L'interprète musicien, septembre 2010
Original: Rémy Stricker/deutsche Übersetzung: Doris
 
Jonas Kaufmann : eine ideale Präsenz
 
Seit 4 oder 5 Jahren vollzieht sich eine einstimmige Kritik für Jonas Kaufmann. Wenige Sänger verdienen in der Tat in dem Masse wie er als " internationaler Star " anerkannt zu werden. Es scheint, dass ich deshalb heutzutage nichts dem hinzuzufügen hätte, nach solchen berechtigten Lobreden, nach veröffentlichten Unterhaltungen mit dem Sänger, die von ihm ein Bild geben, obendrein glücklich zu sein über soviel Medien-Ehre.

Zu allem Übermaß ein offensichtliches Paradox, ich habe ihn niemals im Konzert oder in der Oper gehört, ich kenne nur seine Platten und DVDs und gewisse Sendungen im Fernsehen. Aber einerseits bin ich gewiss nicht der einzige, der einen so großen Künstler bewundert ohne ihn live gehört zu haben .Andrerseits welches auch die künstlichen Raffinessen der heutigen Technik seien, die die Aufnahmen von Ton und Bild beeinflussen, ermöglichen sie durch Vergleich die " ideale Präsenz " einer Stimme und eines Interpreten nachzuweisen, mehr oder weniger natürlich als klanglichen und visuellen Ersatz. Das birgt in sich ein interessantes Problem zwischen Interpret und Zuhörer, welches die Arbeit unseres Seminares darstellt; die untrennbare Verkettung dieser beiden Instanzen . Ich komme darauf bald zurück.

Ein zweiter Punkt, der bisher von der offiziellen Kritik noch nicht erwähnt wurde, verdient Überlegung: bis zum Jahre 2006 war die professionelle Laufbahn von Jonas Kaufmann in den deutschsprachigen Opernhäusern vielmehr im Verborgenen. Er hatte zwar einige Schallplatten aufgenommen, die aber kaum die Aufmerksamkeit auf ihn zogen, nicht mal die meinige, nachdem ich sie gehört hatte, was ich gegenwärtig noch einmal versuchen könnte. Was kann man von einer so verblüffenden Entfaltung halten ?


Hören und Sehen

Beginnen wir mit dem ersten Argument. Als ich mich fragte mit welcher Rechtfertigung ich mich an dieses Thema begebe, habe ich mich an meine Erfahrung mit Maria Callas erinnert. Ich habe wie viele andere auch, etliche Jahre damit zugebracht nur die Aufzeichnungen von ihr anzuhören, bevor ich sie im Konzert und in der Oper während ihrer letzten Auftritte erlebt hatte. Aber welches konnte meine Emotion in diesem Augenblick dort sein , denn ich hatte mir schon genauer gesagt ein Klangbild von dem gemacht, was ich eine « ideale Präsenz » von einer Stimme und eines Interpreten aus zahlreichen Aufzeichnungen her kenne; und wenn ich zu Recht denken kann, dass die technische Wiedergabe zu dieser Zeit weniger ausgeklügelt war, wie sie heute ist, sie vermied trotzdem nicht einige geläufige Ungenauigkeiten dieser Zeit, so zum Beispiel die Sättigungsgrade. ( points de saturation ) Die Callas war trotzdem für mich nicht weniger wie für alle die anderen, die sie schon leibhaftig in ihrer musikalisch und dramatischen verblüffenden Art erlebt hatten, die erstaunlichste Interpretin des Jahrhunderts.

Obwohl die klangliche Wiedergabe heutzutage von einigem Fortschritt profitiert, kann das gleiche Problem von neuem auftauchen, wenn rücksichtslose Kunstgriffe von Montage und Mixage eine Verschönerung des wirklichen Tones versuchen- oft schlimm, obwohl mit guten Absichten-.
Die Schallplatte von Jonas Kaufmann « Romantic arias « ist mit einem « surround » Ton ausgestattet, der das Orchester und die Stimme in einem übertriebenen Nachhall ertränkt. In der Arie des Mario der Oper Tosca « E lucevan le stelle « ist die Klarinette ebenfalls mehr präsent als die Stimme.

Wie für den Rest der Schallplatte ist die Orchesterführung sehr neutral, die sich kaum Sorgen über die verschiedenen Stile des Recitals macht, wo man Berlioz wie Verdi oder Bizet wie Wagner findet, lediglich für Massenet scheint es zu stimmen. Dazu im Gegensatz die verblüffende Wandelbarkeit des Sängers. Aber diese neuen Unvollkommenheiten, auch wenn sie mein Ohr verwunden, verhindern nicht, dass man sie mit anderen Schallplatten vergleicht ( zum Beispiel mit « Sehnsucht « , dirigiert von Claudio Abbado)um mir ein mehr getreueres Klangbild zu geben. Außerdem sind die live Übertragungen des Fernsehens für verschiedene Manipulationen weniger anfällig, weil sie eben live sind ( Tosca in München ).

