Es klingelt, und Jonas Kaufmann stürmt in die
Eingangshalle des Hauses von Gabriele und Gerd Strehle am Tegernsee. So
temperamentvoll, wie der Sänger jetzt durch die Räume im Erdgeschoss
wirbelt, agiert er wohl auch auf den Bühnen der Welt — als Don José in der
Bizet-Oper “Carmen“ oder als Lohengrin. Groß, präsent, die Locken vom Wind
zerzaust, ist der 40-Jährige die Traumbesetzung für Heldenrollen. Und in den
Augen von Gabriele Strehle die Verkörperung des “Strenesse-Mannes“. Er
stellt seine Qutfits aus der Kollektion des Labels gemeinsam mit Gabriele
Strehle zusammen. Auch sonst entdecken die Designerin und der Tenor im
ELLE-Gespräch vieles, was sie verbindet.
Jonas
Kaufmann: Ich habe festgestellt, dass auch in meinem Business die
Weisheit gilt: Kleider machen Leute. Erscheinst du zu lässig zu einer Probe,
kommen die anderen in Versuchung, dich herumzukommandieren. Ich habe mir
daher angewöhnt, zur Probe immer ein Oberhemd anzuziehen.
Gabriele Strehle: Da wirst du vermutlich gleich
ein paar Stufen höher einsortiert ... (Lacht.)
J.K.: Ja. Dank unserer Zusammenarbeit habe ich
jetzt Kleidung gefunden, in der ich mich wirklich wohl fühle. Wenn ich sie
anziehe, habe ich nicht das Gefühl: Jetzt schlüpfe ich in meine
Businesshülle. Trotzdem strahlen die Sachen die Eleganz aus, die mir den
nötigen Respekt verschafft.
G. S.: Deine Karriere ist ja — wie meine — nicht
schnurgerade wie eine Autobahn verlaufen, du hast sie dir mit harter Arbeit
erkämpft. Und es verbindet uns noch etwas anderes: Wir sind beide
romantische Menschen. Ich kann das Wort “cool“ nicht mehr hören. Cool sein
bedeutet, seine Gefühle zu verdrängen. Ich sehe die Aufgabe von uns
Künstlern auch darin, der Gesellschaft Wärme zu geben. Wenn du singst, reißt
du das Publikum mit.
J.K.:
Das funktioniert aber nur, wenn die Gefühle, die ich in die Rolle
hineinlege, echt sind. Ein Sänger kann zwar versuchen, den perfekten Ton
zu kreieren. Aber das
allein rührt nicht an. Nur wenn die Musik aus einer echten Empfindung
gespeist wird, bewegt sie die Menschen. Es geht um Ehrlichkeit.
G. S.: Ja, um
Authentizität. Sie ist der Maßstab, wenn man Qualität schaffen will. Wir
waren zu Hause vier Kinder. Wir hatten nicht viel. Aber das Wenige, was wir
hatten, war sehr wertig — ob es das Essen war oder das Umfeld. Dieses
Prinzip übertrage ich auf die Mode: Es geht darum, den Schnitt auf das
Wesentliche zu reduzieren, so dass andere sich an den Menschen erinnern und
nicht an das Kleid.
J. K.: Um diese
Qualität zu schaffen, von der du gerade gesprochen hast, braucht man
Bodenhaftung. Familie, Freunde. Mein Zuhause ist meine
Kraft-Produktionsmaschine. Wenn der Erfolg eine zu große Bedeutung gewinnt,
besteht die Gefahr, dass man ihn wieder verliert. Weil man krampfhaft
versucht, das, was einmal gut funktioniert hat, zu reproduzieren. Das ist
der Tod der Kreativität. Man darf nicht aufhören, nach dem Authentischen zu
streben.
G.S.: Bei mir
war es so, dass ich mir ganz am Anfang darüber klar werden musste, in welche
stilistische Richtung ich mit Strenesse gehe. Auf dieser Linie muss ich
immer wieder aufbauen, sie muss jedes halbe Jahr neu aufbereitet werden.
J.K.:
Die Natur macht uns das ja vor: Es gibt eine Wurzel, aus der jedes Jahr eine
neue Pflanze entsteht. Eine der vielen wunderbaren Seiten an unserem Beruf
ist ja, dass wir nie zweimal das Gleiche kreieren. Man muss immer wieder
über sich selbst nachdenken, findet jedes Mal etwas Neues.
G.S.: Diese
permanente Suche nach dem Neuen, das ist eine sehr romantische Sehnsucht
J. K: Ja, die
Romantiker waren immer auf der Suche nach der blauen Blume. Sie ist das
Symbol für ein Ziel, auf das wir hinarbeiten. Träume und Sehnsüchte treiben
uns voran. Aber wir dürfen nicht vergessen: Der Weg zu diesem Ziel — das ist
unser Leben. Das sollten wir jeden Tag so intensiv genießen, wie es geht.
PROTOKOLL: ELKE KRÜSMANN
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