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Kleine Zeitung, 26. Juli 2015 |
VON LUIGI HEINRICH |
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Unschuld, Gänsehaut und Tränen
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Er ist einer der großen Stars der diesjährigen Salzburger Festspiele. Am 4. August hat Janas Kaufmann als Florestan in „Fidelio" Premiere. |
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Für Fans gibt es im September ein besonderes
Geschenk, nämlich die neue CD „Nessun dorma - The Puccini Album" -
aufgenommen in Rom. Das Repertoire sangen Sie vor Kurzem in der Mailänder
Scala. Das war sozusagen ein Sonderauftritt?
JONAS KAUFMANN: Ich
hatte versprochen, an der Scala „Cavalleria rusticana" und „Pagliacci" zu
singen. Aber mein Terminkalender ist zu voll. Ich musste absagen. Dieses
Konzert war eine Art Wiedergutmachung.
Gibt es zum Album eine
Vorgeschichte?
KAUFMANN: Kurz vor meinem zwölften Geburtstag
brachten die Drei Tenöre ihre erste CD heraus. Mit einer grandiosen Aufnahme
von „Nessun dorma" aus Puccinis „Turandot". Noch heute bekomme ich, wenn ich
mich zurückerinnere, eine Gänsehaut. Lange Zeit wagte ich nicht einmal daran
zu denken, „Nessun dorma" zu singen. Jetzt endlich habe ich mich getraut.
Was ist an „Nessun dorma" für Sie so besonders?
KAUFMANN: Schon der Beginn, die ersten Töne sind ein Wahnsinn. Da fällt mir
nur eines ein: wow! Und wie Pavarotti das gesungen hat, mit seiner
fantastischen, einzigartigen Stimme. Wie gesagt: Die Gänsehaut ist mir
geblieben.
Ein Sprung nach Salzburg, zum „Fidelio". Kein Debüt
für Sie. Was hat Sie so gereizt, den Florestan in der Festspielstadt zu
singen?
KAUFMANN: Dass Claus Guth Regie führt. Ein
hochinteressanter Mann. Gleich bei unserem ersten „Fidelio"-Gespräch haben
mir seine Ideen gefallen.
Wie wird er seine Inszenierung anlegen?
KAUFMANN: Ich verspreche Ihnen: Wir treten nicht im Pyjama auf. Das
hatten wir auch schon. Lassen Sie sich überraschen. Nur so viel möchte ich
verraten: Es wird keine konservative Inszenierung. Die Dialoge werden anders
eingesetzt als sonst. Es gibt Filmeinspielungen.
Auch in Salzburg
werden Kameras dabei sein. Wie beim Konzert in Mailand, das zu einem
späteren Zeitpunkt in mehr als 1000 Kinos in 40 Ländern gezeigt werden soll.
Machen Ihnen Kameras beim Auftritt nichts aus?
KAUFMANN: In
Mailand sind sie mir nur anfangs aufgefallen, dann überhaupt nicht mehr. Vor
Kameras singe ich nicht anders als sonst. Es wäre völlig falsch, deswegen
irgendetwas anders zu machen. Ich glaube, ich habe grundsätzlich ein gutes
Verhältnis zu Kameras.
Sie werden oftmals als „größter Tenor
unserer Zeit" bezeichnet. Wie hält man das durch? Wie lebt der "größte Tenor
unserer Zeit"?
KAUFMANN (lacht): Indem er an so etwas gar nicht
denkt, indem er weiß, welch großes Privileg dieser Beruf ist. Und das Schöne
ist: Je mehr Energie du gibst, umso mehr kommt zurück. Aber das ist eine
andere Energie als im Leben. Eine spirituelle. Die Gefahr ist nur, zu viel
zu tun. Ich merke, dass ich so nicht weitermachen kann. Ein bisschen geht es
da ums überleben. Ich werde meinen Terminplan kürzen.
Manche
Tenöre beklagen sich darüber, dass sie immer die „good guys" sein müssen.
Die mit den tiefen Stimmen hätten die viel interessanteren
schauspielerischen Aufgaben: die Bösewichte.
KAUFMANN: Da ist
was dran. Aber immerhin: Der Pinkerton in „Madama Butterfly" ist ein harter,
unangenehmer Typ. Und dem Alfredo in „La Traviata" könnte man vorwerfen,
dass er in manchen Situationen so blind und dumm ist. Oder die
Hauptcharaktere in „Pagliacci" und „Cavalleria rusticana". Ich singe so
gerne beide Opern, weil diese Typen einander nicht unähnlich sind. Der eine:
ein verrückter Freak, der seine Frau umbringt, und der andere - auch ganz
schön verrückt.
Sie haben auf der Bühne schon jede Menge Rollen
verkörpert. Da ist man abgeklärt. Oder gibt es Momente, wo Sie noch wirklich
weinen könnten?
KAUFMANN: Als ich in jungen Jahren zum ersten
Mal die „Butterfly" sah, haute es mich um. Ich war total sprachlos, weil ich
alles, was auf der Bühne passierte, so ernst nahm. Natürlich: Die Unschuld
schwindet mit der Zeit. Dennoch: Manchmal kommen solche Augenblicke zurück
und mit ihnen die Tränen. Einmal, bei einem „Parsifal" unter Daniele Gatti,
war ich auch nahe dran. Ich habe mich nur mit Mühe zurückgehalten. Doch ich
habe beobachtet, wie die Souffleuse weinte.
Das Wort ,,sexy"
gehört auch zu Ihrem Image.
KAUFMANN: Solche Komplimente sind ja
charmant, aber ich nehme das nicht allzu ernst.
Sie sind Vater
von drei Kindern, leben aber getrennt von der Familie. Haben Sie das Gefühl,
dass Sie sich noch genug um Ihre Kinder kümmern können?
KAUFMANN: Nein. Oder ja, ich versuche, sie so oft wie möglich zu sehen. Ich
rede mir auch hin und wieder ein: Es gibt Jobs, in denen die Väter noch
weniger Zeit haben. Aber: Die erste Antwort war die ehrlichere. Nein.
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