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Osterfestspiele Salzburg |
Die Fragen an Jonas Kaufmann stellte Martin Riegler. |
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Ganzer Künstler und ganzer Mensch
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Jonas Kaufmann gilt als der begehrteste Tenor unserer Zeit. Bei den Osterfestspielen Salzburg 2015 gibt er gleich zwei Rollendebüts an einem Opernabend. Außerdem ist er als Solist in Giuseppe Verdis Messa da Requiem zu erleben. Über sein Verhältnis zu den beiden Opernfiguren und darüber, was Verdi für ihn bedeutet, spricht der Weltstar im Interview. |
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Sie singen zum ersten Mal Turiddu und Canio,
Hauptrollen der beiden Opern Cavalleria rusticana und Pagliacci, auf der
Bühne. Nachdem Sie die berühmten Arien der beiden Charaktere vor einigen
Jahren auf CD aufgenommen hatten, haben Sie sich überglücklich geäußert,
sich einen „Herzenswunsch“ damit erfüllt zu haben. Erfüllen Sie sich nun mit
dem szenischen Doppel-Debüt einen weiteren Herzenswunsch?
Jonas Kaufmann: Ganz klares Ja! Beide Stücke sind ja ein
Synonym für „Italienische Oper“, und welcher Tenor träumt nicht davon, sie
einmal zu singen? Ich weiß noch, wie ich als Student gedacht habe: Mann,
muss das toll sein, wenn man das singen kann! Und genauso wars, als ich
„Ridi, Pagliaccio!“ und „Mamma, quel vino“ für mein Verismo-Album
aufgenommen habe. Sich von der Musik mitreißen zu lassen, körperlich und
seelisch alles zu geben - das war einfach klasse. Toni Pappano und ich
freuten uns wie die kleinen Kinder, und selbst die Orchestermusiker, die ja
normalerweise nicht so schnell zu begeistern sind, haben gejuchzt und
gejubelt.
Christian Thielemann sagte bei der Pressekonferenz, in
der das Programm der Osterfestspiele Salzburg 2015 vorgestellt wurde, es sei
Ihr Wunsch gewesen, beide Rollen zu verkörpern.
Kaufmann: Es war nicht ganz so. Der ursprüngliche Plan war, für die
beiden Opern zwei Tenöre zu engagieren, und man hatte bei mir für den Canio
in Pagliacci angefragt. Daraufhin hatte ich gefragt, ob ich nicht auch den
Prolog übernehmen könnte. Nachdem sich aber die Suche nach einem Sänger des
Turiddu in Cavalleria rusticana als unerwartet schwierig gestaltete, fragte
man mich, ob ich nicht beide Rollen singen könnte. Da ich Herausforderungen
liebe, sagte ich: „OK, aber dann natürlich ohne den Pagliacci-Prolog!“ Das
wäre nun wirklich etwas zu viel für einen Abend gewesen.
Kommt
Ihrer Stimme dieses Repertoire derzeit besonders entgegen?
Kaufmann: Meiner Stimme und auch dem „Bühnentier“ in mir.
Es ist schon eine tolle Sache, zwei so unterschiedliche Partien an einem
Abend zu singen. Turiddu ist der Heißsporn, der seine ganze Zukunft noch vor
sich hat, ein leichtfertiger Bursche, der sein Leben für die Affäre mit
einer verheirateten Frau aufs Spiel setzt. Vom Alter her könnte Canio sein
Vater sein: Er hat einen großen Teil des Lebens schon hinter sich; einer,
der mit einer armseligen Theatertruppe im Wohnwagen durchs Land zieht, für
die Leute den Clown macht und mit Recht rasend eifersüchtig auf seine sehr
viel jüngere Frau ist. Zwei starke Varianten des Themas „Tödliche
Eifersucht“.
Liebe, Leidenschaft, Eifersucht, Mord und Totschlag
- dies erinnert an das tägliche Fernseh-Hauptabendprogramm. Was können die
Geschichten von Cavalleria rusticana und Pagliacci einem Opernpublikum von
heute erzählen?
