BR Klassik, 10.05.2016
von Fridemann Leipold
 
Als Podcast
"Stolzing ist wie ein Elefant im Porzellanladen"
Jonas Kaufmann singt am 16. Mai in der Bayerischen Staatsoper den "Walther von Stolzing" in Richard Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg". Warum ihm die Rolle sympathisch ist, welchen Spagat er bewältigen muss - und wie es ist, auf der Bühne allein gelassen zu werden, verrät er im Gespräch mit BR-KLASSIK.
 
BR-KLASSIK: Herr Kaufmann, ist Ihnen der Stolzing als Figur sympathisch?

Jonas Kaufmann: Ja und nein. Auf der einen Seite benimmt er sich natürlich schon ein bisschen wie der Elefant im Porzellanladen. All diese Regeln und festgefahrenen Sachen gehen ihm so auf die Nerven, und er kommt rein und meint, er könnte das Alles mit links gewinnen und erreichen. Diese Arroganz, die er gegenüber den Meistern an den Tag legt, die ist schon ein bisschen sehr aufdringlich. Der Sachs sagt das später: Der musste ja verlieren - wenn einer schon als Meister geboren wird, da hat er keinen guten Stand. Aber auf der anderen Seite ist er mir natürlich sehr sympathisch, weil er eben versucht, mit alten Zöpfen aufzuräumen und sich überhaupt nichts dabei denkt, sich bis auf die Knochen zu blamieren, einfach weil er so verliebt in diese Frau ist, dass er sagt: "Für die mach ich alles. Ist mir vollkommen egal, wo muss ich hin? Das mache ich, jawohl!" Das hat schon auch was, dieses Jugendliche. Sturm und Drang: Wenn man das so verkauft, ist einem der Stolzing sehr sympathisch, wie ich glaube.

David Bösch als Regisseur der "Meistersinger"

BR-KLASSIK: Macht das der Regisseur David Bösch richtig?

Jonas Kaufmann: Das müssen Sie ihn fragen! Ich mache natürlich meine Partie zu einem Gutteil selber. Ich glaube, David Bösch ist eher ein Regisseur, der das "Environment", wie man Neudeutsch sagt, zur Verfügung stellt. Darin muss man sich dann freischwimmen. Er ist kein Pedant, der in kleinsten Details jeden drangsaliert, sondern einer, der eher das große Ganze sieht. Mit dieser Freiheit kommt vielleicht nicht jeder gleich gut zurecht, aber ich bin das von Schauspielregisseuren sehr gewohnt. Die kennen das nicht anders, da würde wahrscheinlich der Schauspieler Amok laufen, wenn er plötzlich vom Regisseur gesagt bekommt, was er genau machen muss und wie er seine Partie zu interpretieren hat. Das kennen wir in der Oper meistens nicht, wir wollen immer gern jemanden haben, der uns ein bisschen an die Hand nimmt und über die Bühne führt. Ich persönlich finde die Art von David Bösch sehr schön. Ich muss mich ja auch entsprechend auf eine Partie vorbereiten, um sie gut interpretieren zu können - musikalisch - und dann habe ich mir wahrscheinlich auch szenisch schon Gedanken darüber gemacht, wie ich diesen Typ sehe. Und wenn man dann die Plattform bekommt, greif ich zu.

BR-KLASSIK: Herr Kaufmann, wie schaffen Sie das stimmlich, diese Partie? Der Stolzing ist ja doch in allen drei Aufzügen ganz gut gefordert.

