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BR Klassik, 22.06.2018 |
von Fridemann Leipold |
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DIE MÜNCHNER OPERNFESTSPIELE 2018 BEGINNEN MIT WAGNER
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JONAS KAUFMANN ALS PARSIFAL - DER
STAR-TENOR IM INTERVIEW |
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Als Parsifal ist Jonas Kaufmann bei der
Eröffnungspremiere der Münchner Opernfestspiele zu erleben. Warum das
Bühnenweihfestspiel eigentlich "Kundry" heißen müsste und was die Arbeit mit
GMD Kirill Petrenko auszeichnet, verrät der Startenor im Interview mit
BR-KLASSIK.
BR-KLASSIK: Herr Kaufmann, wie viel
Bühnenerfahrung haben Sie mit dem Parsifal bisher gesammelt?
Jonas Kaufmann: Meinen ersten Parsifal habe ich 2004 in
Zürich gesungen, hab' dann ein paar Wiederaufnahmen gemacht und nochmal eine
Neuproduktionen an der MET. Ich habe auch bei konzertanten Aufführungen
mitgewirkt. Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass ich "überstudiert" sei
und mir nichts Neues mehr einfällt. René Pape ist da vielleicht ein anderes
Beispiel: Er hat wahrscheinlich eine deutlich dreistellige Zahl an
Vorstellungen als Gurnemanz gesungen. Soweit bin ich noch nicht.
BR-KLASSIK: Im Vergleich zum Lohengrin oder zum Stolzing, den Sie
hier an der Bayerischen Staatsoper gesungen haben, ist der Parsifal
wahrscheinlich eine leichtere Nummer, oder?
Jonas
Kaufmann: Stimmlich ist er leichter in dem Sinne, dass man weniger
singt. Die Partie ist aber nicht zu unterschätzen – aus zwei Gründen:
Entweder ist das Wenige, was man singt, sehr intensiv – also sehr kräftig
und laut – oder muss im Gegenteil sehr zart und sehr weich sein. Das heißt,
die Stimme muss für jede dieser Phrasen immer warm und vorbereitet sein.
Dazu kommt, dass diese Phrasen alle unglaublich weit auseinander liegen. Der
zweite Akt ist zumindest in Ansätzen ähnlich einer "normalen Oper", in der
man als Parsifal doch einiges zu singen hat, auch wenn da teilweise vier,
fünf Minuten zwischen den Phrasen liegen.
Der erste und dritte Akt
sind insofern sehr schwierig, als dass man lange auf der Bühne ist, aber
nicht aktiv am Geschehen teilnimmt. Ich denke an das Finale des ersten
Aktes, wenn das erste Mal die Gralsenthüllungen gezeigt werden. Das ist eine
gute halbe Stunde Musik, in der der Parsifal nur zuschaut. Und das kostet
mitunter mehr Energie als das Singen. Und die fünf Stunden, die die
Aufführung dann doch dauert – selbst bei den eher flotten Tempi unseres
Generalmusikdirektors Krill Petrenko – , die merkt man am Ende des Tages
schon. Das entscheidende Kriterium ist also nicht, möglichst viele Töne
singen, sondern möglichst lange den Energie-Level halten zu können.
DER PARSIFAL ALS TRANSZENDENTE WANDERUNG
BR-KLASSIK: Was bedeutet Wagners Parsifal für Sie ganz persönlich?
Jonas Kaufmann: Ich bin kein orthodox gläubiger Mensch.
Ich kann also nicht sagen, dass ich das prädestinierte Beispiel dafür wäre,
die Glaubensintensität, die in dieses Stück von Wagner hineingepackt wurde,
über den Klee zu loben. Aber ich muss es tun, weil es eine ganz eigene
Sprache ist, die Wagner da gefunden hat. Das Stück lullt einen vielleicht am
Anfang ein, aber irgendwann packt es einen und jagt einem wirklich Schauer
über den Rücken, egal ob man jetzt an etwas glaubt oder nicht. Es nimmt
einen wahnsinnig gefangen. Diese Intensität, mit der Wagner das Stück
versehen hat und mit der er diese Sehnsucht nach dem Erlöser und nach der
Erlösung beschreibt, das ist wirklich faszinierend. Ich habe das vor Jahren
mal eine "transzendente Wanderung" genannt, auch für einen selber. Und wenn
es gut gemacht ist, gehen diese gut anderthalb Stunden des ersten Aktes
vorbei wie im Flug, weil man einfach gefangen genommen ist von dieser
Geschichte.
BR-KLASSIK: Ist der Parsifal ein
frauenfeindliches Stück? Es gibt mit der Figur der Kundry nur eine einzige
Frau.
