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Nordbayerischer , 26. August 2010 |
Christine Knorz |
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In Bayreuth ist jeder Ton gut
aufgehoben
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Für Tenor Jonas Kaufmann war
der Lohengrin am Festspielhaus eine ganz besondere Erfahrung - er würde
gerne wiederkommen |
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„Leb wohl! Mir zürnt der Gral, wenn ich noch
bleib!", singt Lohengrin, wenn er Abschied nimmt von Elsa. Abschied nimmt
auch Tenor Jonas Kaufmann von Bayreuth - zumindest vorläufig, Die Partie des
Lohengrin singt im nächsten Jahr Klaus Florian Vogt. Doch Kaufmann will
wiederkommen, verrät er im Interview zum Ende des Festspielsommers 2010.
Frage: Sie sagten einmal, es sei ein Traum in Bayreuth
zu singen. Wie geht es Ihnen denn am Morgen nach diesem Traum. Ernüchtert
oder inspiriert?
Jonas Kaufmann: (lacht)
Am Morgen nach einer Vorstellung ist man immer wie leicht verkatert, aber
generell habe ich noch nicht genug, keine Frage. Bayreuth ist ein besonderes
Erlebnis, das wusste ich vorher schon, das hatte mir auch jeder gesagt.
Trotzdem ist es dann noch mal was anderes, wenn man es selbst erlebt. Die
Atmosphäre ist besonders, die Akustik - das ganze Haus ist ein
Resonanzboden! Hier spürt man, dass jeder Ton gut aufgehoben ist und man
sich nicht gegen eine übermächtige Orchestermasse wehren muss. Das macht
natürlich sehr viel Spaß.
Frage: Merken Sie
tatsächlich einen Unterschied zu anderen Häusern?
Kaufmann: Ich
bilde es mir zumindest ein. Ich habe das Gefühl, dass man hier noch mal was
anderes erreichen kann. Gerade in der Kombination mit Andris Nelsons als
Dirigent ist es traumhaft. Er selbst hat auch ein paar Tage gebraucht, um
sich an die Situation zu gewöhnen, dass er uns Sänger kaum hört. Aber als
wir uns aneinander gewöhnt hatten, konnten wir blind Musik machen.
Frage: Das heißt, Sie haben sich gut verstanden?
Kaufmann: Auf jeden Fall. Man braucht nicht lange, um sich
zu verstehen - oder eben zu merken, dass man sich nicht versteht. Das gibt
es ja leider auch mal. Da könnte man Monate probieren und würde nicht
zusammenkommen. Das war hier ganz sicher nicht der Fall.
Frage: Sie haben die ersten Proben verpasst, kamen Sie trotzdem
schnell rein?
Kaufmann: Die Proben, die es auf der
Bühne und mit Orchester gab, habe ich alle mitgemacht. Die Proben, die ich
teilweise verpasst habe, fanden in einer dieser schönen Hallen statt, wie es
sie auch an allen anderen Opernhäusern gibt. Und ich hatte das Gefühl, dass
mir die „Tosca"-Aufführungen in München geholfen haben, den Lohengrin immer
wieder neu anzugehen - und zwar in jeder Hinsicht. Zum Beispiel musikalisch,
weil man sich durch die italienischen Phrasierungen daran erinnert fühlt,
was Wagner wollte: nämlich dass man mit einer gewissen Italianità singt.
Frage: Wie haben Sie den Klangraum hier für sich
ausgelotet?
Kaufmann: Ich denke, dass man hier in
Bayreuth eine größere Farbpalette anwenden kann, gerade aufgrund der
akustischen Gegebenheiten. Weil der Raum nicht unglaublich groß ist, weil er
aus Holz ist, weil das Orchester diesen Deckel hat, ist es anders; und das
muss man ausnutzen, um eigene Grenzen auszuloten, aber gleichzeitig auch
Vertraute haben, die während der Proben im Publikum sitzen und sagen, was
funktioniert und was nicht. Es war auch teilweise nicht ganz einfach, weil
manche gesagt haben, „Nein, unmöglich", und andere gesagt haben „Genau so!".
Frage: Sie meinen die Piano-Passagen?
Kaufmann: Genau. Ich glaube nicht, dass es eine Geschmacksfrage
ist, denn ich halte mich an das, was Wagner geschrieben hat. Und wenn er
piano oder pianissimo schreibt, dann glaube ich, dass er das so gemeint hat.
