Philharmonie Essen, 28. September 2011
Interview: Christoph Dittmann
Ein Gespräch mit dem Star-Tenor: "Ich brauche Abwechslung" 
 

Am 10. Oktober gibt Jonas Kaufmann seinen ersten Arienabend in der Philharmonie Essen. Wir haben im Vorfeld ein Interview mit dem Star-Tenor geführt.

Bei Ihrem Debüt an der New Yorker Met 2006 hat Sie die jubelnde Menge noch richtig verlegen gemacht. Ihre Reaktion damals: “Meinen die wirklich mich?”. Haben Sie sich inzwischen an Ihre Popularität gewöhnt?

Jonas Kaufmann: Wirklich gewöhnen sollte man sich daran eigentlich nie. Dann gäbe es einfach keinen Ansporn mehr zu einer Leistungssteigerung. Und Erfolg kann man nur mit seiner besten Leistung haben. Insofern lasse ich mich jeden Abend neu überraschen. Aber natürlich habe ich mich schon daran gewöhnt in dem Sinne, dass ich nicht mehr erstaunt bin, wenn das Publikum so reagiert.

Damals haben Sie den Alfredo in Verdis “Traviata” gesungen. Es folgten Tamino in Mozarts “Zauberflöte”, Cavaradossi in Puccinis “Tosca”, Don José in Bizets “Carmen” und Siegmund in Wagners “Walküre” – alles in New York wohlgemerkt. Wie kommt es zu dieser Repertoire-Vielfalt?

Kaufmann: Dahinter steckt natürlich Absicht. Wenn ich das nicht aktiv forcieren würde, dann würde ich wahrscheinlich immer das Gleiche singen. Ich kenne Kollegen, die gerade durch die Beschränkung ihres Repertoires sehr erfolgreich sind. Aber das ist nicht mein Ding, ich brauche die Abwechslung. An den Opernhäusern fehlt oftmals der Mut zum Risiko, wenn man nicht selbst den Anstoß gibt. Es gibt natürlich Ausnahmen, Partien wie Otello oder Tristan würden sie sofort mit Handkuss annehmen. Ich denke, es sollte eine gute Mischung von deutschen, italienischen und französischen Partien sein.

Bei Ihnen hat man aber auch das Gefühl, dass die persönliche Neugierde eine große Rolle spielt.

Kaufmann: Sie sagen es. Mir wird einfach schnell langweilig, wenn ich immer das Gleiche mache.

Es ist kein Geheimnis, dass Sie sich zu den italienischen Opern besonders hingezogen fühlen. Warum?

Kaufmann: Gewisse italienische Opern haben einfach eine Dichte und Fülle von Emotionen, die sonst kaum in der Literatur zu finden sind.
Gerade das macht mir Spaß. Und diese Partien sind meist sehr sanglich geschrieben, das ist auch gesund für die Stimme. Ich sage nicht, dass Wagner ungesund ist. Aber ich kann mir vorstellen, dass man eine gewisse Weichheit und Flexibilität verlieren kann, wenn man sich nur auf Wagner konzentriert.

Die Leute kommen wegen Ihrer einzigartigen Stimme. Aber wenn die “Bild”-Zeitung Sie als “schönsten Tenor der Welt” bezeichnet, haben Sie sicher auch nichts dagegen, oder?

Kaufmann: (lacht) Das ist einerseits schon schön, keine Frage. Aber es ist teilweise auch behindernd, weil man immer Gefahr läuft, auf so etwas reduziert zu werden. Manchmal kämpft man richtig dagegen an und sagt: Entschuldigung, hört doch bitte erst einmal zu – es geht nicht ums Hinschauen, es geht immer noch ums Singen! Und das kann mitunter schon schwierig sein.

Auf der Opernbühne sind Sie Teil eines Ensembles, im Konzert stehen Sie ganz im Mittelpunkt. Was ist das Besondere an so einem Arienabend?

Kaufmann: Bei einem Arienabend wird sozusagen die Essenz oder das Filetstück einer jeden Oper herausgeschnitten. Das ist natürlich reizvoll. Und reizvoll ist auch, dass man nicht einen ganzen Abend Zeit hat, eine Rolle zu entwickeln. Mit dem ersten Ton muss alles stimmen. Das ist die Schwierigkeit, aber auch der Reiz dabei.

 

 






 
 
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