Seinen für Donnerstag angesetzten Auftritt an der Wiener Staatsoper
musste Jonas Kaufmann krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Die
Titelrolle in Wagners "Parsifal", der traditionell am Gründonnerstag auf
dem Spielplan der Staatsoper steht, übernimmt stattdessen der Brite
Christopher Ventris. Dieser hatte Parsifal zuletzt 2011 im Haus am Ring
gesungen.
Bei den Vorstellungen am Sonntag (31.3.) und Donnerstag
(4.4.) will Kaufmann jedoch die Titelpartie in Richard Wagners
Bühnenweihfestspiel singen. Der Star-Tenor im Interview.
KURIER: Sie haben „Parsifal“ unlängst mit großem Erfolg an der
New Yorker MET gesungen. Ist der Wiener „Parsifal“ für Sie trotzdem
etwas Besonderes?
Jonas Kaufmann: Ja, denn ich
liebe dieses Stück. Und ich habe hier überhaupt noch nie eine
Wagner-Partie gesungen. Außerdem ist es das erste Mal, dass ich in Wien
mit Dirigent Franz Welser-Möst zusammenarbeiten kann.
Worin liegen die Schwierigkeiten bei dieser Partie? Oder gibt es für Sie
ohnehin keine?
Das wäre überheblich. Denn es gibt ja
immer gute und schlechte Tage. An einem schlechten Tag merkt man sofort,
wie tückisch diese Partie eigentlich ist. Vor allem die besondere Länge
des Abends ist eine große Herausforderung. Auch wenn man etwa in der
ersten Dreiviertelstunde nur Zuschauer ist. Ich vergleiche das gern mit
einem Torwart, der bei einer sehr guten Mannschaft spielt und 89 Minuten
nichts zu tun hat. Aber wenn in der 90. Minute der Schuss aufs Tor
kommt, muss er zu 100 Prozent wach sein. So ähnlich ist das bei uns
auch. Grundsätzlich gilt der gute, alte Birgit-Nilsson-Spruch: Alles ist
schwer zu singen. Aber wenn Sie mich fragen, was man auf der Bühne
braucht: Ein paar bequeme Schuhe.
Ist Wagner so etwas wie
die Königsdisziplin für Tenöre?
Das möchte ich gerade in
einem Jahr, in dem wir Wagner und Verdi feiern, nicht sagen. Ich will da
nicht den einen vor den anderen stellen. Beide haben ihre eigene
Faszination. Das sind zwei unterschiedliche Welten, die sich am Ende ein
bisschen angenähert haben. Wenn man Wagner singt, kann man sich gar
nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu machen. Singt man aber Verdi,
geht es einem genauso. Das sind zwei Pole, die einen hin- und herziehen.
Inwiefern?
Sagen wir so: Bei Verdi ist eine
Interpretation auf eine sehr emotionale Art gefragt, mit viel
Italianità. Denn die Musik ist in weiten Teilen relativ schlicht. Wenn
man etwa eine Verdi-Arie ohne Gesang hört, ist das oftmals lächerlich.
Wenn bei Wagner keiner singt, ist das dennoch sehr, sehr schön. Daher
muss man bei Verdi noch viel mehr an Gestaltung einbringen. Denn bei
Wagner gibt es ja auch noch die intellektuelle Ebene. Ich wage zu
behaupten, dass die bei Verdi nicht so ausgeprägt ist. Verdi ist
unmittelbar, aus der Emotion heraus geboren. Wagner mehr aus der Ratio
heraus. Aber die eigentliche Königsklasse ist für mich der Liedgesang,
weil es die puristischste Form ist. Daher liebe ich es, Liederabende zu
geben.
Ist ein Liederabend anstrengender als ein
Opernabend?
Ich gewisser Weise ja. Ich habe als Sänger
bei einem Liederabend keinen Schutz. Da gibt es – bis auf den Pianisten
– keine Partner, kein Bühnenbild, keine Kostüme, keine Pausen, in denen
andere etwas tun müssen. Da liegt es an mir allein, ob das Publikum
mitgeht oder nicht.
Sie haben fast schon alle großen
Wagner- und Verdi-Partien gesungen. Gibt es dennoch andere Wunschrollen?
Ich bin in der glücklichen Lage, den Intendanten Vorschläge
machen zu dürfen. In München etwa hat Intendant Nikolaus Bachler für
mich den ,Trovatore’ angesetzt. In aller Demut freut mich das. Ich bin
also gerade dabei, meine Wunschpartien abzugrasen. Auch auf die Premiere
von Puccinis ,La fanciulla del west’ an der Staatsoper freue ich mich
sehr. Dazu kommen noch ,La forza del destino’ oder ,André Chenier’. Ich
habe also keinen Grund zu klagen.
Sie zählen zu jenen
Klassikstars, die keine Angst vor Open-Air-Gala-Konzerten haben ...
Im Gegenteil. Ich finde solche Gala-Konzerte vor tausenden
Menschen wichtig. Man erreicht damit ein ganz anderes, ein neues
Publikum. Wenn den Menschen dann eine bestimmte Arie gefällt, sagen sie
vielleicht: Jetzt will ich auch den Rest der Oper hören. Wenn das der
Fall ist, haben wir viel erreicht.
Kaufmanns nächste
Termine:
Österreich
Wagner: „Parsifal“. Staatsoper am
31. März sowie am 4. April. Schubert: „Winterreise“. Wiener Konzerthaus
am 6. April. „Klassik am See“: Seebühne Mörbisch am 31. Juli. Verdi:
„Don Carlo“. Salzburger Festspiele am 13., 16., 19., 22., 25. und 28.
August. Puccini: „La fanciulla del West“: Staatsoper am 5., 8., 11., 14.
und 17. Oktober 2013.
International
Massenet: „Werther“,
Mannheim und New York. „Don Carlo“, London und München. Verdi: „Il
Trovatore“, München. Verdi: „Forza del destino“, München.
Wagner-Konzert, Dresden.