Er zählt zu den weltweit begehrtesten
Tenören. Am 17. Jänner kommt Jonas Kaufmann für vier
„Werther“-Vorstellungen wieder an die Staatsoper. Am 6. August tritt er
in der Wiener Stadthalle beim „Gipfeltreffen der Stars“ neben Anna
Netrebko und Erwin Schrott auf.
OÖN:
Der „stern“ schrieb über Sie: „Der Ideal-Tenor. Er ist sexy wie Brad
(Pitt), hat Locken wie Antonio (Banderas), kann spielen wie George
(Clooney) und singen wie sonst keiner.“ Wie gefällt Ihnen das?
Kaufmann: Schmeichelhaft. Oder?
OÖN:
Sie singen Wagner ebenso wie französisches und italienisches Repertoire.
Es gibt Stimmen wie: „Hoffentlich passiert ihm nicht eines Tages mit der
Karriere dasselbe wie dem eben tragisch verstorbenen Peter Hofmann!“
Haben Sie je solche Ängste gehabt?
Kaufmann:
Wenn man gewisse Entscheidungen trifft, kann man nie ausschließen, dass
man strauchelt. Da muss man notfalls handeln und schnell den Stecker
ziehen. Denn letztendlich ist man nichts und niemandem mehr verpflichtet
als seiner Stimme. Ein Plácido Domingo etwa hat das immer geschafft.
OÖN: Sie gelten, was Wagner betrifft, als Gegenteil
dessen, was George Bernard Shaw einst als „Bayreuther Gebell“
bezeichnete?
Kaufmann: Immer wieder haben
Musikwissenschafter betont, dass Wagner seine Partien auf der Basis des
klassischen Belcanto gesungen haben wollte. Dass er überhaupt kein
Freund des „Sprechgesanges“ war, der nach seinem Tod in Bayreuth
kultiviert wurde. Wagner zu „schreien“, ist absolut falsch. Sein Ideal
war die Verbindung zwischen „deutscher“ Ausdruckstiefe und italienischer
Gesangskultur.
OÖN: Nach dem diesjährigen
Bayreuther „Lohengrin“ hat man Sie mit Hymnen gefeiert. 2003 sind Sie
bei den Salzburger Festspielen dem Regietheater des Stefan Herheim bei
der „Entführung aus dem Serail“ entflohen. Bei Hans Neuenfels, der
„Lohengrin“ inszenierte, sind Sie aber ebendort gelandet?
Kaufmann: Es geht nicht darum, dass ich Regietheater
total ablehne. Es gibt nur gewisse Grenzen, wenn es zum Schmarrn wird,
wenn der Zuschauer nicht mehr weiß, worum es geht. Das war in Salzburg
der Fall.
OÖN: Zurück zur Stimme. Wie schützt
man sie am besten?
Kaufmann: Man kann die
Karriere durch eigenes Zutun gestalten. Das heißt, durch langsame
Entwicklung. Ich bin stets bemüht, auf die Bremse zu treten.
Reichhaltiger Erfahrungsschatz ist wichtiger, als jedem Hype zu folgen,
sich mit jeder neuen Chance zu infizieren.
OÖN:
Wie ist das bei einem Ereignis wie dem „Gipfeltreffen der Stars“ am 6.
August in der Wiener Stadthalle, wo Sie mit Anna Netrebko und Erwin
Schrott einen Abend bestreiten?
Kaufmann: Ganz
gewiss ist es doppelt bitter, wenn man einen solchen Abend absagen muss.
Da darf man sich nur ja nicht sagen: Irgendwie muss es gehen! Nein, das
darf einfach nicht sein. Denn neue Stimmbänder kann ich mir ja nicht
kaufen, und auch das Publikum darf nicht böse sein. So jung und
volltrunken zu sein, dass man den Verstand ganz vergisst, ist nicht
erlaubt. Da muss ich mir dann unbedingt zwei Dinge vor Augen halten:
dass ich nicht unzerstörbar und dass ich nicht unersetzlich bin. Im Fall
des Falles ist also eine Absage noch immer das Beste.
OÖN: Kennen Sie Netrebko und Schrott auch privat gut?
Kaufmann: Mit beiden Sängern hatte ich wunderbare
gemeinsame Engagements, und ich bin mir sicher, dass uns die Konzerte im
Sommer – insgesamt sind es drei – einen Riesenspaß machen werden.
OÖN: Ihr aktuelles Album betitelt sich „Verismo
Arias“?
Kaufmann: Es ist eine Sammlung ohne
Verdi und ohne Puccini, den Begründer des Verismo. Ich wollte zeigen,
dass es da ein paar bedeutende Zeitgenossen mehr gab. Leoncavallos „La
Bohème“ zum Beispiel halte ich für absolut bühnentauglich. Oder:
Zandonais unbekannter Monolog in der Gruftszene der Oper „Giulietta e
Romeo“. Das ist ein Stück, das ich auf eine einsame Insel mitnehmen
würde. Ich glaube nicht, dass man noch mehr Emotion in Musik packen
kann.
OÖN: Was taugt Ihnen am Verismo?
Kaufmann: Seele und Leidenschaft. Es hat mir Vergnügen
gemacht, dieses Emotionspaket zu schnüren. Und wenn man das singt,
braucht man wirkliche Gefühle. Da kann man nichts fingieren und sich
einfach durchlavieren. Wer das versucht, ist tot. Die Seele muss mit
Gefühlen gefüttert sein, die Arien gehen dann ganz schön ans Gemüt.
Gelingt das, fällt man in ein gemachtes Bett.
OÖN:
Neben diesem Album gibt es Ihren Pariser „Werther“ derzeit auf DVD?
Kaufmann: In Paris habe ich mich dieser Partie zum
allerersten Mal genähert. Eine riskante Geschichte, in der Höhle des
Löwen, der Opéra Bastille – mit lauter Franzosen rundherum. Ich meine:
Der deutsche Text liegt einem noch aus der Schulzeit schwer im Kopf.
Diese Wankelmütigkeit mit Schwärmen und Träumen und das Gleiten in die
Depression in französischer Sprache – gar nicht so einfach. Aber am Ende
hat es mir unendlich getaugt, wir haben das richtig zelebriert. Das war
eine phänomenale Sache. Beim Tod am Schluss hat es auch mich selbst
geschaudert.