Volksblatt
 
 
„Ich mag dieses G’stanzlhafte gern“
Startenor Jonas Kaufmann (50) singt auf neuem Album Wienerisches

Tenor Jonas Kaufmann (50) hat ein neues Album, das heißt „Wien“. Mit der dazugehörigen Tournee ist er in diesem Winter quer durch Europa unterwegs, dazu kommen einige Opernengagements — „mit der nächsten Spielzeit auch wieder an der Wiener Staatsoper“, stellte er seine Rückkehr mit der neuen Intendanz von Bogdan Roscic in Aussicht.

Im Sommer 2020 wird der in München geborene Opernsänger erstmals in der Arena di Verona auftreten.

Ich war bei Ihrem Konzert überrascht, wie Ihnen als Nicht-Wiener gerade die düsteren, sarkastischen Wienerlieder liegen … mehr als die walzerseligen Operettenhits.

KAUFMANN: Da müssen Sie meine Eltern fragen, was da schief gelaufen ist (lacht). Ich mag dieses G’stanzlhafte wahnsinnig gern, weil man da viel weniger irgendwelche Konventionen oder Referenzen beachten muss. Man ist sehr frei und kann auch sehr intim sein. Das schätze ich ja an den Wienern, dass man sein Herz auf der Zunge tragen kann. Natürlich ist auch die Gaudi der Operette schön, das macht Spaß. Aber in den Liedern eines Kreisler ist dann doch mehr Vielschichtigkeit.

Man sagt ja, dass die Deutschen und die Österreicher nichts so sehr trennt wie der Humor.

Es ist vielleicht die nicht vorhandene Scheu, sich selbst in die Waagschale zu werfen und an die eigene Nase zu fassen und die eigene Situation auf die Schippe zu nehmen. Das ist ein wahnsinniges Glück des Wieners: sich alle Sorgen rausraunzen und dann scheint die Sonne wieder. Der Deutsche hat da mehr Schwierigkeiten, der trägt dann alles so protestantisch mit sich herum. Hier in Österreich ist man dem Italienischen näher: Mit der Idee, dass man das Leben auch im Angesicht des Schrecklichen genießen soll, weil man es eh nicht ändern kann. Man rettet sich in den Sarkasmus — das muss man erst einmal aushalten können!

Abseits von „Wien“: Im Opernrepertoire gibt es kaum noch Neuland für Sie. Was steht an?

Neues Repertoire gibt es tatsächlich nicht mehr viel, Tristan steht als großes Projekt an, meine nächste Premiere ist Korngolds „Tote Stadt“, dann gibt es noch ein paar Wagner-Stücke und Ausgefallenes, das in meiner Liste noch fehlt. Aber in Wahrheit würde sich die Operette sehr anbieten. Ich habe gestern im Konzert Harald Serafin gesehen, der im Publikum jedes Lied mitgesungen hat. Da habe ich schon gedacht — man sollte mal eine gescheite Operette machen. Natürlich hätte ich da große Lust dazu. Aber da muss ich zuerst noch ein paar Leute überzeugen, vor allem die Intendanten, dass sie auf hohem Niveau eine vernünftige Operette machen.

Eine vernünftige?

Das Problem ist, dass Operette an vielen Häusern einfach getötet wurde mit Antiinszenierungen. Es ist ja nicht chic, dass man sich amüsiert. Das ist aber schade, weil die Operette ist dafür da. Natürlich gibt es darin unterschwellige Kritik und jede Menge Andeutungen — aber das genügt doch, da muss man ja nicht mit der Zaunlatte kommen. Aber diese Mode, unter der leidet die Oper, aber die Operette noch viel mehr. Alle, die das nicht wollen, wandern dann ab zum Musical — was, positiv formuliert, die Fortführung der Operette ist und negativ formuliert ein Abklatsch.

Barrie Kosky hat in Salzburg im Sommer sehr erfolgreich Operette inszeniert. Da ist der Bann also gebrochen. Und in Wien soll er ja künftig viel zu tun haben …

Kosky hat sein eigenes Prinzip, das wunderbar funktioniert, ich mag ihn wahnsinnig gern. Wir haben uns ein paarmal getroffen und wo sich bei uns die Geister scheiden ist: er möchte am liebsten sieben oder acht Wochen proben und ich würde ihm gerne die Hälfte der Zeit zur Verfügung stellen, weil ich glaube, wenn man sich etwas überlegt, kann man es auch in drei oder vier Wochen hinbekommen. Bisher haben wir es nicht geschafft, uns in der Mitte zu treffen.

An der Wiener Staatsoper übernimmt mit Bogdan Roscic ein langjähriger Bekannter von Ihnen das Ruder, sie kehren bereits in seiner ersten Spielzeit zurück …

Ich kenne ihn seit vielen Jahren und mag ihn sehr gern. Ich kenne ihn als Enthusiasten und als Realisten. Das ist eine gute Kombination für so ein Haus: von Musik und Oper vollkommen begeistert zu sein und sie trotzdem auf den Boden zu bringen. Dieser Spagat ist nicht vielen vergönnt. Jetzt sehen wir einmal, wie die erste Spielzeit läuft — er hat dafür ein sehr ungewöhnliches Konzept gefunden. Und was die Operette betrifft: Wien wäre natürlich ein idealtypischer Platz, um so etwas zu machen.

 
 
 






 
 
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