Kurier, 27.3.2013
Peter Jarolin
 
Kaufmann: Das Warten auf den Schuss aufs Tor  
 
Jonas Kaufmann sagte die Staatsopern-Aufführung am Donnerstag ab, steht aber Sonntag auf der Bühne.
 

Seinen für Donnerstag angesetzten Auftritt an der Wiener Staatsoper musste Jonas Kaufmann krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Die Titelrolle in Wagners "Parsifal", der traditionell am Gründonnerstag auf dem Spielplan der Staatsoper steht, übernimmt stattdessen der Brite Christopher Ventris. Dieser hatte Parsifal zuletzt 2011 im Haus am Ring gesungen.

Bei den Vorstellungen am Sonntag (31.3.) und Donnerstag (4.4.) will Kaufmann jedoch die Titelpartie in Richard Wagners Bühnenweihfestspiel singen. Der Star-Tenor im Interview.

KURIER: Sie haben „Parsifal“ unlängst mit großem Erfolg an der New Yorker MET gesungen. Ist der Wiener „Parsifal“ für Sie trotzdem etwas Besonderes?

Jonas Kaufmann: Ja, denn ich liebe dieses Stück. Und ich habe hier überhaupt noch nie eine Wagner-Partie gesungen. Außerdem ist es das erste Mal, dass ich in Wien mit Dirigent Franz Welser-Möst zusammenarbeiten kann.

Worin liegen die Schwierigkeiten bei dieser Partie? Oder gibt es für Sie ohnehin keine?

Das wäre überheblich. Denn es gibt ja immer gute und schlechte Tage. An einem schlechten Tag merkt man sofort, wie tückisch diese Partie eigentlich ist. Vor allem die besondere Länge des Abends ist eine große Herausforderung. Auch wenn man etwa in der ersten Dreiviertelstunde nur Zuschauer ist. Ich vergleiche das gern mit einem Torwart, der bei einer sehr guten Mannschaft spielt und 89 Minuten nichts zu tun hat. Aber wenn in der 90. Minute der Schuss aufs Tor kommt, muss er zu 100 Prozent wach sein. So ähnlich ist das bei uns auch. Grundsätzlich gilt der gute, alte Birgit-Nilsson-Spruch: Alles ist schwer zu singen. Aber wenn Sie mich fragen, was man auf der Bühne braucht: Ein paar bequeme Schuhe.

Ist Wagner so etwas wie die Königsdisziplin für Tenöre?

Das möchte ich gerade in einem Jahr, in dem wir Wagner und Verdi feiern, nicht sagen. Ich will da nicht den einen vor den anderen stellen. Beide haben ihre eigene Faszination. Das sind zwei unterschiedliche Welten, die sich am Ende ein bisschen angenähert haben. Wenn man Wagner singt, kann man sich gar nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu machen. Singt man aber Verdi, geht es einem genauso. Das sind zwei Pole, die einen hin- und herziehen.

Inwiefern?

Sagen wir so: Bei Verdi ist eine Interpretation auf eine sehr emotionale Art gefragt, mit viel Italianità. Denn die Musik ist in weiten Teilen relativ schlicht. Wenn man etwa eine Verdi-Arie ohne Gesang hört, ist das oftmals lächerlich. Wenn bei Wagner keiner singt, ist das dennoch sehr, sehr schön. Daher muss man bei Verdi noch viel mehr an Gestaltung einbringen. Denn bei Wagner gibt es ja auch noch die intellektuelle Ebene. Ich wage zu behaupten, dass die bei Verdi nicht so ausgeprägt ist. Verdi ist unmittelbar, aus der Emotion heraus geboren. Wagner mehr aus der Ratio heraus. Aber die eigentliche Königsklasse ist für mich der Liedgesang, weil es die puristischste Form ist. Daher liebe ich es, Liederabende zu geben.

Ist ein Liederabend anstrengender als ein Opernabend?

Ich gewisser Weise ja. Ich habe als Sänger bei einem Liederabend keinen Schutz. Da gibt es – bis auf den Pianisten – keine Partner, kein Bühnenbild, keine Kostüme, keine Pausen, in denen andere etwas tun müssen. Da liegt es an mir allein, ob das Publikum mitgeht oder nicht.

Sie haben fast schon alle großen Wagner- und Verdi-Partien gesungen. Gibt es dennoch andere Wunschrollen?

Ich bin in der glücklichen Lage, den Intendanten Vorschläge machen zu dürfen. In München etwa hat Intendant Nikolaus Bachler für mich den ,Trovatore’ angesetzt. In aller Demut freut mich das. Ich bin also gerade dabei, meine Wunschpartien abzugrasen. Auch auf die Premiere von Puccinis ,La fanciulla del west’ an der Staatsoper freue ich mich sehr. Dazu kommen noch ,La forza del destino’ oder ,André Chenier’. Ich habe also keinen Grund zu klagen.

Sie zählen zu jenen Klassikstars, die keine Angst vor Open-Air-Gala-Konzerten haben ...

Im Gegenteil. Ich finde solche Gala-Konzerte vor tausenden Menschen wichtig. Man erreicht damit ein ganz anderes, ein neues Publikum. Wenn den Menschen dann eine bestimmte Arie gefällt, sagen sie vielleicht: Jetzt will ich auch den Rest der Oper hören. Wenn das der Fall ist, haben wir viel erreicht.

Kaufmanns nächste Termine:

Österreich
Wagner: „Parsifal“. Staatsoper am 31. März sowie am 4. April. Schubert: „Winterreise“. Wiener Konzerthaus am 6. April. „Klassik am See“: Seebühne Mörbisch am 31. Juli. Verdi: „Don Carlo“. Salzburger Festspiele am 13., 16., 19., 22., 25. und 28. August. Puccini: „La fanciulla del West“: Staatsoper am 5., 8., 11., 14. und 17. Oktober 2013.

International
Massenet: „Werther“, Mannheim und New York. „Don Carlo“, London und München. Verdi: „Il Trovatore“, München. Verdi: „Forza del destino“, München. Wagner-Konzert, Dresden.






 
 
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