Opernglas, Oktober 2014
Das Gespräch führte Dr. Andreas Laska.
 
 
Ein unglaublicher Spaß
 
Wie kam es zu Ihrem aktuellen CD-Projekt mit fast ausschließlich „leichter" Muse?

Die Musik der 20er- und 30er-Jahre ist mir schon lange vertraut. Meine Großmutter mütterlicherseits hat diese Lieder immer vor sich hin geträllert und gesummt. Ihr Onkel wiederum war Bühnenmeister und hatte sie und ihre Schwester schon früh ins Theater und in Revuen mitgenommen, sodass sie mit diesen Liedern regelrecht aufgewachsen ist. Vor ein paar Jahren dann, als ich in der Berliner Waldbühne mit Anna Netrebko und Erwin Schrott ein Konzert gesungen habe, bat man mich, doch als Zugabe etwas Populäres zu singen. Ich habe mich an den Tauber-Schlager „Du bist die Welt für mich" erinnert und mich für dieses Lied entschieden. Zunächst dachte ich, dass ich damit eher der älteren Generation eine Freude mache, aber das ganze Publikum war sichtlich gerührt. Ich habe damals begriffen, welches Potenzial in dieser Musik steckt, wenn man sie ernst nimmt. So ist letztlich die Idee zu diesem Album entstanden.

Dennoch sind ein paar Jahre ins Land gegangen, ehe sich diese Idee verwirklichen ließ...

Das hat auch mit meinem Wechsel zu SONY zu tun. Es ist nicht klug, ein derart persönliches Projekt gleich als erstes nach dem Wechsel der Plattenfirma anzugehen. Das hat nun aber dazu geführt, dass ein paar meiner Kollegen mit ähnlichen Alben vorgeprescht sind. Nichtsdestotrotz wollte ich diese CD unbedingt machen — und habe es auch keine Sekunde lang bereut. Die Aufnahmen haben unglaublichen Spaß gemacht! Diese Musik hat einen solchen Drive, dass alle Beteiligten im Studio, von den Musikern bis hin zu den Tontechnikern, ständig ein fröhlich lächelndes Gesicht gemacht haben.

Bei der Musikauswahl haben Sie sich auf die 1920er und 1930er-Jahre beschränkt. Warum?

Ich möchte da gar nicht von Beschränkung reden. Dieses Jahrzehnt ist ein s0 weites Feld, dass wir locker drei Alben mit dieser Musik hätten aufnehmen können. Wir haben jetzt einen klaren Schwerpunkt auf die Berliner Operette gelegt und die spezifisch Wienerischen Stücke mit Ausnahme der »Gräfin Mariza« fast ganz ausgespart. Ich denke, wenn das Album ein Erfolg wird und die Plattenfirma mitmacht, dann wird es noch eine Fortsetzung geben.

Auch wenn diese Musik in nur einem Jahrzehnt entstanden ist, ist die stilistische Vielfalt der ausgewählten Nummern ziemlich breit. Wo lagen da für Sie die größten Herausforderungen?

Mir war von Anfang an klar, dass ich dieses Repertoire nicht mit meiner Opernstimme singen kann, obwohl es darunter Nummern gibt, wie das „Lied vom Leben des Schrenk", da kann man schon mal zeigen, was man „draufhat". Die Uraufführung hat schließlich Helge Rosvaenge gesungen. In anderen Stücken, wie etwa dem »Weißen Rössl«, muss man hingegen einen ganz anderen Ton finden, ungekünstelt und irgendwie frisch von der Leber weg. Da ich in diesem Bereich bisher noch nicht so viel Erfahrung hatte, haben wir einige Nummern mehrfach pr0biert, bis wir das Richtige gefunden haben. Das gilt übrigens gleichermaßen für das Orchester. Es spielt dieses Repertoire auch nicht alle Tage. Aber letztlich sind wir mit dem Ergebnis alle sehr zufrieden.

Als letzte Nummer haben Sie Mariettas Lied aus der »Toten Stadt« ausgewählt. Warum?

Wir wollten bewusst die große Bandbreite der Musik jener Jahre zeigen. Ein Markenzeichen dieser Zeit ist auch, dass die Grenzen verschwimmen. Was ist denn »Die tote Stadt«? Eine Oper, eine halbe Operette, eine Schnulze? Da scheiden sich auch die Geister der Fachleute. Die einen lieben das Stück, die anderen finden es unerträglich schmalzig. Ich fand, dass dieses Duett sehr gut für den Schluss der CD passt — sozusagen als Puderzucker oben drauf.

Sie haben es schon angesprochen, Operettenalben haben derzeit Hochkonjunktur. Dennoch sind diese Stücke — von der »Fledermaus« oder der »Lustigen Witwe« einmal abgesehen — nur selten auf der Bühne zu erleben. Woran liegt das?

Das Genre wird leider immer noch nicht für voll genommen. Als Ioan Holender vor Jahren davon sprach, die Operette wieder vermehrt an die Wiener Staatsoper zu holen, wurde er von vielen müde belächelt. Umgekehrt bedeutet das: Wenn man so eine Produktion macht, dann muss das richtig gut sein. Sonst ruft man nur die Kritiker auf den Plan. Ich könnte mir schon vorstellen, zum Beispiel eine der Kálmán-Operetten szenisch zu machen, aber dazu muss ich auch die richtigen Partner finden. Ich weiß, dass Anna Netrebko an so etwas gr0ßen Spaß hätte. Sie hat ja auch einige Operettennummern bereits in Konzerten gesungen. Aber ob sich das dann realisieren lässt? Momentan kann ich nur sagen, dass ich meine Fühler in verschiedene Richtungen ausstrecke — von einer kompletten Bühnenproduktion über konzertante Aufführungen bis hin zu einer filmischen Umsetzung. Etwas anderes kann ich aber schon verraten: Ich werde in nicht allzu ferner Zukunft wieder die »Fledermaus« singen. Aber dann nicht mehr, wie in meinen Anfängerjahren, den Alfred, sondern den Eisenstein.









 
 
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