ist ja allein der zweite Akt schon eine ganze Oper für sich. Aus diesem Grund habe ich auch abgelehnt, bei den Opernfestspielen in München wieder den Otello zu machen. Das wird mir einfach zu viel.
 
 
 






 
 
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