Und wenn er dazu noch einen Orchesterklang komponiert, der das auch erlaubt,
dann finde ich es fahrlässig, wenn man es in diesem besonderen Klangraum des
Festspielhauses nicht ausnutzt. Aber es war sehr ungewöhnlich und viele, die
hier lange Jahre musikalische Beratungsdienste machen, waren etwas irritiert
und haben gesagt: „Mensch, immer dieses ewige Legato, wir brauchen mehr Text
..." Da prallen zwei Welten aufeinander.
Frage: Es
gibt ja einige hier, die sich mit Ihrem Legato-Stil nicht anfreunden
wollten.
Kaufmann: Denen empfehle ich, mal in die
Partitur oder in den Klavierauszug zu schauen, da gib es nämlich einige
Überraschungen. Auch für mich gab es die, als ich den Lohengrin letztes Jahr
für die Münchner Festspiele studiert habe. Dass zum Beispiel das berühmte
„Nie sollst du mich befragen" wirklich leise gesungen werden soll und beim
zweiten Teil des Satzes schreibt Wagner nochmal ein Piano hin. Er meint das
also wirklich. Das habe ich nie so gehört. Aber es sagt ja auch etwas über
den Lohengrin aus. Ich finde es sowieso interessant, wenn ein Superheld, der
in einem Minuten langen göttlichen Chor angekündigt wird, ankommt und
anstatt sich hinzustellen und gleich mal ein paar heldische Phrasen
loszulassen, unheimlich zärtlich mit dem Schwan spricht. Das ist für mich
ein deutliches Zeichen, dass Wagner gar nicht wollte, dass Lohengrin von
vorne bis hinten den Helden mimt, sondern auch eine zarte, menschliche Seite
zeigt.
Frage: Dann muss es Ihnen doch entgegen
gekommen sein, dass Hans Neuenfels die intimen Momente zwischen Lohengrin
und Elsa auch intim inszeniert hat?
Kaufmann:
Unglaublich, ja! Es ist einfach wahnsinnig schwer im ersten und zweiten Akt,
die intime und menschliche Komponente, die zwischenmenschlichen Spannungen
und Bezugnahmen gerade des Lohengrin aufzubauen, weil er so wenig auf der
Bühne ist. Wenn die ganze Zeit 150 Leute drum herumstehen und auf ihren
Einsatz warten, ist man geneigt, das Ganze staatsmännisch herunterzuspulen.
Durch die Idee, die Ratten immer wieder in ihre Zellen zu verbannen,
entstehen intime Momente, die ich nie erwartet hätte. Das hilft sehr. Gerade
der Moment, „Elsa, ich liebe dich" ist ungeheuer schwierig. Lohengrin kommt
auf die Bühne, ist drei Minuten da, sagt: Willst du, dass ich dich heirate?
Also gut, dann darfst du aber nie fragen, woher ich komme, ich liebe dich,
Kuss. So steht es im Klavierauszug. Das kann man doch gar nicht glauben.
Wenn man es analysiert, müsste man meinen, dass sein „Ich liebe dich"nur
Teil des Missionskonzepts ist, ein Trick. Es geht nur um das große Ganze und
das Wohl des deutschen Volkes. Das fände ich furchtbar schade, weil es den
ganzen Charakter unglaublich verflacht und Lohengrin einfach nur zu einer
Marionette des Grals macht. Das fände ich nicht richtig. Und ich glaube,
dass man an der musikalischen Gestaltung Wagners sieht, dass auch er das so
nicht gesehen hat, dass die Gefühle keine politische Entscheidung sind. Aber
wie interpretiert man das? Es war genial von Neuenfels, dass die Bühne
innerhalb von wenigen Sekunden leer gefegt ist und man sich auf das
Zwischenmenschliche konzentrieren kann. Elsa hat Lohengrin vorher nie in die
Augen gesehen, erst in diesem Moment tut sie es. Und wenn sie es tut, fällt
ihm die Klappe runter und er sagt „Ich liebe dich«. Das ist wirklich Liebe
auf den ersten Blick.
Frage: Sie haben schon mal -
zumindest von den Publikumsreaktionen her - nicht so gute Erfahrungen
gemacht, was Regiekonzepte und alte Stoffe betrifft. Stichwort Herheim und
Salzburg. Wie ging es Ihnen denn mit Neuenfels' Einfällen in Bayreuth?
