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Tiroler Tageszeitung, 13.10.2019 |
Das Gespräch führte Ludwig Heinrich |
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Trällernde Oma vom Achensee hat ihn geprägt
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Startenor Jonas Kaufmann hat gerade eine musikalische Liebeserklärung an Wien veröffentlicht. Und auch Tirol liegt ihm am Herzen.
Wien – Der große Tenor kommt nach längerer Zeit wieder einmal in die
österreichische Hauptstadt, und zwar mit geballter Wien-Ladung. Im Gepäck
hat er nämlich seine allerneueste CD „Wien“, die am Freitag veröffentlicht
wurde. Und morgen feiert er im Konzerthaus seine Tourneepremiere. Tags
darauf stellt er im Musikverein den Prachtband „Jonas Kaufmann – Eine
Bilderreise“ (448 Seiten) mit eigenen Fotos vor.
Warum
haben Sie sich Wien ausgesucht?
Jonas Kaufmann: Da muss
ich schmunzeln. Denn gerade vorher war eine Münchner Kollegin von Ihnen da
und hat gefragt: „Warum nicht München?“
Und was haben Sie
geantwortet?
Kaufmann: Ich habe sie gefragt: „Liebe
Dame, wo gibt es ein so reichhaltiges Repertoire von Münchner oder
bayrischen Komponisten?“ Wien ist ja wirklich der Wahnsinn. Wien ist
geradezu abartig! Was hier alles komponiert wurde!
Aufgenommen haben Sie mit ...
Kaufmann: Natürlich mit
den Wiener Philharmonikern unter Adam Fischer. Welches andere Orchester wäre
da sonst in Frage gekommen?
Wie entstand beim Bayern
Kaufmann die Liebe zu Wiener Melodien?
Kaufmann: Sie
waren für mich seit jeher „Gute-Laune-Musik“. Wenn ich als Student
ungeliebte Arbeiten wie Putzen oder Staubsaugen vor mir hatte, musste ich
nur die „Fledermaus“-Aufnahme mit Carlos Kleiber aus dem Regal nehmen, und
die hat mir sofort ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Nicht zu vergessen:
Die erste professionelle Bühnenproduktion, in der ich – noch während des
Studiums – mitwirkte, war „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauss in der
Saison 1993/94 am Theater in Regensburg. Da sang ich die Rolle des Caramello
in über 30 Vorstellungen. Kein Wunder also, dass die tenoralen Höhepunkte
dieser Operette auch auf dem Album „Wien“ sind.
Es gab
noch jemanden, der Sie in diesem Sinne geprägt hat ?
Kaufmann: Sicher meine Großmutter mütterlicherseits. Sie hatte eine sehr
schöne Stimme. Sie war eine typische Hausfrau, hat wie wahnsinnig gekocht
und gebacken, dazu hat sie den ganzen Tag geträllert. Sie hat voller Liebe
die Evergreens eines Johann Strauss, Franz Lehár oder Robert Stolz gesungen.
Das genaue Kontrastprogramm zum Vater meines Vaters. Der ist nur auf
„Deutsch“ abgefahren, war ein leidenschaftlicher Wagnerianer. Er war aber
auch nie so lustig wie die Großmutter.
Gibt es da nicht
auch Zusammenhänge mit Tirol?
Kaufmann: Sehr starke
sogar. Ich hatte ja immer sieben Wochen Sommerferien, und da fuhren meine
Schwester und ich mit dem Vater regelmäßig nach Italien. Der Vater konnte
nicht so lange Urlaub machen, also schmiss er uns auf der Rückfahrt immer
bei den Großeltern am Tiroler Achensee raus, wo ich den Rest meiner Ferien
verbrachte. Dort war ich also immer mit der Trällerei der Großmutter
konfrontiert. Auch gab’s in ihrem Haus, einem aufgelassenen Bauernhof, den
einzigen Fernseher im Dorf. Noch ein Schwarz-Weiß-Gerät. Da kamen die Kinder
aus der Umgebung jeden Mittwoch zum Kasperlschauen. Einige Kinder trauten
sich nie rein, haben von draußen durchs Fenster dem Kasperl zugeschaut. Den
Grund fand ich erst nach einiger Zeit heraus: Sie fürchteten, dass sie zu
sehr stinken und damit die Nasen der „feinen Städter“ beleidigen würden ...
Für das Album „Wien“ haben Sie ein buntes Repertoire
ausgewählt. Nicht nur Strauss, Lehár oder Robert Stolz, auch Lieder etwa von
Georg Kreisler. Wobei auffällt, dass Sie den genauso perfekt nachahmen
können wie Hans Moser oder Helmut Qualtinger.
Kaufmann:
Weil ich Dialektfan bin. Ich hab’ privat viele Kreisler-Songs im Repertoire.
Seine Platten spiele ich mir oft auf und ab vor. Einmalig, wie er seiner
Gesellschaft den Spiegel vorgehalten, ihre mangelnde Bereitschaft zur
Vergangenheitsaufarbeitung bissig und scharf erkannt und das mit so viel
Liebe in herrliche Melodien verpackt hat. Genial! Wenn Sie wollen, sing’ ich
Ihnen gleich das Lied vom „Tauberl vergiften im Park“ vor ... (Er tut es.)
Somit haben Sie wahrscheinlich auch das Tirolerische drauf?