Jonas Kaufmann: Ja, der hat einiges zu singen. Da sind so einige Arien und einige Klippen zu bewältigen, keine Frage. Der eine oder andere Wutausbruch hat schon fast Mime-Qualitäten, aber ich denke - zumindest bis jetzt, wenn nicht noch etwas dazwischen kommt - habe ich es ganz gut gemeistert. Ich fühle mich sehr wohl in der Partie und ich versuche, diesen Spagat ein bisschen zu schaffen: Auf der einen Seite natürlich den Wagner mit all seinen Details und Feinheiten und dem richtigen Text zu präsentieren - was nicht ganz einfach ist, weil dieses Preislied in so vielen Varianten kommt, dass man nicht mehr weiß, wo man jetzt gerade steckt. Vor allem aber finde ich, muss man auf der anderen Seite die Schönheit der Musik dazu nehmen. Wagner hat bei den "Meistersingern" auch wieder großartige Arbeit geleistet und so viele Nuancen und Details hineingegeben. Wenn man da die Romantik des jugendlichen Liebhabers in die Stimme und in die Phrasen hineinbringt, dann hat man eine gute Mischung.

Jonas Kaufmann über Kirill Petrenko

BR-KLASSIK: Inwiefern erhalten Sie bei dieser Produktion Unterstützung durch den Generalmusikdirektor Kirill Petrenko?

Jonas Kaufmann: Naja, in jeder Form, würde ich sagen. Kirill Petrenko hat eben das unglaubliche Talent, beides zu können: Er kann extrem gut organisieren und präzise proben. Das ist ein Wahnsinn, wie oft er im scheinbar Perfekten einzelne, kleine Details findet, die man noch perfektionieren, die man noch verändern, verbessern kann. Und wenn es dann zur Aufführung kommt, wird all das quasi hintangestellt, und es geht nur noch um die Musik, um die Freude, um das Erfüllen. Dann ist plötzlich kein Beckmesser im Graben, sondern der glühende Liebhaber der Musik, der einen anspornt, das Beste zu geben. Diese Kombination ist wirklich genial.

Der Wiener "Tosca"-Skandal

BR-KLASSIK: Auf unserer Website gab es ein oft angeklicktes Video aus der Wiener Staatsoper, diese berühmt-berüchtigte Tosca. Sie haben als Cavaradossi zwei Mal "E Lucevan le Stelle“ gesungen, und dann kam die Sopranistin Angela Gheorghiu nicht mehr auf die Bühne. Sie haben da sehr spontan reagiert - was war eigentlich los?

Jonas Kaufmann: Was wirklich los war, müssen Sie sie selber fragen. Ich hab sie dann zwar auf der Bühne als Partnerin für den Rest des Abends genossen, aber hinterher kein Wort mit ihr darüber gesprochen. Sie hat es offensichtlich nicht für nötig befunden, das nochmal zu kommentieren. Es ist eine komische Situation. Wir hatten schon eine Woche vorher eine Aufführung, wo ich dieses Bis gemacht habe, also nach mehreren Minuten Applaus vom Publikum dazu angespornt und geradezu überredet wurde, die Arie nochmal zu singen - etwas, was einem nicht oft in der Karriere passiert. Mir ist es ausgerechnet in Wien schon einmal so gegangen, im "Werther" vor einigen Jahren. Das waren die einzigen beiden Erlebnisse für mich, wo ich eine Arie wiederholen musste. Und jetzt kamen wir eine Woche später wieder, ich habe zum Dirigenten gesagt, nein, wir werden das nicht wiederholen, weil ich glaube, wir wollen das jetzt nicht zur Dauergeschichte werden lassen. Das muss man ja auch bedenken, sonst muss man das jedes Mal wieder machen. Dazu kam, dass da schon eine Äußerung von der Kollegin in die Richtung ging, dass man doch fairerweise die anderen nicht warten lassen dürfe - insofern wollte ich weiteren Ärger vermeiden. Aber nach sechs Minuten Applaus und teilweise wirklich Getrampel und Gejohle, konnte ich das nicht verhindern, und wir haben die Arie wiederholt. Und sehr zu meiner Überraschung kam dann die Kollegin nicht zu ihrem Auftritt. Warum, kann ich nicht sagen. Ich war jedenfalls sehr überrascht. Das ist einer von diesen Momenten, wo man selber fast sprachlos ist. Wobei: Ich sage das nur symbolisch, weil mir immer noch ein Spruch einfällt.











 
 
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