Kaufmann: Mir ging es damit sehr gut. Mir ging es auch
damals bei Stefan Herheim sehr gut. Wir hatten großen Spaß, haben dem Affen
ordentlich Zucker gegeben und es vielleicht ein bisschen übertrieben. Wir
hätten vielleicht maßvoller sein sollen. Die Inszenierung war zwar
umstritten, aber nicht grundverkehrt. Ich bin immer sehr offen für Neues,
auch für auf den ersten Blick Verrücktes. Ich möchte nur nicht gerne für
dumm gehalten werden. Wenn jemand seine Intellektualität über das Wissen der
Protagonisten stellt und sagt, „Du machst das, du jenes und ihr werdet schon
noch sehen, was das bedeutet" - das ist nicht meins. Ich will gerne
Mitwisser sein, will gerne über das Ganze reden. Dann kann ich auch etwas
entwickeln, was in der Regie, aber auch in mir funktioniert. Und das hat
hier mit Neuenfels hervorragend geklappt. So stelle ich mir das im besten
Falle vor. Nach einem Grundgespräch weiß man, wo ein Charakter hingeht, dann
macht man als Sänger seine Sache, und dann ist der Regisseur der Beurteiler,
der Schiedsrichter, der einem mitteilt, was er verstanden hat, was zu viel
und was zu wenig ist.
Frage: Das heißt, Sie würden
keinen Auftrag ablehnen, nur weil Proteste und Diskussionen zu erwarten
sind? Sie wollen nicht der brave Tenor sein?
Kaufmann:
Nein, ganz sicher nicht. An was ich mich manchmal stoße, sind zwei Dinge. Es
gibt immer wieder Regisseure, die von dem Stück keine Ahnung haben und denen
es auch nichts bedeutet. Denen Eigenprofilierung viel wichtiger ist, als
irgendwas aus dem Stück zu machen. Die einer Geschichte, die, wenn man genau
hinschaut, interessant ist, eine andere überstülpen, weil ihnen das momentan
besser ins Konzept passt, und die dann auch noch respektlos mit der Musik
umgehen. Was mich noch stört ist, dass das Publikum die Sänger mit der Regie
in einen Topf wirft, wenn eine Inszenierung provokativ oder grenzwertig ist.
Nach dem Motto: „Ihr seid mit verantwortlich, Ihr müsst nach Haus gehen und
sagen, dass ihr so etwas nicht macht." Aber das geht nicht. Wir können oft
gar nicht erahnen, wie es im Endeffekt wirken wird. Eine Woche vor der
Premiere denkt man manchmal noch: „Das wird furchtbar!", und auf einmal
ergibt es sich. Deshalb muss man den Dingen auch eine Chance geben und nicht
sagen: „Mein Gott, lauter Ratten, das mache ich nicht." Das wäre Unsinn. Bei
Neuenfels ist es Teil des Konzepts, dass es Doppeldeutigkeiten gibt,
symbolhafte Handlungen und Darstellungen, die in vielfacher Weise
interpretiert werden können. Das macht es spannend. Weil jeder etwas
hineininterpretieren kann. Ob man sagt: Das ist Kritik an der Menschheit von
heute, oder daran, dass das Volk immer wieder verführt werden kann. Ich habe
schon Stimmen während der Proben gehört, die fragten: „Wer sind denn jetzt
die Ratten, sind das die Nazis?" Wo sieht man das? Da ist kein Zaunpfahl,
mit dem gewunken wird. Es gefällt mir gut, weil es, obwohl es sehr stark,
intensiv und extrem ist, gleichzeitig aber auch dezent wirkt, weil es in
viele verschiedene Richtungen interpretiert werden kann. Noch mal: ich bin
immer offen, aber ich diskutiere auch gerne mit einem Regisseur, wenn etwas
für meine Begriffe Missverständliches passiert.
Frage:
Ging das mit Herrn Neuenfels?
Kaufmann: Wir haben
uns sehr gut verstanden. Wir hatten schon lange vorher Kontakt und haben
darüber geredet, wie die Figur angelegt ist. Ihm war auch die menschliche
Seite, der tragische Held, ungeheuer wichtig, wenn er am Schluss alleine
durch das Feld der Toten wandert. Ich hoffe, dass man die Vereinsamung,
Verbitterung und diese unglaubliche Enttäuschung, die er verspürt, bemerkt.
