NEWS, 12/2012
Susanne Zobl
 
»Da bin ich aus allen Wolken gefallen« 
 
Jonas Kaufmann, der Ausnahmetenor, bei den Salzburger Osterfestspielen. Ein Gespräch über Druck und Karriere.
 

Ein Ereignis von hohem Spektakelpotenzial: Mit „Carmen" verabschieden sich Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker von den Salzburger Osterfestspielen - die Produktion wird im Sommer mit den Wienern wiederaufgenommen. Neben Magdalena Kozená in der Titelrolle und Genia Kühmeier als Micaela singt der tenorale Superstar Jonas Kaufmann, 42, den Soldaten Don José, der aus Liebe zum Deserteur und Mörder wird. Premiere ist am 31. März.

NEWS: Wer ist Don José?
Jonas Kaufmann: Für mich ist er der klassische Fall eines Menschen, der hilflos seinen Gefühlen ausgeliefert ist und keinen Weg findet, sich wieder zu fangen.

NEWS: Folgen Sie 2013 zu Ostern Simon Rattle nach Baden-Baden, oder haben Sie Pläne mit Christian Thielemann in Salzburg?
Kaufmann: Ich schätze beide und arbeitete gerne mit beiden weiter, da gibt es keine Entscheidung dafür oder dagegen. Das hängt ganz von den Angeboten und den zeitlichen Möglichkeiten ab.

NEWS: Werden Sie im Sommer eher in Salzburg oder in Bayreuth auftreten?
Kaufmann: Alexander Pereira möchte mich stärker an Salzburg binden. Zu den Plänen müssen Sie aber ihn fragen. Darüber zu reden bin ich nicht befugt. Aber ich kann nicht beides machen. Andere Sänger haben sich diesen Stress zugemutet, doch nur in Ausnahmefällen. Dieses Hin und Her ist auf Dauer einfach zu belastend.

NEWS: Sie sind einer der gefragtesten Tenöre. Erhöht das den Druck bei Auftritten?
Kaufmann: Zwar leide ich zum Glück nicht unter Lampenfieber, doch den Leistungsdruck spüre ich schon. Je höher man steigt, desto dünner wird die Luft und desto größer der Druck - das ist halt so. Jeder erwartet eine Sternstunde, auch wenn er weiß, dass ein Sänger schwerlich fünfzig Sternstunden im Jahr abliefern kann.

NEWS: Hatten es Sänger früher leichter?
Kaufmann: Ich denke ja. Man hört immer wieder von älteren Kollegen, dass sie unter den heutigen Bedingungen nicht mehr Sänger sein wollten. Natürlich kann das sehr belastend sein, wenn man sich das klarmacht, dass in jeder Vorstellung mindestens einer sitzt, der heimlich mitschneidet und dass jeder misslungene Ton sofort via YouTube weltweit verbreitet werden kann. Da muss man wirklich gute Nerven haben.

NEWS: Bereuten Sie es je, Sänger zu sein?
Kaufmann: Während meiner Anfängerjahre in Saarbrücken. Als Hochschulabsolvent war ich für den harten Theateralltag einfach nicht genügend vorbereitet. Ich fiel da wirklich aus allen Wolken. Die körperliche und stimmliche Beanspruchung trieb mich an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit. Bei einer „Parsifal"-Aufführung in der kleinen Partie des dritten Knappen blieb mir die Stimme weg. Das war der Moment, wo ich dachte: Wenn das so weitergeht, dann muss ich vom Theater weg, dann ergreife ich einen anderen Beruf! Doch führte diese Krise zu einer der positivsten Erfahrungen meines Berufslebens, nämlich zur Begegnung mit meinem Lehrer Michael Rhodes. Er sagte: „Entspann dich und sing." Das war für mich genau das Richtige. Meine Stimme wurde dichter, dunkler, die Heiserkeit verschwand, das Singen machte wieder Spaß.

NEWS: Während der Proben in Salzburg singen Sie Konzerte in Wien und Paris. Muten Sie sich da nicht etwas zu viel zu?
Kaufmann: Die Umstellung empfinde ich eher als anregend denn als belastend. Es muss ja auch nicht alles bis ins letzte Detail geprobt sein, ein Rest an Unwägbarkeit und Nervenkitzel kann eine besondere Würze für eine Aufführung sein. Deshalb bin ich sogar froh, dass ich zwischen den Proben Konzerte geben kann.

NEWS: Und die Stadionkonzerte mit Anna Netrebko und Erwin Schrott im Sommer: Wie wählen Sie Ihre Auftritte aus?
Kaufmann: Ich bin Opernsänger. Mein hauptsächlicher Arbeitsplatz ist und bleibt das Opernhaus. Wenn aber die Chance besteht, mit diesen Konzerten ein Publikum anzuziehen, das bislang nicht in die Oper geht, muss man sie nutzen.

NEWS: Was planen Sie für Ihr Repertoire?
Kaufmann: Den Enée in Berlioz' „Trojanern" (in London; Anm.), die wohl schwierigste Partie im französischen Fach. Das heißt aber nicht, dass ich gleich auch die anderen Bastionen stürmen werde. Otello und Tannhäuser müssen warten, erst einmal kommt der Bacchus in „Ariadne" von Richard Strauss (im Sommer beiden Salzburger Festspielen), und außerdem gibt's noch etliche Partien, die vor dem Otello dran sind: Hoffmann, Manrico (in Verdis „Troubadour`), Alvaro (in Verdis „Macht des Schicksals`) ... Wir werden sehen.


 

 






 
 
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