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Musik-Heute, 09. März 2017 |
Interview: Britta Schultejans, dpa |
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Jonas Kaufmann: "Ich habe kein bisschen Nervosität"
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München – Krankheitsbedingt musste Jonas
Kaufmann (47) einige Monate pausieren. Ein Hämatom auf den Stimmbändern
zwang den Tenor zur Bühnenabstinenz. Mitte Januar meldete er sich zurück,
als "Lohengrin" in Paris. Und an diesem Sonntag singt er an der Seite von
Anja Harteros die Titelrolle in der Umberto-Giordano-Oper "Andrea Chénier"
in einer Regie von Philipp Stölzl. Es ist die erste Neuinszenierung dieser
Oper in der Geschichte des Hauses. Im Interview spricht Kaufmann über sein
Comeback und seine Wünsche für die Bayerische Staatsoper.
Frage: Philipp Stölzl ist Film-Regisseur. Ist das bei der Arbeit bereichernd
oder manchmal störend?
Antwort: Es ist insofern ganz sicher
bereichernd, als er Vertrauen in Bilder und ein unglaublich genaues Auge
hat. Für ihn läuft das eben wie in einem Film ab. Was man noch merkt, ist
der Wunschgedanke, innerhalb von Sekunden das Bühnenbild zu wechseln und
einen sauberen Schnitt zu haben – ohne Vorhang oder Dunkelheit. Das ist
natürlich schwer umzusetzen, da gibt es nun mal technische Grenzen. Er zoomt
immer rein und man merkt, wie er das Auge des Zuschauers auf die kleinen,
magischen Momente auf der Bühne lenken will.
Frage: Sie sind
kein Fan davon, in der Oper immer zwanghaft moderne, politische Bezüge
herzustellen, oder?
Antwort: Es kommt immer
auf das Wie an. Ich finde es sehr richtig, wenn man diese Kunstform auch
heute noch dazu benutzt, um Kritik zu üben. Aktuelle Bezüge helfen dem
Publikum natürlich, die Situation besser zu begreifen. Ein Problem, das
irgendwelche Menschen vor 250 Jahren hatten, berührt mich weniger als das,
was gerade jetzt passiert. Es ist nur so, dass es manchmal in der Umsetzung
zu sehr quer gebürstet ist und die Musik wie ein Fremdkörper wirkt, weil sie
nicht mehr zu den Bildern passt. Die Musik darf keine andere Geschichte
erzählen – dazu ist Oper nicht da.
Frage: Sie und Anja
Harteros sind ein eingespieltes Team, bestreiten nun schon die vierte
Münchner Opernpremiere zusammen. Wie wichtig ist persönliche Sympathie in
der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern?
Antwort:
Wir sind natürlich alle Profis und irgendwie muss man mit jedem können, weil
das einfach dazu gehört. Aber es ist ja in jedem Beruf so, dass es mehr Spaß
macht, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die man mag. Ich bin in der
glücklichen Situation, mir ein bisschen aussuchen zu dürfen, was ich mache.
Und warum sollte ich nicht lieber mit Leuten zusammenarbeiten, mit denen es
mehr Spaß macht? Ich glaube, das muss auch erlaubt sein.
Frage: Fällt es Ihnen schwerer, in der Zusammenarbeit Kritik zu üben, wenn
Sie die Kollegen mögen?
Antwort: Das
Gegenteil ist der Fall. Ich glaube, wenn man jemanden sehr gern mag und sehr
gut kennt, kann man sich erlauben, mehr Dinge zu sagen. Singen ist bis zu
einem gewissen Grad Exhibitionismus, weil man sehr viele eigene, persönliche
Gefühle in die Waagschale wirft. Je mehr man eine Rolle interpretiert, desto
weiter wagt man sich aufs Glatteis und da ist man empfindlicher. Man steht
auch durch den Sog der Musik so unter Strom, ist so mit Adrenalin
vollgepumpt, dass man auch mal überreagiert. Da ist es schon sehr gut, wenn
man jemanden an seiner Seite weiß, der einen notfalls bremsen würde. Das
wäre bei jemandem, den man nicht gut kennt, schwer, weil man Gefahr läuft,
die ganze Atmosphäre zu vergiften.
Frage: Sie haben gesagt,
Singen sei Exhibitionismus und da dürfe Ihnen nichts peinlich sein. Wann war
Ihnen zum letzten Mal auf der Bühne etwas peinlich?
