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Jonas Kaufmann: Nur Wagner singen ist schädlich
 
Immer nur Wagner zu singen, kann für einen Tenor auch schädlich sein. Das meint jedenfalls Star-Tenor Jonas Kaufmann (41), der gerade als Lohengrin sein gefeiertes Bayreuth- Debüt in der Inszenierung von Hans Neuenfels gegeben hat.
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa erklärt er, was ein Sänger tun kann, um die Stimme zu erhalten.

Immer wieder wird behauptet, der Wagner-Gesang sei in der Krise weil es immer weniger geeignete Wagner-Sänger gibt. Teilen Sie die Ansicht?

Kaufmann: „Nein, es gibt keine Krise im Wagner-Gesang, wie vielfach behauptet wird. Das Geheimnis ist, sich nicht nur auf das Wagner-Fach zu konzentrieren, also auch das italienische oder französische Fach zu pflegen, um so die Stimme flexibel und geschmeidig zu machen und ihre Weichheit zu erhalten. Manche haben es ja für verrückt gehalten, dass ich bis kurz vor der „Lohengrin“-Premiere in Bayreuth noch Puccinis „Tosca“ in München gesungen habe. Mir und meiner Stimme hat das aber gut getan. Jedes Mal wenn ich von einer „Tosca“-Vorstellung gekommen bin, habe ich eine neue Weichheit in den „Lohengrin“ legen können. Ich habe zum Beispiel gemerkt, dass ich an manchen Stellen der Wagner-Oper doch noch zu hart, pauschal gesagt „zu deutsch“, gesungen habe.“

Muss nicht aber ein Wagner-Sänger eine besondere Konstitution haben und einen zu schnellen Verschleiß seiner Stimme fürchten?

Kaufmann: „Natürlich gibt es laute Stellen bei Wagner, die bombastisch sind und auch bei mir Gänsehaut verursachen, die müssen auch so sein, und natürlich kann ein Sänger bei normaler Konstitution für eine gewisse Zeit da mithalten. Aber man muss auch immer wieder zurückfinden auf ein Niveau, das sängergerecht ist, sonst geht die Stimme langfristig kaputt. Man darf auch nicht vergessen, dass die modernen Musikinstrumente mit der Zeit sich so entwickelt haben, dass sie immer lauter geworden sind, nicht jedoch im gleichen Maße die Gesangsstimme.“

Was zeichnet denn einen Wagner-Sänger aus?
Kaufmann: „Ja, was ist eigentlich ein Wagner-Sänger? Einer, der fünf Stunden am Stück laut singen kann? Es ist ein Missverständnis, dass Wagner-Singen nur bedeutet, immer nur laut zu sein, auch wenn die akustischen Bedingungen in vielen Opernhäusern in Deutschland manche Kollegen dazu verleiten oder sogar zwingen. Dagegen anzusingen, kann eine Stimme tatsächlich auf Dauer kaputt machen. Dann muss man den Dirigenten dazu bewegen, den akustischen Gegebenheiten entsprechend zu musizieren, also manchmal mit dem Orchester auch leiser zu spielen. Ich kann doch als Sänger nicht den Kampf gegen 80 oder gar 100 Musiker im Graben aufnehmen, die können immer lauter sein als ich.“

Erhalten Sie sofort wieder neue Angebote für Wagner-Partien, sobald sie in einer Wagner-Oper gesungen haben?

Kaufmann: „Ja, das stimmt, viele Opernhäuser wollen von mir sofort den Wagner haben, sobald ich eine neue Wagner-Partie einstudiert habe. Es wird ja in meiner Branche auch gemunkelt, dass man im Wagner-Fach mehr Geld verdienen könne, weil es angeblich nur wenige Sänger dafür gibt. Aber das nützt mir doch nichts. Ich liebe meinen Beruf viel zu sehr, um in kürzester Zeit meine Stimme zu ruinieren.“

Wie begegnen Sie den Gefahren der einseitigen Wagner-Festlegung?
Kaufmann: „Ich möchte meinen Beruf möglichst lange ausüben. Also singe ich immer wieder auch in den anderen Fächern, natürlich hilft auch noch der Liedgesang. Ich habe ja das Glück, dass ich nicht nur im deutschen, sondern auch im italienischen und französischen Fach anerkannt bin. Das hilft mir, die Stimmkultur zu bewahren. Wenn man das alles beachtet, kann man sein Leben lang Wagner singen, aber eben nicht nur. Das ist das ganze Geheimnis. Genau dafür bin ich in der Vergangenheit aber oft auch kritisiert worden, Kritiker meinten, dieses ständige Wechseln im Fach sei schlecht für die Stimme und die Karriere.

Schauen Sie sich Placido Domingo an, der das Tenor-Fach abgegrast hat und sich nun dem Baritonfach zuwendet. Der hat nun wirklich alles gesungen, auch Wagner. Er hat die Fächer gewechselt wie die Hemden, und es hat nicht geschadet. Es kommt eben auf die Stimme an, auf die Technik, das Maß, die Kombination. So gesehen sind die positiven Kritiken, die ich jetzt erhalte, natürlich schön und auch eine Bestätigung für mich, dass mein eingeschlagener Weg doch der richtige war.“

Sie erhalten zurzeit sogar weltweites Lob. Die „New York Times“ sprach nach Ihrem jüngsten Auftritt an der New Yorker Met, wo Sie im April 2011 auch den Siegmund in der „Walküre“ erstmals singen werden, von „einem der größten Künstler der jüngeren Geschichte der Met“. Der 41-Jährige sei auf dem Höhepunkt seiner Karriere, hieß es. Macht das größenwahnsinnig?

Kaufmann: „Nein, ganz bestimmt nicht. Meine Familie holt mich auch immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, und Papier ist geduldig.“






 
 
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