Ein anderes Beispiel für die Tonaufnahme betrifft die beiden einzigen Schallplatten mit Liedern und Piano. In der von Strauss ( aufgenommen im Jahre 2005 ) gibt das Gleichgewicht zwischen Stimme und Piano einen merkwürdigen Eindruck: ein Piano im Vordergrund ,eine Stimme durchdringend aber in die Ferne gerückt, als ob sich der Sänger seltsamerweise hinter dem Instrument befände und noch mit mehr Nachhall als dieses. ( Heimliche Aufforderung ) . Im Gegenteil für die « Schöne Müllerin « von Schubert( aufgenommen im Jahre 2009 )ist das Gleichgewicht natürlich. Aber die Stimme scheint nicht mehr dieselbe und das mit nur 4 Jahren Unterschied. Warum und wie?


Ein langer Reifeprozess

Man trifft hier auf ein zweites Argument meiner Überlegungen: das brüske Auftauchen eines Tenores vor 4 Jahren, der bis dahin wenig beachtet wurde, obwohl er das 30 .Lebensjahr überschritten und lange Jahre in Deutschland in der Truppe der Oper hinter sich hatte und nur einige Schallplatten eines wenig bekannten Repertoires aufgenommen hatte. Alles dieses hatte bis dahin nicht das Renommee erweckt, dessen er sich heute erfreut. Es genügt einige seiner Schallplatten anzuhören, um zu verstehen, was sich geändert hat. Zum Beispiel der « Wampyr » von Marschner, aufgenommen 1999 ,wo er die Rolle des Aubry darstellt.

In Bezug auf das, was man heute hört, hat die Stimme an Reichtum in allen Registern gewonnen, und besonders die hohen Töne sind mehr geöffnet und mehr rund und eine erweiterte Skala von Nuancen ist vorhanden. Es scheint mir, dass man hier das Beispiel einer Karriere hat, die bescheiden begonnen hat und fortgesetzt wurde mit Arbeit und Intelligenz. Das ist nicht so häufig heute , wo viele jungen Sänger sich zu früh in die Arena werfen. Das erinnert vielmehr an ein berühmtes Beispiel, das schon einige Zeit her ist; es war Kirsten Flagstad, die im Alter um die 40 herum die Anerkennung als weltweite Wagner-Sängerin erlangte, nachdem sie jahrelang verschiedene Rollen in Oslo gesungen hatte. Es gibt ein weiteres Beispiel einer langsamen Anerkennung für Montserrat Caballé. Übrigens Jonas Kaufmann bestätigt es deutlich in einem Interview:

Gibt es heute noch eine große Schule des deutschen Gesangs ? Unterrichtet man heute den Gesang noch ebenso gut wie früher mit einer klaren Aussprache ?

Nein, wie überall, das verliert sich. Vielleicht weil es Mode ist schnell Karriere zu machen, um schnell viel Geld zu machen, aber danach ......
Als ich begonnen hatte war mein erster Vertrag in Saarbrücken in der Truppe, ich sang 14 oder 15 Rollen in 2 Jahren, das war wirklich sehr hart. Da habe ich gelernt, was ich mir erlauben konnte, was nicht gut für die Stimme war und vor allen Dingen nein zu sagen. Das ist wirklich sehr wichtig. Dort sang ich schon sehr unterschiedliche Sachen wie Andres in Woyzeck, Don Ottavio, Nemorino, Caius in Falstaff, ein Abend eine Rolle, den folgenden Abend eine andere, usw..

Man kann sich noch eine Vorstellung von der Verwandlung machen, wenn man sich die Arie des Fierrabas von Schubert in der Produktion der Züricher Oper von 2006 anhört. Ich habe nicht die ganze Wahrheit zu Anfang gesagt, als ich behauptete, ich hätte den Sänger niemals in der Wirklichkeit gehört. Das ist tatsächlich geschehen während einer Aufführung in Paris im selben Jahr. Ich war sogar damit beauftragt eine Kritik zu schreiben und ich fand sowohl die Inszenierung wie die musikalische Leitung höchst anfechtbar. Und bei einer so mittelmäßigen Aufführung hat sich nicht einmal für mich der Darsteller der Titelrolle hervorgehoben. Als Jonas Kaufmann 2 Jahre später dieselbe Arie des Fierrabas in seiner Schallplatte « Sehnsucht » aufgenommen hatte, dirigiert von Claudio Abbado, war einmal mehr alles verändert: Subtilität der Nuancen, hohe klare Töne und weniger erzwungen, eine wunderschöne Grundlage des Klanges in einer etwas dunkleren Klangfarbe, dem Klang eines Baritons ähnelnd.