Antwort: Mir ist es peinlich, wenn ich in einer Produktion
mitwirke, bei der ich am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen
würde, weil ich denke: Das merkt doch jeder, dass das nix ist. Das ist mir
schon peinlich. Aber in dem Moment, wo ich selber mit Feuer und Flamme dabei
bin, ist mir alles egal. Wenn ich an meine Schulzeit und meine ersten
Schritte auf der Bühne zurückdenke: Da war mir alles peinlich. Ich hatte
schreckliche Lampenfieber-Schübe und das war wirklich furchtbar. Aber das
legt sich in dem Moment, in dem man Sicherheit und Vertrauen in seine Stimme
gewonnen hat. Heute trete ich auf die Bühne und fühle mich wie zu Hause. Ich
habe kein bisschen Nervosität. Dann kann man auch aus sich rausgehen und
Sachen wagen, ohne das ständig zu reflektieren. Aber das ist natürlich nur
das Ergebnis von so viel positivem Feedback.
Frage: Merken
Sie, dass Sie nach Ihrer krankheitsbedingten Pause etwas vorsichtiger
geworden sind? Nehmen Sie sich zurück?
Antwort:
Bei den ersten Auftritten, die ich danach wieder absolviert habe, habe ich
vielleicht schon ein bisschen mit angezogener Handbremse gesungen – oder mit
mehr Klugheit, weniger spontan und weniger aus dem Vollen schöpfend. Das hat
sich aber schon wieder gegeben, und gerade bei einem Stück wie diesem hat
man gar keine Chance, sich zurückzuhalten. Das ist so wild und stimmlich so
fordernd. Das kann man – Gott sei Dank – nicht berechnender machen.
Frage: Im Juni geben Sie in London Ihr Debüt als "Otello". Spielt
das in Ihrem Hinterkopf schon eine Rolle?
Antwort:
Ich weiß, dass das diese Spielzeit noch kommt, aber mehr auch nicht. Ich
habe bisher nicht vor, auf den "Otello" zu sparen, auf keinen Fall. Es ist
noch genug Zeit dazwischen.
Frage: Sind Sie da denn ein
bisschen nervöser?
Antwort: Vielleicht. Ich
war ein bisschen nervöser beim "Lohengrin" in Paris, weil es der erste
Auftritt nach so langer Zeit war. Da hatte ich schon die Angst im
Hinterkopf, ob ich den Abend durchziehen kann oder ob man wieder Probleme
bekommt. Das habe ich schon gespürt, dass ich vorher etwas energiegeladener
war. Das ist eine positive Anspannung, die ich sonst kaum noch kenne, weil
man das inzwischen ja so selbstverständlich nimmt. Das ist aber dann schnell
weggegangen, weil ich gemerkt habe, dass ich nahtlos anknüpfen kann. Wenn
ich es ein paar Mal versucht hätte und gescheitert wäre, wäre ich
wahrscheinlich viel, viel nervöser gewesen.
Frage: Sie haben
zur Bayerischen Staatsoper ein besonderes Verhältnis. Haben Sie einen Wunsch
für die Zeit nach Kirill Petrenko und Nikolaus Bachler?
Antwort: Da sprechen Sie natürlich einen wunden Punkt an.
Ich kann gut verstehen, dass die beiden Herren lieber gemeinsam aufhören als
einzeln. Auf der anderen Seite müssen die Beiden auch verstehen, dass
München dann in einer prekären Situation ist. Die Tendenz der letzten Jahre
hat mir sehr gefallen, das muss ich klar sagen. Und der Erfolg spricht für
sich. Ich hoffe jetzt sehr, dass die richtigen Weichen gestellt und die
richtigen Leute angerufen werden, damit wir in diesem Fahrwasser
weitergehen. Und das ist nicht einfach. Mehr als eine Handvoll Menschen, die
das musikalisch auf dem gleichen Niveau fortführen wie Petrenko, fallen mir
nicht ein – und die haben alle schon Jobs an anderen Häusern. Das wird
sicher eine schwere Aufgabe werden. Ich würde gerne selber ein bisschen mit
helfen und beeinflussen. Aber ich glaube nicht, dass mir das zusteht.
Frage: Hätten Sie selber mal Interesse an einer Intendanz?
Antwort: Die Frage ist fröhliche 20 Jahre zu früh
gestellt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es da überhaupt keine Überlegungen.
Mich würde es auch reizen, über den zweiten Bildungsweg das Dirigieren
anzufangen. Ich habe keine Lust, das zu machen, ohne wirklich zu wissen, wie
das geht. Ich habe auch schon von vielen Leuten immer wieder gehört, ich
solle doch mal Regie machen, weil ich immer viele Ideen habe und viel selbst
in die Hand nehme, wenn ich merke, es läuft zäh. Aber so lange das mit der
Stimme so gut funktioniert, stellt sich die Frage nicht.
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