Abendzeitung, 25.06.2013
Georg Etscheit
 
Spektakel muss sein! 
 
 

Jonas Kaufmann über den Mut zum hohen C, seine Rollen im Wagner- und Verdi-Jahr und die Rolle des Manrico in „Il trovatore“, der ersten Premiere der Opernfestspiele im Münchner Nationaltheater

Die Rolle ist berühmt und berüchtigt wegen der „Stretta“ – einer athletischen Herausforderung für jeden Tenor. Am Donnerstag wagt sie Jonas Kaufmann: Die Premiere der Münchner Opernfestspiele von Verdis „Il trovatore“ ist zugleich sein Debüt als Manrico. Von Stress ist dem in München geborenen Tenor jedoch nichts anzumerken. Er trägt Shorts und Poloshirt und hat quietschbunte Sneakers an den Füßen. Mit sonorer Stimme entschuldigt sich Kaufmann für seinen „nicht sehr festlichen“ Aufzug, der nicht nur der sommerlichen Witterung, sondern auch der Eile geschuldet sei.

AZ: Haben Sie Angst?

JONAS KAUFMANN: Wovor denn?

Vor dem hohen C!

Sie meinen die Stretta? Ich weiß gar nicht, warum die Leute immer nur auf diese eine Stelle fixiert sind. Für mich ist „Di quella pira“ gar nicht das wichtigste Stück im „Troubadour“. Die Arie vorher, in der Manrico vor der Schlacht glaubt, sich für immer von seiner Geliebten Leonora zu verabschieden, finde ich viel schöner. Die ist so melancholisch und herzzerreißend! Da schüttet Manrico wirklich sein Herz aus. Da ist er am ehrlichsten.

Aber die Leute lieben Spitzentöne. Auch wenn Verdi das C in diesem Fall gar nicht komponiert hat.

Also, ich kann die Enttäuschung schon verstehen, wenn man das hohe C weglässt, wie einmal unter Riccardo Muti an der Mailänder Scala. Dieser Ton ist so erschütternd. Wenn der nicht kommt und das Ganze so unspektakulär endet, ist das ziemlich frustrierend.

Auch wenn es nur eine Tradition ist, die sich schon zu Verdis Lebzeiten und mit seiner Billigung eingebürgert hat?

Natürlich muss man Traditionen hinterfragen. Was die hohen Töne betrifft, müssen die musikalisch und dramaturgisch Sinn machen.

Warum singen Sie den Manrico, diese Verdi-Paraderolle für Tenor schlechthin, erst jetzt? Weil wir gerade Verdi-Jahr feiern?

Das hat mit Verdis 200. Geburtstag nichts zu tun. Ich fühle mich einfach reif für diese Rolle. Die Partie ist natürlich ein Sängertraum, die Musik unglaublich, ein Fest. Die Handlung der Oper ist ja etwas verworren.

Was macht denn Regisseur Olivier Py daraus?

Das wird ein ziemlich wildes Spektakel, eine große Show, auch mit Sequenzen, bei denen man nicht weiß, ob das Realität ist oder Traum. Die Handlung läuft ja wirklich nach Schema F, so der klassische Opernstoff mit Liebe, Eifersucht, Mord. Es ist schwer, da eine übergeordnete Botschaft herauszukitzeln.

Sie sind weltweit präsent. Im Sommer „Don Carlo“ bei den Salzburger Festspielen, dann Konzerte und Liederabende in Baden-Baden, Mörbisch, Wien und Mailand. Im Herbst Puccinis „La fanciulla del West“ an der Wiener Staatsoper und „La forza del destino“ wieder hier in München, schließlich „Werther“ in New York. Wird Ihnen das nicht zu viel?

Natürlich könnte ich weniger machen. Wenn man aber, wie ich, die Abwechslung liebt und gern an verschiedenen Häusern verschiedene Partien singen will, kann das schon mal eng werden. Doch ich habe das gut im Griff. Ganz wichtig ist, wenn man krank ist, sofort die Notbremse zu ziehen. Dann ist es egal, ob es ein wahnsinnig wichtiger Event ist.

Wie schaut es im Wagnerjahr mit Wagnerpartien aus?

Ich konzentriere mich aktuell auf Verdi. Doch ich habe mir fest vorgenommen, irgendwann einmal alle großen Tenorpartien von Wagner zu singen, „Siegfried“ eingeschlossen. Ich will aber nicht zu früh in die heldische Ecke gedrängt werden. Auch wenn ich da, was meine stimmlichen Entwicklungsmöglichkeiten betrifft, sicher mal landen werde.

Was bedeutet es für Sie, in München aufzutreten, Ihrer Heimatstadt?

Ich freue mich immer riesig, an dem Ort zu singen, wo ich daheim bin, wo meine Wurzeln sind. Schließlich habe ich ja im Extrachor des Gärtnerplatztheaters angefangen und auch an der Staatsoper lange vor meinem internationalen Durchbruch ein paar kleinere Partien gesungen.

Sie sind mit der Mezzosopranistin Margarete Joswig verheiratet. Treten Sie auch mal gemeinsam auf?

Das ist eher die Ausnahme. Meine Frau sagt immer, du spielst in einer anderen Liga, was habe ich da verloren? Außerdem hat sie schon früh erkannt, dass ihr die ewige Herumreiserei nicht liegt. Das ist ja auch nicht lustig, immer aus dem Koffer zu leben. Ich bin ein Familienmensch und wäre gerne öfter zu Hause.

Herrn Bachler dürfte das freuen…

Wenn es möglich wäre, meine Karriere auf dem heutigen Niveau zu halten, aber immer nur hier zu singen – dann würde ich das machen.









 
 
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