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Opernwelt 1/2008/Die Welt, 24.
Januar 2008 |
Interview: Manuel Brug |
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Balance und
Bodenhaftung (Titel in Opernwelt)
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Singen muss selbstverständlich
werden (Titel in Die Welt) |
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Jetzt mit Exklusiv-Vertrag: Der Tenor Jonas
Kaufmann über gutes Aussehen und verpasste Gelegenheiten |
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Sie
haben jetzt ein Plattenvertrag bei einem großen Label. Es geht auf die
Autobahn. Promotion, Konzerte. Wollen Sie das?
Jonas Kaufmann:
Wenn man einmal seinen Fuß da rein setzt, dann muss man das machen. Ich habe
mich lange gesträubt, einen solchen Vertrag zu unterschreiben. Aber
letztlich habe ich gemerkt: Mir sind mehrere Sachen entgangen, weil ich
keinen Exklusivvertrag bei der entsprechenden Kompanie hatte. Eigentlich
sollte ich mit Harmonia Mundi so viele Liedplatten machen wie ich wollte.
Dann war der Erfolg der ersten Strauss-Platte kein großer, weil nie Werbung
dafür gemacht wurde. Als ich dann für die CD den Grammophone Award bekam,
sollte es plötzlich doch losgehen. Da war aber für mich der Zug abgefahren.
DIE WELT:
Dann kam die Decca?
Jonas Kaufmann:
Nicht nur, aber die waren zielstrebig.
DIE WELT:
Der Decca-Labelchef sagt über Sie: "Superman of the Tenors. He has Voice,
Flexibility - and Sexyness" - sehen Sie sich so?
Jonas Kaufmann:
In New York schrieb man über meine "Traviata" neben Angela Gheorghiu:
"Brangelina on Stage". Die Leute sind begeistert von meiner Bühnenpräsenz.
Die Leute sollen über meine Stimme sprechen. Wenn mein Aussehen dann auch
ein Thema ist, ok. Aber wenn es nur um Äußerlichkeiten geht, damit will ich
nichts zu tun haben. Natürlich, die Zukunft der Oper ist die Spielfreude
ihre Akteure, das Singen muss zur Selbstverständlichkeit verkommen.
DIE WELT:
Wie haben Sie sich gegen das, was jetzt kommen wird, gepanzert?
Jonas Kaufmann:
Die erste Interview-Welle habe ich schon abgesagt, weil ich krank war und
mich auf eine Premiere vorbereiten musste. Das geht vor. Ich habe diesen
Vertrag unterschrieben, um die Möglichkeit zu bekommen, Platten aufzunehmen.
Ich habe nie vor, damit Geld zu verdienen. Das kann man heute gar nicht
mehr. Aber ich habe mich eben auch als Package verkauft, das weiß ich - und
jetzt werde sehen, was ich da aufwirbele - oder auch nicht. Doch ich bin
kein Anfänger und ich bin sehr gut gebucht, ich habe nicht dauernd
PR-Termine und Konzertslots frei. Die müssen sich meiner Opernkarriere
unterordnen.
DIE WELT:
Haben Sie beobachtet, was eben mit Rolando Villazón passiert ist?
Jonas Kaufmann:
Hinterher ist man immer schlauer. Ich hoffe, dass mir das nicht passiert.
Ich habe mich mit Anna Netrebko ausgetauscht. Die weiß ja schließlich auch,
was Hype ist. Wen ich krank bin, dann sage ich ab. Da lasse ich mich auf
keinen Kompromiss ein.
DIE WELT:
Würden Sie Ihrem Sohn raten, Sänger zu werden?
Jonas Kaufmann:
Er muss selbst wollen. Und sehen wie schwer es ist. Wenn ich feststelle, wie
wenige von meinen Jahrgangskollegen noch professionell singen, dann komm
schon ins Grübeln. Dabei hat man es auch mir nicht leicht gemacht.
