Tagesspiegel, 12.05.2023
Von Malte Neumann
 
„Ich will die Menschen in schweren Zeiten unterhalten“
Startenor Jonas Kaufmann kehrt zurück in die Berliner Waldbühne
Vor seinem Konzert am 8. Juli spricht der Opernsänger über seine Erinnerungen an die Waldbühne, Sopranistin Rachel Willis-Sörensen und Emotionen in der Musik.
Gut gelaunt sitzt Jonas Kaufmann in einem lichtdurchfluteten Salon des Clubhauses am Olympiapark. Um sein neues Konzert zu bewerben, hat der 53-jährige Opernstar zum Pressegespräch eingeladen. Am 8. Juli tritt er gemeinsam mit der Sopranistin Rachel Willis-Sörensen und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in der Waldbühne auf.

„Wenn sich die Waldbühne von ihrer schönsten Seite zeigt, entstehen unvergessliche Abende“, sagt Kaufmann und guckt aus dem Fenster in Richtung der Bühne. Passend zum strahlenden Sonnenschein trägt er ein hellblaues Hemd, darüber ein cremefarbenes Sakko. Das braungebrannte Gesicht und der fein rasierte Vollbart verleihen ihm eine sommerliche Frische.

Vertrauen und Spontanität auf der Bühne
Vor fünf Jahren war der Tenor das erste und bisher letzte Mal zu Gast in der Berliner Waldbühne. Kaufmann erinnert sich an einen einzigartigen Abend, wie er sich nur in einer Open-Air-Kulisse ereignen kann. Es sei Regen angesagt gewesen. Deswegen schlug Kaufmann seinem Publikum vor, mit der geplanten Pause auf den Regen zu warten. Das Publikum war einverstanden. Kaufmann sang und sang, einzig der Regen blieb aus. „Wir haben bis zum Ende durchgespielt“, sagt der Deutsch-Österreicher und strahlt.

Spontan zu sein, sich von der Stimmung mitreißen zu lassen: Das ist es, was Kaufmann elektrisiert, wenn er auf den größten Bühnen der Welt auftritt. Nicht mit jedem Kollegen sei das möglich, schränkt Kaufmann ein und setzt zu einem Loblied auf Willis-Sörensen an. „Rachel hat nicht nur eine unverwechselbare, strömende Stimme, sie ist auch ein Mensch zum Pferdestehlen.“

Für Kaufmann ist diese Qualität mindestens so wichtig wie die des Gesangs. „Es gibt Kollegen, bei denen man vorsichtig sein muss, bloß keinen Ton zu lange zu halten. Das ist schade, weil es doch gerade schön ist, wenn man den Moment miteinander genießen kann.“

Was die 1920er und die 2020er gemein haben
Doch nicht nur seine Kollegin und die Bühne lassen Kaufmann auf einen begeisternden Opernabend hoffen. Als er auf das Programm zu sprechen kommt, gerät der Deutsch-Österreicher ins Schwärmen. „Unterm Sternenzelt“ hat er es betitelt. Im ersten Teil singen Kaufmann und Willis-Sörensen Arien und Duette von Leoncavallo, Puccini und Giordano aus den 1890ern. Im zweiten Teil folgen Schlager von Lehár und Strauß aus den 1920ern und 1930ern, darunter Klassiker wie „Dein ist mein ganzes Herz“.

„Die 1920er Jahre haben etwas Frivoles, es wird viel Unerhörtes charmant durch die Blume gesagt. Und so wilde Jahre hat Berlin weder zuvor noch danach erlebt.“ Die Leichtigkeit, die die Kompositionen versprühen, stehen für Kaufmann in Kontrast zu den schweren Zeiten in der Weimarer Republik in den 1920er Jahren. Darin sieht er eine Parallele zur Gegenwart. Heute müssten die Pandemie, der Ukraine-Krieg und die Inflation bewältigt werden.

Am 8. Juli will Kaufmann nicht nur selbst einen berauschenden Abend erleben. Er will vor allem seinem Publikum ermöglichen, für einige Stunden seine Sorgen zu vergessen. „Ich sehe mich als Unterhalter. Ich will meinem Publikum Momente des Glücks bereiten in Zeiten, in denen es vielen nicht gut geht.“
















 
 
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