Herr Kaufmann, Ihre ganz große Weltkarriere
begann relativ spät. Wie erklären Sie sich den verzögerten internationalen
Durchbruch?
Kaufmann: Ich finde den Zeitpunkt
normal. Im Gegenteil: Frühe Karrieren führen später meist zu
Schwierigkeiten. Anja Silja bildet da vielleicht eine Ausnahme. Sie ist eine
Sängerin, die sehr früh Karriere machte und das sängerisch überlebt hat.
Eigentlich fängt eine Stimme erst in der Mitte der Dreißiger an zu reifen.
Ich hätte schon früher die Gelegenheit gehabt, mich ins Rampenlicht zu
stellen. Aber ich glaube, die anfängliche Zurückhaltung hat mir gut getan.
Ein besonders großes Echo fand ja Ihr CD-Debüt bei dem großen
Klassik-Label Decca. Hat sich Ihr Leben durch die internationale Resonanz
verändert?
Kaufmann: Das denke ich schon. Man
versucht natürlich, sich nicht mitreißen zu lassen von einer gewissen
Massenhysterie, sondern zu bleiben wie vorher. Aber man muss sich
zwangsläufig anders verhalten, zum Beispiel aufpassen, was man sagt, weil es
unter Umständen falsch kolportiert werden kann. Etwas flapsig daher sagen –
das geht nicht mehr. Andererseits kann ich jetzt meine Karriere
eigenständiger steuern und das Repertoire nach eigenen Vorlieben erweitern.
Im festen Ensemble war das nicht in dem Maße möglich. Ein Vorteil ist auch
die Zusammenarbeit mit Kollegen, die sich auf einem sehr hohen Niveau
befinden. So etwas gibt mir noch einmal einen besonderen Schub.
Bleibt bei all dem denn noch Zeit fürs
Privatleben?
Kaufmann: Ja und nein. Man hat
noch ein gewisses Privatleben. Aber Tage, an denen ich früher frei hatte,
sind heute mit irgendwelchen Terminen zugeplant. Zeit für die Familie, meine
drei Kinder zu finden, das ist ein regelrechter Kampf. Aber diese Zeit ist
mir auch heilig.
Ihre Stimmfarbe wirkt für einen Tenor
auffallend dunkel. Deutet das aufs dramatische Wagner-Fach hin und auf die
ganz schweren Partien wie Tristan?
Kaufmann: Ich hoffe das. Vor zehn
Jahren hätte ich nicht mit einer solchen Entwicklung gerechnet. Heute traue
ich mir das Heldenfach zu. Den „Tristan“ würde ich schon gerne mal machen,
übrigens auch Verdis „Othello“, eine unglaubliche Partie! Zu dem passt das
Dunkle in der Stimme auch ganz gut. Wenn ich keine Fehler mache, könnte ich
dahin kommen.
Was steht denn noch alles auf Ihrem
Wunschzettel?
Kaufmann: Das ist eine lange
Liste, so lang, dass ein bis zwei Weihnachten dafür gar nicht ausreichen
würden. Die großen Wagner-Partien sind auf jeden Fall dabei. Wie gesagt:
„Tristan“, aber auch „Siegfried“ und „Tannhäuser“. Singen würde ich
natürlich auch gerne in noch vielen großen italienischen Opern wie „Aida“,
„Turandot“ und „Trovatore“. Jetzt stehen aber erst mal „Manon Lescaut“,
„Werther“ und „Chénier“ an.
Mal eine etwas persönlichere Frage: Sie singen
deutsches, italienisches und französisches Fach gleichermaßen und haben auch
ein leicht mediterranes Aussehen. Befindet sich unter Ihren Vorfahren
möglicherweise ein Italiener?
Kaufmann: Nein, aber in unserer
Familie sehen wir alle ein wenig mediterran aus, deswegen wird man auch
darauf angesprochen. Unser Familienstammbaum lässt sich weit zurück
verfolgen. Und da ist kein Italiener darunter. |