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Salzburger Nachrichten, 01.09.2015 |
Von Apa |
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Kaufmann: "Puccini ist vielleicht bedeutendster Opernkomponist"
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Jonas Kaufmann ist im Puccini-Fieber.
Am 11.
September erscheint mit "Nessun dorma" die neue Platte des Startenors, am 8.
Oktober läuft mit "Ein Abend mit Puccini" der Mitschnitt eines
Scala-Konzerts weltweit in den Kinos, und mit "The Age of Puccini" ist auch
ein flankierendes Album am Markt. "Puccini ist der - wie ich finde -
vielleicht bedeutendste Opernkomponist", erklärt Kaufmann die Fülle.
Er empfinde Puccini im Vergleich zu Verdi als den Moderneren, konstatierte
der 46-jährige Starsänger in Salzburg vor Journalisten: "Bei Puccini sind
die Melodien vielleicht etwas komplexer, aber der ganze Musikstil, pure
Emotion in Noten zu packen, ist auf eine Art gemacht, die man sehr modern
nennen kann. Man hat das Gefühl, dass das von jemandem geschrieben wurde,
der fast so denkt wie wir."
Und so hat Kaufmann auf sein
Puccini-Album, bei dem ihm bei einigen Arien Kristine Opolais Gesellschaft
leistet, nicht nur die großen Repertoirehits wie "Madama Butterfly", "La
Boheme" oder die "Tosca" gepackt, sondern sich auch unbekanntere Partien wie
den Roberto aus "Le Villi" oder den Edgar aus der gleichnamigen Oper
erarbeitet. Auch diese Frühwerke seien zweifelsohne interessant. "Es ist
sicher nicht so, dass eine Oper wie 'Le Villi' von Anfang bis Ende ein
Meisterwerk ist", gesteht der Sänger zu. Aber die Leistung sei für einen
jungen Mann von unter 20 beeindruckend.
Natürlich sei das Jugendwerk
nicht vergleichbar mit einer "Fanciulla del West": "Das ist wahrscheinlich
die modernste von allen Opern, die er geschrieben hat. Da prallen die
verschiedensten schrägen Töne aufeinander." Eine "Turandot" erscheine ihm
dagegen klanglich wie vergoldet. Dies sei auch einer der Gründe, weshalb die
titelgebende Hitarie "Nessun dorma" am Ende der CD-Auswahl stehe. "Wenn man
mit 'Nessun dorma' anfängt, haben die anderen keine Chance mehr. Gegen diese
letzte Nummer kommt keiner an." Dabei sei die Arie eine Heilige Kuh für ihn
gewesen, die er auch nie im Konzert gesungen habe, bis er sich jetzt mit dem
Stand seiner Stimme erstmals drüber traue: "Etwas Populäreres an klassischer
Musik wird man nicht finden."
Zugleich sei Puccini etwa im Vergleich
mit Verdi keineswegs leicht zu singen. Beim Spielen einer
Verdi-Orchesterbegleitung ohne Sänger würde man eine Arie fast nicht
erkennen: "Da ist eine wie die andere." Der Vorteil für den Sänger sei, dass
er von keinem Instrument gedoppelt werde und damit große Freiheit habe. Bei
Puccini sei dies anders: "Bei Puccini können Sie die ganze Oper hören, ohne
dass einer jemals singt, und es ist eine traumhafte Musik, weil keine Note
fehlt." Da müsse man sich als Sänger erst einmal behaupten.
Immerhin
hat sich der deutsche Tenor mit der Accademia Nazionale di Santa Cecilia
unter Antonio Pappano ein absolutes Spitzenorchester fürs italienische Fach
an die Seite geholt: "Die haben das richtige Feeling, die richtige
Tongebung." Und allesamt seien sehr begeisterungsfähig. "Toni Pappano hat
wohl noch nie einen Takt dirigiert, ohne dabei wahnsinnig involviert zu
sein", freute sich Kaufmann. Ob es denn mittlerweile angesichts seiner
starken Präsenz Dirigenten gibt, die Angst haben, mit ihm zu arbeiten? "Das
kann ich nicht sagen - die treffe ich ja dann wahrscheinlich nicht." Aber
natürlich gelte der Grundsatz: "Ich stelle mich gerne in den Dienst der
Sache, aber nicht in den Dienst des Erfolgs eines Dirigenten."
Dennoch sei das Anstrengende in der jetzigen Phase seiner Karriere nicht die
Arbeit an der Musik. "Das Rundherum ist anstrengender als das, was man auf
der Bühne macht." Schließlich sei er ständig auf Reisen, und es vergehe
praktisch kein Tag ohne Anfragen: "Ich traue mich schon gar nicht mehr zu
sagen, dass ich im Auto sitze. Dann sagt immer einer: Das ist doch ideal für
ein Telefoninterview." Zugleich sei klar, dass er als Sänger eine kürzere
Karriereerwartung habe als viele andere Künstler, weshalb er auch nicht
zurückschalten wolle: "Wenn der Gedanke käme: Ich könnte mal drei Monate
freinehmen, ist das relativ alarmierend, weil das bedeutet, dass man die
Freude ein bisschen daran verliert, weil es zu viel wird."
Und so
bleibt es nicht bei der einen CD-Veröffentlichung, geht Kaufmann doch mit
seinem Puccini-Programm auch auf Tournee, wobei hier noch kein
Österreich-Termin fixiert ist. Reiseunwillige heimische Interessenten müssen
sich da mit dem Konzertmitschnitt aus der Mailänder Scala begnügen, für den
Regieroutinier Brian Large verantwortlich zeichnete und der am 8. Oktober im
Kino zu sehen ist, bevor die DVD veröffentlicht wird. Außerdem werden noch
heuer mit der "Fanciulla del West" 2013 aus der Wiener Staatsoper und der
"Manon Lescaut" 2014 aus London zwei Puccini-DVDs mit Kaufmann auf den Markt
kommen. Und dann ist mit "The Age of Puccini" ja noch eine CD mit einigen
älteren Arien von Puccini und seinen Zeitgenossen neu zusammengestellt
worden.
Und auch bei seinem ersten Auftritt im Rahmen der legendären
Londoner "Last Night of the Proms" am 12. September hat Kaufmann drei
Puccini-Arien im Talon. "Da darf man keine Hemmungen haben und meinen, man
hat den Bildungsauftrag mit völlig unbekannten Stücken. Wenn ich da 'Nessun
dorma' nicht singe, werden sie mich wahrscheinlich steinigen", meint der
Sänger lachend. Wirklich spannend wird aber voraussichtlich seine
Interpretation von "Rule Briannia" - der Hymne, die bei den Proms erstmals
von einem Deutschen gesungen wird.
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