Solche Verwandlung lässt fast an die biblische Legende eines anderen Jonas denken, der 3 Tage lang an der Seite eines Fisches geblieben ist, bevor er seine Mission erledigen konnte, die Gott ihm aufgetragen hatte. Ernsthafter gesagt, diese Verwandlung ist zugleich das Ergebnis einer physischen Entwicklung der Stimme, einer Erfahrung über lange Zeit gereift und ohne Zweifel einer guten Arbeit. Heute ist er zu der Stunde der Wagner Tenor, den man seit langer Zeit nicht mehr gekannt hat, heute Lohengrin, Walther oder Parsifal, morgen ohne Zweifel Tristan oder Siegfried. Aber außerdem ein Interpret von Verdi oder Puccini, weitaus weniger verschnörkelt als die italienischen oder lateinischen Tenöre. Natürlich fühlt er sich wohl in den deutschen romantischen Opern ( Beethoven, Weber)und gleichfalls begeisternd als Don José oder Werther mit seinem Stil und einem Französisch, das ebenso echt klingt wie sein Italienisch.

Dass man an die Callas denkt für ihre Lebendigkeit, ihre Vortragskunst, für ihre Ausdrucksweise der italienischen oder französischen Oper, an Julia Varady für ihre vokale Schönheit bei Mozart, Verdi oder Wagner, so sehe ich heute keinen Sänger, der eine solche erstaunliche Beherrschung der Mannigfaltigkeit wachruft. Und es ist wahr, dass man seit Jon Vickers keinen Heldentenor gehört hat, der auf der lyrischen Szene alle Feinheiten der Interpretation des Liedes oder der Melodie hervorbrachte.

Wenn Jonas Kaufmann singt « La fleur que tu m'avais jetée « in Carmen , denkt man vielmehr an eine französische Melodie als an eine Arie der Oper und « Winterstürme wichen dem Wonnemond « » in der Walküre an ein deutsches Lied. Und was ist mit dem Interpreten bei den Liedern von Strauss und Schubert ? Das ist vielleicht der einzige Schatten, den ich auf dem Bild sehe. Die Lieder von Strauss gehören noch der vorkaufmannischen Epoche an. Selbst wenn die Interpretation zart ist ohne Manierismus, die Stimme strahlt noch nicht dermaßen, dass man die großen Vorgänger, insbesondere vielmehr die Soprane, ehrlich gesagt, als die Tenöre, vergisst.

Aber wenn er 2009 « Die schöne Müllerin « aufnimmt, so ist die Hauptsache die Natur der Stimme und die Verschwägerung mit dem Lied. Die erstere scheint nicht seine Zuständigkeit zu sein. Die hohen Register von den Noten e oder f explodieren, außer wenn es in der Kopfstimme ist, was nicht immer wünschenswert ist, sonst sind sie metallisch und man fühlt sehr die Oper; die Mittellage ist tief, viel freier und gibt dennoch nicht den Eindruck der gewollten Jugendlichkeit, vielmehr die eines ein wenig abweisenden Erwachsenen. Was die stilistische Ähnlichkeit mit dem Lied betrifft – abgesehen von seinen bedeutenden Reserven – so erkennt man dort im Gegenteil die seltenen Qualitäten eines Jonas Kaufmann: reine und genaue Aussprache, jedes Wort zur Geltung zu bringen ohne Übertreibung ohne Effekthascherei, wunderschöne Momente in den Nuancen im piano oder mezzo forte; Aber diese Augenblicke, so gut sie auch seien, versöhnen trotzdem nicht den Müller mit seinem Interpreten. Der Grund liegt ohne Zweifel in einer Stimme, die zu umfangreich für das Lied ist Das war auch der Fall bei Kirsten Flagstad ,die eine enorme Ausschmückung des Orchesters brauchte , um ihre Stimme zu entfalten.