Frage: Bedauern Sie, dass Sie den Lohengrin jetzt schon
wieder abgeben müssen?
Kaufmann: Absolut, das ist
keine Frage. Ich hatte: nie vor, das nur als einjähriges Gastspiel zu sehen.
Es hat aber, mit den Probenzeiten 2011 nicht funktioniert. Die Zeiten wurden
mehrfach geändert. Ich hätte im nächsten Jahr Vorstellungen an anderen
Häusern absagen müssen, um bei der Wiederaufnahme dabei zu sein. Bevor ich
Verträge unterzeichne, überlege ich lange, aber wenn ich unterzeichnet habe,
fällt es mir nicht leicht etwas wieder abzusagen.
Frage:
Und das ließ sich nicht koordinieren?
Kaufmann:
Anscheinend nicht. Wir haben viel hin- und her diskutiert. Dann kam von der
Gegenseite der Hinweis: Wir haben auch andere, die den Lohengrin singen
können. Na gut.
Frage: Haben Sie vor, noch mal nach
Bayreuth zu kommen?
Kaufmann: Auf jeden Fall. Als
Zuschauer und als Sänger.
Frage: Haben Sie sich eine
Altersgrenze gesetzt, den Tristan erst ab 50?
Kaufmann:
So ungefähr. Das muss man auch. Ganz viele Opernhäuser und Dirigenten fragen
an, solche Partien jetzt schon zu machen. Es ist klar, dass man nicht zu
lange warten darf. Man darf nicht sagen, das mache ich erst mit 65. Die
Rolle finde ich sehr reizvoll, was die Darstellungsmöglichkeiten betrifft.
Allein auf der Insel, da kann einem schon viel einfallen. Auch da gibt es
lyrische Momente, wie im Duett im zweiten Akt. Es würde mir auch gefallen,
die verschiedenen Farben darzustellen und zu singen. Die Wagnerianer werden
aufschreien, aber ein Don José hat auch viele psychologische Dimensionen. Er
fängt auch leicht und lyrisch an und steigert sich immer mehr. Ist natürlich
nur ein Bruchteil von dem, was Tristan singt. Otello reizt mich auch sehr.
Frage: Der aber auch noch warten muss?
Kaufmann: Ja, keine zehn Jahre mehr, aber vielleicht fünf.
Frage: Wenn man jetzt weiß, dass Ihr Fünfjahresplan steht,
kann man ja anfangen zu spekulieren.
Kaufmann:
(lacht) Genau. Die Entscheidung steht jetzt an. Aber das ist keine leichte.
Es ist auf der einen Seite schön, wenn man als Künstler das gute Gefühl
einer Fünfjahresauslastung hat. Auf der an deren Seite ist es so was von
unkünstlerisch, so lange im Voraus zu planen. Denn aus der Spontaneität, aus
der Lust her aus dieses oder jenes zu machen, könnte man ja noch eine ganz
andere Kreativität entwickeln. Wenn ich als Maler jetzt schon die Farben
kaufen müsste, mit denen ich in fünf Jahren ein Bild malen sollte, das fände
ich unmöglich. Aber was will man machen? Es hat keinen Sinn zu sagen: Da
mache ich nicht mit. Denn das würde bedeuten, dass ich an den großen
Opernhäusern keine Produktionen mehr machen könnte. Covent Garden oder die
Met planen eben fünf Jahre im Voraus.
Frage: Wie
gehen Sie denn innerlich mit den Bedenkenträgern um, die sagen: Der hat
keine Kopfstimme, der macht's nicht mehr lange?
Kaufmann:
Ich spüre eigentlich, ziemlich gut, was meiner Stimme gut tut und was nicht.