Kaufmann: Dass bei allem
„Fortschritt“ in der Entwicklung des Menschen - Zivilisation, Aufklärung,
Humanismus - letztlich bleibt, was man vornehm das „Archaische“ nennt; dass
wir nicht nur körperlich genauso funktionieren wie unsere Vorfahren in der
Steinzeit, sondern auch nervlich, seelisch und emotional. Die meisten
Menschen haben nur im Laufe von Evolution und Zivilisation gelernt, ihre
Gefühle besser zu beherrschen. Doch bei schweren Konflikten reagieren die
meisten von uns genauso wie unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren.
Insofern können Opern wie Pagliacci und Cavalleria gar nicht viel anders
sein als die Soap-Operas im Fernsehen - mit dem wesentlichen Unterschied,
dass sie eindeutig die bessere Musik haben!
Sie haben bisher mit
Christian Thielemann in Konzerten zusammengearbeitet. Nun machen Sie
erstmals mit ihm gemeinsam Oper. Wie erleben Sie die künstlerische Arbeit
mit ihm?
Kaufmann: Wir haben zwar schon
zusammen den Rosenkavalier in Baden-Baden gemacht, aber nun ist die Arie des
Italienischen Sängers ja eine Einlage, die mit dem Rest der Oper wenig zu
tun hat. Insofern stimmt es, dass die Neuproduktion der Verismo-Zwillinge in
Salzburg unsere erste gemeinsame Opernarbeit ist. Ich freue mich sehr
darauf, zumal nach unserem gemeinsamen Wagner-Konzert in der Semperoper:
Tannhäusers Romerzählung mit ihm und der „Wunderharfe“ (so nannte Richard
Wagner die Sächsische Staatskapelle Dresden, Anm.) zu singen, das war schon
ein ganz besonderes Erlebnis.
Sie erarbeiten zu Ostern auch
erstmals mit Christian Thielemann gemeinsam Verdis Messa da Requiem. Das
Werk wurde oft als „Oper in liturgischem Gewand“ bezeichnet. Auch hat man
zurecht auf seine säkulare und politische Dimension hingewiesen im Kontext
seiner Entstehung. Was ist es für Sie?
Kaufmann:
Das Werk eines Mannes mit starkem Glauben, doch kritischer Haltung zur
Kirche. Wie schwierig ist zu seiner Zeit war, Glaube und Kirche zu trennen,
zeigt die Tatsache, dass man für die erste Aufführung des Requiems in der
Mailänder Kirche San Marco beim Erzbischof die Erlaubnis einholen musste,
auch Frauen singen zu lassen. Damals galt ja noch der Satz „Das Weib
schweige in der Kirche“, und so war die Erlaubnis unter der Bedingung
erteilt worden, dass sich die Frauen in lange, schwarze Kleider hüllen und
ihren Kopf mit großen Trauerschleier bedecken mussten. Ist es nicht
auffällig, dass große Komponisten oft ihre stärksten Einfälle haben, wenn es
um den Glauben geht? Beethovens Missa solemnis, Bruckners Te Deum und das
Verdi-Requiem sind drei ganz signifikante Beispiele.
Sie
entziehen sich offensichtlich allen „Fach-Schubladen“ und haben nunmehr ein
enorm breites Repertoire. Welche Position nimmt Verdi darin ein?
Kaufmann: Eine zentrale. Ohne Verdi kann ich mir meinen
Berufsalltag kaum noch vorstellen. Alfredo in La Traviata war bei meinem
Debüt an der Met der Türöffner zur Weltkarriere, auch mit Don Carlo und
Alvaro in La forza del destino habe ich bislang wunderbare Erlebnisse
gehabt. Als nächste Verdi-Partie kommt der Radames in Aida, und der Otello
ist für die Saison 2016/17 geplant. Doch nicht nur als Sänger, auch als
Hörer liegt mir Verdi sehr am Herzen. Anders als im Fall Wagner, muss man
bei Verdi nicht Künstler und Mensch voneinander trennen; er war ganzer
Künstler und ganzer Mensch. Wie bei Mozart ist auch in seinen Werken die
Menschlichkeit immer zu spüren. Natürlich sind seine Opern genauso wenig
„unpolitisch“ wie die Wagners, aber die „Message“ entspringt dem Humanismus
und nicht einer Ideologie. Deshalb sind auch Verdis Figuren niemals
ideologische Konstrukte, sondern immer Menschen aus Fleisch und Blut. Dass
er auf die Frage nach seinem bedeutendsten Werk geantwortet haben soll:
„Mein Altenheim für Sänger“, macht ihn mir zusätzlich sympathisch.
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