Spieltenor, darin sah man meine Zukunft - höchstens. Ich durfte immer nur
säuseln. Was tierisch anstrengend war. Bis plötzlich ein Lehrer mehr
Potenzial gesehen hat, dem ich dann wiederum nicht geglaubt habe, weil ich
meiner Stimme nicht mehr vertraut habe. Plötzlich konnte ich laut singen und
wurde nicht müde. Und am nächsten Tag war die Stimme noch da, wo ich doch
sonst immer stockheißer gewesen war. Da wusste ich, der hat Recht, aber zu
solchen Momente gehört ein immenses Glück.
DIE WELT:
War Saarbrücken ihre Wunschstation als Anfänger?
Jonas Kaufmann:
Ich wollte dieses Abenteuer machen. Mit 15 Partien in zwei Jahren, das hätte
auch ganz schön schief gehen können. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ein
Festvertrag wirklich fest fest fest bedeutet. Ich musste lernen, mich zu
wehren, mein eigenes Wohl in den Vordergrund zu stellen. Wenn man sich zum
stimmlichen Krüppel gemacht hat, dann kommt eben der nächste. Das dankt
einem keiner. Und je kleiner die Häuser, desto unangenehmer werden solche
Geschichten.
DIE WELT:
Sie stellen also werden den deutschen Musikhochschulen noch den deutschen
Stadttheatern ein sonderlich gutes Zeugnis aus. Oder?
Jonas Kaufmann:
Und ich bin erst im Ausland bekannt geworden. Aber das finde ich normal, der
Prophet gilt halt erst später was im eigenen Land.
DIE WELT:
Aber Sie haben doch von München bis Berlin an vielen Häusern
Repertoirevorstellungen gesungen, als Tamino, als Max. Ist da keiner
aufmerksam geworden?
Jonas Kaufmann:
Nö, nicht wirklich. Nur Herr Pereira in Zürich. Und was Besseres konnte mir
natürlich als relativer Anfänger gar nicht passieren. Später wollten dann
andere Theater in Deutschland. Aber da hatten dann die richtigen Big Player,
also London, Paris oder New York, die so weit vorher abfischen, auch mit mir
weit vorausgeplant, so dass ich für Deutschland so gut wie nicht mehr zu
Verfügung stand. Jetzt müssen wir eben schauen, wie wir die Lücken füllen,
bis ich dann in München ab 2009 wohl jede Spielzeit eine Neuproduktion und
eine Wiederaufnahme machen werde.
DIE WELT:
Haben Sie für die Ignoranz in München eine Erklärung?
Jonas Kaufmann:
Überhaupt nicht. Wir haben geredet, man kannte mich, ich sang da, aber es
ergab sich nicht mehr. Aber auch Herr Holender hat mich für Wien voll
verschlafen.
DIE WELT:
Wieso?
Jonas Kaufmann:
Es gab viele, die mich ihm immer wieder empfohlen haben, aber ich war eben
kein ganz billiges Frischfleisch aus Osteuropa und da hat er immer nur
gesagt, ich habe Michael Schade, was brauche ich Kaufmann? Dann hat er
irgendwo ein Mozart-Requiem mit mir gehört und dann wolle es mich auf einmal
für alles haben. Und war sehr sauer, als es nicht geklappt hat.
DIE WELT:
Was stellen Sie den deutsprachigen Häusern im Punkt "viel versprechender
Sängernachwuchs" also für ein Zeugnis aus?
Jonas Kaufmann:
Die wenigsten deutschen Häuser wissen mit einem Künstler wirklich umzugehen.
Entweder sie ignorieren einen, oder sie wollen einen gleich, oder sie planen
noch nicht so weit wie sie müssten, um international konkurrenzfähig zu
bleiben. Viele Betriebsdirektoren kommen auch immer weniger zum Rumreisen,
um sich neue Stimmen anzuhören. Ich finde das schade, weil es ja nicht so
ist, dass ich keine Lust hätte, in Deutschland zu singen. Ich habe immer ein
Haus gesucht, das mir eine Heimat bietet. Da bin ich ganz altmodisch. Wir
müssen in diesem Beruf so viel geben, sind oft allein auf uns gestellt, da
ist es einfach schön, an einen Ort zu kommen, wo man die Bühnenarbeiter
kennt und wo man weiß wie es dort klingt, und was man geben muss. Ich kann
nicht dauernd überall sein, alle bedienen. Woher soll da noch innere Ruhe
und Kraft kommen?