Ich bin momentan in einer stimmlichen Verfassung, in der ich mehr
Möglichkeiten habe denn je, in jede Richtung. Es ist nicht so, dass
irgendwas nicht mehr funktioniert, im Gegenteil, es gehen neue Türen auf,
ohne dass andere zufallen. Ich kann immer noch - Gott sei Dank - Lieder
singen und auch die feinen Nuancen umsetzen. Ich denke, dass ich durch die
abwechslungsreiche Gestaltung des Kalenders im deutschen, italienischen und
französischen Fach mir viele verschiedene Bereiche der Stimme lange erhalten
kann. Ob es immer so geht, weiß ich nicht. Man kann immer ins Straucheln
geraten. Man muss sich ständig hinterfragen und nicht nur das; Planen mit
Verstand betreiben, sondern auch das Abarbeiten. Wenn man die Stimme
überanstrengt hat, weil man sich überschätzt oder trotz Krankheit gesungen
hat, muss man die Konsequenzen ziehen. Aber noch viel besser ist, dass man
pausiert, bevor man sich schadet. Jede Aufführung, die man macht, ist in den
Augen derer, die ein Ticket dafür haben, die Wichtigste des Jahres und für
die Veranstalter meistens auch. Ich habe zum Glück eine Agentur, die mir
nicht immer einredet: „Heute musst du unbedingt auftreten, da hängt alles
dran." Die haben wie ich den Eindruck, dass auch einem Publikum mehr daran
gelegen ist, dass ich noch viele Aufführungen singen kann und nicht nur
diese eine. Solange man ehrlich zu sich ist, kann man da sehr gesund über
die Runden kommen. Man muss sich halt auch mal eingestehen, dass man sich
verplant hat.
Frage: Wann gingen die Absprachen
wegen Lohengrin eigentlich los?
Kaufmann: Das weiß
ich gar nicht mehr genau. Es kam eine Anfrage, ich habe dann dreisterweise
gefragt, wer singt die Elsa, wer dirigiert und so weiter. Das fanden die
eigentlich gar nicht so lustig, dass ich das wissen wollte. Ich hab ihnen
aber klar gesagt, dass ich nur unter Preisgabe dieser Informationen
überhaupt zusagen kann, weil ich zu dem Zeitpunkt noch keinen Lohengrin
gesungen hatte; München war vielleicht schon im Gespräch, aber noch nicht
unterschrieben. Also war es Neuland für mich, und da konnte ich nicht sagen:
Na klar, ich mache es, egal mit wem. Das ist auf großes Unverständnis
gestoßen, und dann haben wir in gegenseitigem Einverständnis den Plan ad
acta gelegt. Ich hatte dann schon längst die „Tosca" in München zugesagt,
als plötzlich ein neuer Vorstoß kam. Wir haben uns dann geeinigt und einen
Kompromiss gefunden, dass ich nicht permanent hier bin, sondern den anderen
Verpflichtungen auch nachgehen kann. Da gab es viele Stimmen, die sagten,
„Das ist völlig unmöglich", und „Das schafft der nie" und „Der macht sich
kaputt". Natürlich ist das nicht einfach, das braucht Disziplin. Aber es
kann sich dann auch gegenseitig befruchten. Der Florestan vor drei Tagen in
Luzern war die Vorbereitung für den Lohengrin gestern. Das funktioniert sehr
gut. Aber ob das noch bis zum Ende des Monats geht, weiß ich nicht. Es kann
sein, dass ich morgen erkältet bin und dann pausiere. Das gibt's, damit muss
man auch leben.
Frage: Können Sie sich vorstellen,
hin zu mehr populären Konzerten und CD- Aufnahmen zu gehen, um den Markt
jenseits der Opernfans abzugrasen?
Kaufmann:
Hmmmm... eigentlich nicht. Ich glaube, dass das eher kontraproduktiv ist.
Wenn man sich zu sehr von seinem eigentlichen Repertoire entfernt, kann man
seine Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit als Opernsänger verlieren, und das
möchte ich mit Sicherheit nicht riskieren. Ich bin "gelernter" Opernsänger
und das sollte auch mein Hauptaugenmerk bleiben. Es gibt natürlich
Grenzbereiche. Ich möchte nicht sagen, dass ich es nie mache. Weil man zum
Beispiel mit jemandem befreundet ist, der in der Pop-Branche tätig ist, und
man so viel Spaß miteinander hat, dass man sagt: Komm wir machen das, aus
Gaudi.
Frage: Auch aus finanziellen Gründen?
