Merkur online, 4. Januar 2008
Das Gespräch führte Markus Thiel
 
Ein Tenor für alle Fälle
Ob italienisches, französisches oder deutsches Fach, ob Mozart, Verdi oder Wagner: Jonas Kaufmann, selbstbewusst, sympathisch und international gefragt, gilt als Tenor für alle Fälle.

Davon kündet auch seine neue CD „Romantische Arien”, mit der er von Werther über Don Carlos bis Stolzing durchs gesamte Repertoire kurvt. Kaufmann, 1969 in München geboren und an der hiesigen Musikhochschule ausgebildet, lebt mit Frau und drei Kindern in Zürich. Unter der Intendanz von Klaus Bachler wird er aber 2009 an der Bayerischen Staatsoper die Titelrolle im neuen „Lohengrin” übernehmen.

Sie sind gebürtiger Münchner, aber im Zürcher Opernensemble. Warum denn das?
Ich habe ja, bevor ich 2001 nach Zürich ging, hier gewohnt. München hat ein so reiches Musikleben, doch ich konnte daran nicht teilnehmen. Was sollte ich also noch hier? Wahrscheinlich habe ich dem ein oder anderen an der Bayerischen Staatsoper nicht gefallen - was sich ja jetzt gottlob ändern wird. Die Geschichte vom Propheten im eigenen Land hat schon was Wahres. Man muss wohl den Weg ins Ausland gehen, um dann im Inland für gewisse Sachen engagiert zu werden. Obwohl: Der Lohengrin wäre früher oder später auf mich zugekommen.

Nun sind Sie ja, was Ihre Rollen betrifft, durchaus vielseitig verwendbar.
Stimmt. Ich kann mir eigentlich was darauf einbilden, dass ich als deutscher Tenor italienisches Fach zum Beispiel an der Met singen darf. Viele glauben ja, nur Südamerikaner hätten die Eigenschaften eines Latin Lovers mit der Muttermilch eingesaugt. Zu Beginn meiner Karriere hat mir auch ein Agent gesagt: Wenn Sie italienisches Fach singen wollen, sollten Sie Ihren Namen wechseln.

Sie haben eine charakteristische, sehr dunkle Stimmfärbung.
Das könnte einen auf den Gedanken bringen: Der ist ja gar kein typischer Lohengrin. Wer ist das schon? Wir denken da zu viel in Klischees. Muss der Lohengrin immer so ein Ätherischer sein? Wagner hat jedenfalls immer wieder italienische Belcantostimmen für seine Partien gefordert. Und deutsches Fach heißt nicht, dass dafür nur raue, grobe und heldische Stimmen gefragt wären. Eine Isolde etwa, so meinte Wagner, sollte keinesfalls so dramatisch wie eine Norma sein. Wagner ist ja keine Sportveranstaltung nach dem Motto schneller, höher, weiter.

Sie sagten einmal, dass Sie große Schwierigkeiten hatten, um Ihre Stimme zu finden.
Mein Umfeld hat anfangs von mir erwartet, dass ich wie ein leichter, lyrischer, deutscher Tenor klinge. Nur: Einem Stimmideal à la Peter Schreier, der ein wunderbarer Sänger ist, konnte ich irgendwann nicht mehr nacheifern, weil ich dem einfach nicht entspreche. Ich habe viel zu lange imitieren müssen. Zum Beispiel habe ich mich mit Ottavio schwergetan, weil ich vom Studium her gewohnt war, so etwas total unterleibslos zu singen. Bis ich zu einem Lehrer kam, der sagte: „Lass es doch laufen, mach‘ die Stimme auf, halte sie nicht fest.” Erst dann begriff ich, was Singen heißt. Bis dahin hatte ich große Selbstzweifel, auch eine richtige Krise.

Kam der Berufsfrust jemals zurück?
Schon. Es gibt gewisse Opernhäuser, die die Tendenz haben, wie Viehhändler zu arbeiten. Das frustriert manchmal. Aber das ist doch in jedem Beruf so, da sind wir Sänger gar nicht so exklusiv.

Binden Sie sich nun stärker an München?
Ich habe mit Herrn Bachler viele Gespräche gehabt. Und ich habe den Eindruck, dass er sich in München wieder eine Art erweitertes Ensemble suchen möchte. Wir haben schon für die zwei Spielzeiten nach dem „Lohengrin” Ideen. Ich werde also hier so ziemlich jede Saison eine Neuproduktion singen. Was sich nach kontinuierlicher Zusammenarbeit anhört. Dann würde ich eventuell auch wieder nach München ziehen.

Schlägt das Pendel wieder in Richtung Ensemblesystem zurück?
Suchen sich die Häuser ihre Stücke bald nach ihren Sängern aus - und nicht mehr nach dem geplanten Regisseur? Das wäre genial. Das ist ein bisschen verloren gegangen: mit den Sängern arbeiten, sie fragen, was sie anstreben. Es bringt ja einem Haus auch was. Die Sänger bleiben gern, bieten bessere Leistung, weil sie sich geschätzt fühlen. Nachdem ich meinen zweijährigen Vertrag in Saarbrücken aufgelöst hatte, bin ich viel weniger krank gewesen.

Komischerweise haben Sie weder einen Münchner noch einen Schweizer Dialekteinschlag.
Ich könnte, wenn ich wollte, auf Züridütsch umschalten. Und mit Münchner Freunden rede ich auch Bairisch. In meiner Familie wurde eben relativ hochdeutsch gesprochen. Manchmal ist Dialekt in unserem Beruf auch hinderlich. Ich habe einen Kollegen aus dem südlichen Schwaben, der hatte massive Probleme beim Singen. Seine Idee von Vokalfärbung hört sich eben etwas anders an.

Was hat denn Zürich, was andere Opernhäuser nicht haben?
Geld (lacht). Durch privates Sponsoring können Sänger mit relativ wenigen Pflichtterminen ans Haus gebunden werden. Normalerweise geht ein Festvertrag ja in Richtung Leibeigenschaft. Wer in Zürich mehr singen will als vereinbart, bekommt auch mehr Geld. Also nicht wie an anderen Häusern, die mit Terminpaketen arbeiten: Je häufiger man sich dort verpflichten lässt, desto billiger wird man pro Abend gerechnet. Das monatliche Gehalt gibt mir Sicherheit. Und die Möglichkeit, ein Privatleben aufzubauen. Leider ist ein derartiges Modell einmalig. Auch in München war das früher anders. Viele berühmte Sänger ließen sich ans Haus binden und gingen auf dieser Basis in alle Welt, kamen aber auch gern nach Hause zurück. Das Gespräch führte Markus Thiel Foto: Marcus Schlaf






 
 
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