Kaufmann: Ganz klar. Und speziell das Südtirolerische finde ich
interessant.
Auf der CD gibt es auch ein wunderbares
Wienerlied eines Deutschen: „Sag beim Abschied leise Servus“ von Peter
Kreuder. Ein besonderes Lieblingslied von Ihnen?
Kaufmann: Ja, ganz bestimmt, diese Melodie über das Abschiednehmen. Obwohl
man da ja schon fast aufpassen muss, dass man nicht ins Visier der
#Metoo-Bewegung kommt.
Wie das?
Kaufmann: Na ja, bei Textzeilen wie „Es kommt für alles schon einmal die
Endstation, man ändert heut’ sein G’spusi wie sei’ Lieblingsmusi, per
Saison“ oder „Es gibt jahraus, jahrein an neuen Wein und neue Liebelei’n“
...
In diesem Zusammenhang ein Abstecher zu einem
aktuellen Ereignis, dem „Fall“ Plácido Domingo. Wer das Operngeschehen gut
beobachtet, weiß, dass auch Opernstars Groupies haben. Und sie folgen den
Sängern oft in alle möglichen Städte. Ist es nicht so?
Kaufmann: (schmunzelnd) Hm ... Ich weiß da zum Beispiel von einem sehr, sehr
bekannten Opernstar, aber wir nennen keine Namen, okay? Dem hat einer seiner
weiblichen Fans so gut gefallen, dass er seinen Betreuer fragte: „Kannst du
mir ihre Telefonnummer verschaffen? Ich möchte sie anrufen.“ Darauf der
Betreuer lächelnd: „Du brauchst sie nicht anzurufen, ich mach’ das, denn ich
habe ihre Nummer schon, und sie kommt sicher gerne und schnell.“ Was ich
damit sagen will: Es gibt so viele Möglichkeiten, so viele Varianten von
„Schuld“ und „Nichtschuld“, auch haben sich die Zeiten geändert. Man sollte
sich daher hüten, über jemanden so leicht und so schnell den Stab zu
brechen.
Noch einmal zurück zu Jonas Kaufmann und Wien.
Wie hat sich das Verhältnis zu dieser Stadt entwickelt?
Kaufmann: Es geschah eher langsam. Ich war 14, 15, als ich zum ersten
Mal hierherkam. Später, als Student, kam ich ein bissl öfter. Auch mein
Kontakt mit der Staatsoper entstand nicht über Nacht, das schleppte sich
anfangs eher mühsam dahin. Aber ich darf jetzt schon versprechen: In der
neuen Ära, ab Herbst 2020, wird sich das ändern. Freut mich besonders, denn
ich habe diese Stadt wirklich lieben gelernt. Ich kenne keine andere Stadt,
in der sich so viele Leute so sehr mit der Oper beschäftigen. Über die
Gastronomie brauchen wir gar nicht erst zu sprechen. Meine jetzige Frau hat
ja viel in und mit Wien zu tun, und wenn ich sie besuchte und zurück nach
München fuhr, ließ ich es mir oft nicht nehmen, an Lieblingsplätzen zu
stoppen. Unlängst hab’ ich einmal, zu später Stunde, noch einen schnellen
Umweg zum Rindfleischkönig Plachutta in Hietzing gemacht. Leider hatten sie
gerade zugesperrt, aber in der Nähe fand ich dann noch einen Italiener mit
wunderbarer Pizza. Und einige Kaffeehäuser in den Außenbezirken, manche mit
ein bissl morbidem Charakter, mag ich auch gerne.
Sie
haben erneut geheiratet, die Opernregisseurin Christiane Lutz. Dann wurden
Sie, mit knapp 50, zum vierten Mal Vater. Sie haben zuletzt erklärt, Ihr
Sohn sei des Öfteren unruhig, wenn der Papa nicht zu Hause ist. Letzte
Hoffnung sei Youtube, wo man Sie singen hört, was ihn „eigentlich sehr
glücklich stimmt“. Schon gespannt, wie er auf die Melodien des Albums „Wien“
reagieren wird?
Kaufmann: Ja, sehr gespannt.
Das
Gespräch führte Ludwig Heinrich
In der gedruckten Ausgabe der
Kleinen Zeitung steht noch etwas mehr:
Ihre
nächsten Opernauftritte haben ja auch mit einem (Alt-)Österreicher zu tun.
Ab 18. November singen Sie an der Bayerischen Staatsoper in Erich Wolfgang
Korngolds „Die toteStadt“ die schwere Partie des Paul.
Ein Traum für mich, obwohl ungeheuer schwierig. Da wurden schon von
namhaften Sängern manche Töne weggelassen auch auf Schallplattenaufnahmen
fehlt dies oder jenes. Ich sehe das jedenfalls als riesige Herausforderung;
wir haben den Ehrgeiz, alle Korngold-Melodien original und ohne Striche zu
präsentieren.
Zu Silvester haben Sie bekannt gegeben,
dass Sie die Opernregisseurin Christiane Lutz geheiratet haben. Ihr
„Liebes-Outing“ erfolgte 2014; damals sagten Sie „Ich kann mich nicht an so
eine Liebe erinnern, die einen trifft wie ein Blitzschlag“
Ich kann unsere Heirat nur noch einmal bestätigen. Wir haben uns in
meiner Heimatgemeinde in der Umgebung von München trauen lassen.
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