Kaufmann: Das glaube ich nicht. Ich kann nicht darüber
jammern, was ich bisher in meinem Beruf verdient habe. Aber was ich bisher
an CDs verdient habe, ist lächerlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
man sich was Gutes tut, wenn man es aus diesen Gründen macht. Und das
Publikum merkt sofort, wenn man auf-Teufel-komm-raus versucht, sich zu
vermarkten. Es mag bequem sein, dass die CDs für einen arbeiten. Der
Nachteil ist, dass man unheimlich an Privatsphäre verliert, wenn man einem
größeren Publikum bekannt ist. Ich weiß nicht, ob ich das so toll finde. Und
wenn man sich dadurch verscherzt, ein hoffentlich langes Leben an den
Opernhäusern zu verbringen, weil die Verantwortlichen sagen: „Nee, der singt
doch heute nur noch Schnulzen, den wollen wir hier nicht mehr hören", fände
ich das ganz furchtbar. Ich mag meinen Beruf so gerne, dass ich ihn so lange
als möglich machen will.
Frage: Haben Sie sich
überlegt noch mal eine Auszeit zu nehmen? Um noch mal zu Herrn Rhodes zu
gehen und zu lernen?
Kaufmann: Das wäre mal
interessant, ja. Da ich eine Frau habe, die auch Sängerin ist, und die sich
Proben, Generalproben oder Aufführungen anhört, wenn sie Zeit hat und auch
mit mir teilweise heftig darüber diskutiert, was man wie machen kann und
soll, habe ich zum Glück eine Vertrauensperson, die auf mich schaut. Und ich
habe auch ein sehr gutes Gespür für meine Möglichkeiten und Grenzen. Vieles,
was Michael Rhodes in mir angestoßen hat, habe ich über die Jahre
weiterentwickelt. Ich habe immer wie der Kontakt mit ihm, doch viele Jahre
keinen Unterricht mehr bei ihm gehabt. Aber ich denke immer wieder darüber
nach.
Frage: Haben Sie jetzt ein neues Zettelchen,
auf dem steht „Don't forget ..." irgendwas?
Kaufmann:
(lacht) „Don't forget the Met", das war damals der Running Gag. Ich habe
natürlich überhaupt nicht dran geglaubt, als ich während der Krise im Jahr
1995 bei ihm war und er sagte: „Du wirst mal den Lohengrin singen". Da habe
ich nur gedacht: Es ist nett, dass du mich aufbauen willst, aber bitte nicht
unrealistisch werden. Als aber eins nach dem anderen eintraf und ich mit
meiner Stimme immer sicherer wurde, dachte ich: Glück gehabt! Und dann
musste ich wieder an seinen Notizblock aus dem Met Gift Shop, der immer auf
seinem Klavier lag, denken, auf dem gedruckt war: „Don't forget the Met!"
Leider gibt es den Block nicht mehr zu kaufen! Das hat sich mir eingraviert.
Es ist wunderschön dort zu singen, es ist unheimlich berührend, weil es eine
traumhafte Akustik ist und ein Publikum, das sich sehr begeistern lässt. Das
hat schon was.
Frage: Was fehlt Ihnen denn noch, Sie
haben ja schon fast alle großen Häuser, abgehakt?
Kaufmann:
Moskau und St. Petersburg fehlen noch und Südamerika. Allen voran das Teatro
Colon in Buenos Aires und die Bühne in Manaos im Dschungel, da würde ich
noch gerne hin. Wenn ich keine Familie hätte, würde ich wahrscheinlich
überall herumtingeln und mir das alles ansehen, aber so gibt es eben
Wichtigeres.
Frage: Wenn Sie nach Bayreuth
zurückkommen, haben Sie dann einen Wunsch, mit welcher Rolle?
Kaufmann: Nein, habe ich nicht. Als nächstes wird es
Siegmund an der Met im Frühjahr geben, und dann ist erst mal eine lange
Pause mit neuen Wagnerpartien. Aber dann wäre es sicher ideal, eine
schwierigere Partie wie Siegfried oder Tannhäuser oder Tristan in Bayreuth
zu machen, weil man hier den kleinen Vorteil des gedeckelten Orchesters hat.
Schau'n wir mal. Der Sommer ist ja immer auch noch was anderes, was den
Fünfjahresplan betrifft. Ich bin auch mit Alexander Pereira, meinem
ehemaligen Intendanten von Zürich, der jetzt nach Salzburg geht, im Gespräch
für viele Produktionen. Das ist natürlich die direkte Konkurrenz, denn
Bayreuth und Salzburg gleichzeitig geht ja leider nicht. Wir werden sehen.
Von meiner Seite war es nicht das letzte Mal. |
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