DIE WELT:
Aber nur wer Oper, Konzert und Lied überall bietet, ist bekannt.
Jonas Kaufmann:
Es ist wahnsinnig schwierig, sich dabei richtig zu verhalten. Entweder ich
will das, dann muss ich mich dem heute fast 100-prozentig ausliefern, in die
Maschinerie eintauchen. Warum haben denn so viele Kolleginnen keine
Ehemänner? Oder ich will ein "normales" Leben mit Familie und Haus, da kann
ich dann nicht überall präsent sein, muss Kompromisse machen. Und dann wird
es eben nicht die ganz große Starkarriere. Aber ich habe Balance und
Bodenständigkeit. Es gibt genügend, die einmal aufgewacht sind und gemerkt
haben, wenn sie das Singen nicht mehr haben, dann haben sie gar nichts mehr.
DIE WELT:
War es früher also besser?
Jonas Kaufmann:
Ich habe das Gefühl, früher gab es mehr Leute mit kompetentem Fachwissen im
Opernbetrieb. Und es gibt immer weniger Intendanten, die anderswo
herumhorchen, viele werden von der Leitung ihres Betrieb aufgefressen,
kommen kaum noch raus. Besonders natürlich in Deutschland mit seinen vielen
Aufführungen in den großen Theatern. Deshalb klappern die halt oft in
Besetzungsfragen nach. Und das, wo sie meist auch weniger Geld zur Verfügung
haben. Gerade deshalb müssten die Verantwortlichen mehr reisen, um zu sehen,
wenn sie noch günstig bekommen können. In München wird es künftig einen Mann
für den Alltag geben und einen Scout, Pal Christian Moe, der auch Chicago
und Glyndebourne berät, der als Trüffelsucher, die Sänger finden muss, deren
Karrieren kurz vor der Zündung stehen, die man an ein Haus binden will und
die man so noch bezahlen kann.
DIE WELT:
Wo sehen Sie Ihre Zukunft. Nach sehr viel deutschem Repertoire scheinen Sie
jetzt anderes zu forcieren, oder?
Jonas Kaufmann:
So kann man das nicht sagen. Mir macht das deutsche Fach nach wie vor sehr
viel Spaß. Mein erster Parsifal - das ist Musik, das ist Erfüllung. Ich
werde weiter auch Mozart singen. Aber es kommt eben immer mehr italienische
und französische Oper dazu - und dem muss ich Rechnung tragen. Die
Kombination hält meine Stimme gesund, ihre Flexibilität, ihre klanglichen
Nuancen, das merke ich immer mehr. Ich konzentriere mich also nicht zu sehr
in eine Richtung, fahre nicht immer nur Autobahn. Doch die Balance
verschiebt sich eben etwas. Auch das Lied ist mir dabei wichtig, da geht es
um ganz andere Dynamikbereiche. Ich mache jetzt eben ein paar Umwege. Ich
hätte mit Leichtigkeit meinen Kalender nur mit deutschem Fach füllen können.
Das wollte ich nicht. Es langweilt mich, dauernd die gleichen Rollen zu
singen. Da schleicht sich nur Routine ein. Die ist gefährlich. Da hört man
sich dann nicht mehr zu. Und singt plötzlich fehlerhaft, weil man
unkonzentriert ist, was schwer wieder loszuwerden ist. Das spüre ich auch,
wenn ich leicht angeschlagen singe. Dann passe ich viel mehr auf, singe
bewusst, um mir nicht wehzutun - mit manchmal ganz erstaunlichen
Ergebnissen, als wenn man es einfach so laufen lässt. Ich bin kein Automat
und will nicht abspulen. |
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