Jonas Kaufmann: Und die hat eine sehr
entscheidende Rolle. Eigentlich müsste das Stück "Kundry" heißen. Auch wenn
Gurnemanz im ersten und dritten Akt sehr viel zu sagen hat, ist die Kundry
fast mehr als der Parsifal die zentrale Figur. Das erleben wir im zweiten
Akt, wo sie angesichts des gekreuzigten Christus lachen muss und dann mit
diesem Fluch quasi immer wieder neue Leben lebt in der Hoffnung, endlich
weinen und bereuen zu können - und dadurch Erlösung finden und sterben zu
können. Eine sehr gruselig intensive Geschichte! Und über den Parsifal
findet sie dann letztendlich zur Ruhe und lässt ab von dem sündigen
Klingsor, der sie verflucht und verzaubert hat. Dann kann sie endlich weinen
und wird am Ende des Stückes wahrscheinlich erlöst.
BR-KLASSIK: Ausgerechnet ein Kuss bringt Parsifal die Erkenntnis und führt
dann auch zum Abbruch dieser Beziehung mit Kundry. Das lässt eigentlich tief
blicken, oder?
Jonas Kaufmann: Dieser
berühmte "Kuss der Erkenntnis" ist schon relativ krass. Natürlich hören wir
das auch schon im ersten Akt im Orchester, wenn er stumm dem leidenden
Amfortas zusieht. Da sind immer wieder so kleine Bewegungen, wo Wagner
möglicherweise darauf hindeutet, dass es Parsifal innerlich bewegt, dass er
Mitleid empfindet, und doch sieht man es ihm nicht an. Und erst mit dem Kuss
der Kundry im zweiten Akt wird er plötzlich allwissend. Er erzählt von einer
Mission, die er hat. Er sieht den Amfortas nicht nur leiden. Er weiß auch
von der Beziehung des Amfortas mit Kundry. Es ist sozusagen eine
Überlagerung dieser drei Bilder: Christus, der Erlöser am Kreuz, Amfortas,
der Leidende, und Parsifal, der Erlöser, der die Mission beenden wird. Er
wird sozusagen ein sehr wissender und weiser Mann, der da plötzlich aus
diesem Kuss herausgewachsen ist – das ist natürlich unerklärlich oder
übernatürlich. Insofern ist der Kuss als Symbol gedacht und nicht als ein
Kuss aus Leidenschaft.
BR-KLASSIK: Wie schon bei den
Meistersingern vor zwei Jahren, wo Sie den Stolzing gesungen haben, steht
wieder Kirill Petrenko am Pult. Was bedeutet das für die Sänger?
Jonas Kaufmann: Kill Petrenko ist ein Garant dafür,
dass Sänger zu ihrem "Recht" kommen, das heißt, dass sie nicht überfahren
werden und nicht zugedeckt werden. Das ist sehr wichtig, denn nur ein
Dirigent, der auch Rücksicht auf ein Paar Stimmbänder nimmt, die da mitunter
gegen ein knapp 100-Mann-großes Orchester ankämpfen müssen, ist für mich
auch ein guter Operndirigent. Außerdem dirigiert Kirill Petrenko den
Parsifal zum ersten Mal. Dementsprechend hat er viele Ideen. Er versucht, in
den Quellen zu lesen, was Wagners ursprüngliche Intention des Stückes war.
Er will also nicht an Aufführungstraditionen anknüpfen, sondern möglichst
direkt an der Quelle seine Informationen abzapfen. Das führt dazu, dass
manche Sachen für unsere Hörgewohnheiten erstmal ungewöhnlich sind. Das ist
eben typisch Petrenko. Und ich glaube, wenn das alles am Ende dann zu einem
großen Ganzen wird, werden wir wieder einen wunderbaren Abend erleben.
WAGNER UND BELCANTO
BR-KLASSIK: Belcanto und Wagner
gehörten ja für Sie immer zusammen, Sie haben immer beides gemacht. Früher
hat man Wagner offenbar wie Belcanto gesungen. Geht das heute noch?
Jonas Kaufmann: Natürlich! Mit Dirigenten wie Kirill
Petrenko ist das durchaus möglich – im Gegenteil sogar gefordert. Er
verlangt immer wieder, dass sich das Orchester noch mehr zurücknimmt. Das
erlaubt uns, dass wir sehr leise, fast geflüstert singen können. Aber keine
Angst, das wird jetzt keine Säusel-Wagner-Variante. Es gibt natürlich auch
die großen Momente und die wilden Ausbrüche. Aber dieser Kontrast wird immer
größer, je mehr man auch die Liebe, die Leidenschaft das Mitleid – eben all
das, was in diesem Stück steckt – mit zarten und weichen Klängen versilbern
kann.
JONAS KAUFMANN ALS PARSIFAL Premiere ist am
28. Juni 2018 um 16:00 Uhr. BR-KLASSIK überträgt live. Und bereits ab 15:30
Uhr meldet sich Fridemann Leipold live aus dem Foyer des Nationaltheaters
mit Interviews und Reportagen zur Neuinszenierung.
Am 8. Juli 2018 um
17:00 Uhr gibt es den Parsifal auch im Rahmen von Oper für alle.
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