Eine solche Kritik ist natürlich nur zur gegenwärtigen Stunde etwas Wert, im Hinblick auf seine Entwicklung kann man nicht vorhersagen, wie der Sänger in der Zukunft in den Bereich des Liedes tiefer eindringen wird, das ihm bis jetzt noch nicht so gelingt wie das weite lyrische Feld, das das Seinige ist. Bereich wo die Schönheit des Timbre, die Begeisterung und der Pulsschlag der Ausdruckskraft, die Verschiedenheiten der Nuancen und Farben sich mit einer seltenen Schlichtheit des Ausdrucks vermählen, die eher eine Tiefgründigkeit offenbaren


Ein Schauspiel- Interpret

Sie haben in einer Zeitung erklärt: « Ich liebe nicht mein Bild als sexy Tenor » ja , wenn ein Urteil für meine Arbeit sich auf dieses Bild reduzieren würde, akzeptierte ich es nicht. Aber wenn jemand sagt, wie ich singe und hinzufügt, dass ich ein sexy Tenor sei, dann akzeptiere ich dieses. »

Um nicht nur von dem Ton dieser Stimme zu sprechen, muss ich noch etwas von seinem physischen Erscheinungsbild sagen. Es scheint in Übereinstimmung mit den Kriterien des 21. Jahrhunderts zu sein. Es ist wahr, dass Jonas Kaufmann ein hübscher Mann ist: schlanke Silhouette, Eleganz der Bewegungen, klare Gesichtszüge, niemals verformt durch die Anstrengung, selbst dann wenn die Kamera ihn in Großaufnahme aufnimmt; im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen, die eine pathetische Mimik anzeigen um äußerlich einen Ausdruck zu kompensieren, den sie innerlich erzeugen. Das emotionelle Engagement zeigt sich bei ihm ebenso maßvoll wie konzentriert. Das, was man hören wird, zeigt sich bevor sich eine Klangkurbe von bewundernswerten Konturen abzeichnet. Jede seiner Videoaufnahmen zeigt dieses Versenken in das Gefühl, das er ausdrückt;

Ich drücke meine wirklichen Gefühle aus, wenn ich singe. Sie zeigen die Freude, das Heldentum, die Zerstörung....Und wenn sie das dem Publikum bieten, so betrachten sie sich selbst im Innern, sie sehen ihre Seele und das ist etwas, was erschrecken kann, denn das heißt, das alle diese Sachen in ihnen sind, alle ihre Gedanken, ihre Gefühle sind in ihnen.

Es ist ebenso rührend den Sänger zu beobachten, wenn er seine Partner zuhört, indem er wartet, sind alle seine Sinne sehr wach, seine fast Unbeweglichkeit, seine Schlichtheit in seiner Haltung........

Wieviel Abende singen Sie pro Jahr ? 70 ?
Nein, 55 ungefähr ; mit meinen Sängerfreunden haben wir beschlossen, dass 60 das Maximum sei und wenn einer von uns diese Zahl überschreitet, werden die anderen ihm eine Bemerkung zukommen lassen.

Nun zwischen Leidenschaft und Vernunft haben wir nicht das Recht alles von einem solchen Künstler zu erwarten ?


Unter dem Einfluss des Verismo

Wenig zufrieden mit einer solchen Schlussformulierung und auch kaum möglich eine andere zu finden, einige unsichtbare Cyrano flüstern mir zu, dass es ein bisschen wenig war .........
Ich bilde mir allerdings ein, ein Ereignis, einen Beginn beschrieben zu haben. Allerdings hat mich das Erscheinen der letzten Schallplatte von Jonas Kaufmann davon überzeugt, dass ich auf halbem Wege stehen geblieben bin, als wenn die Wahl meiner Worte ,um von meiner Rührung zu sprechen, unter der Kontrolle vernünftiger Grenzen geblieben sind. Nun hat mich der Interpret weiter geführt, was ich mir vorstellte, zu beschreiben. Ich hatte die Wirkung dieser veristischen Arien nicht vorgesehen, um so weniger ( noch ein Zugeständnis ! ) als diese Art von Musik mich nicht besonders wissbegierig macht .Außer einer Ausnahme von Puccini oder Boito habe ich mich oft sehr schnell gelangweilt von diesem Pathos , gewiss aufrichtig, aber es schien mir nichts desto trotz dass es die Szene überschwemmte.

Ich habe begonnen, diese Schallplatte anzuhören schon wegen der Schönheit der Stimme, dann mehr und mehr gewonnen durch die Verschiedenartigkeit des Repertoires ( umfangreicher als das mir schon vertraute, berühmte Cavalleria Rusticana oder Pagliacci ) wiedererschaffen wie eine neu Welt von Nuancen und Farben. Die unerwarteten Perspektiven, die sich jeden Augenblick offenbarten, öffneten eine der weitesten Landschaften ohne Zweifel bis zum alles umfassenden Gipfel: die Arie des Enzo » Ciel e mar » in der Gioconda von Ponchielli.

Ich hätte gern alles notiert, Note für Note genau von jedem Satz, von jeder Einzelheit, die den Vortrag modellierte . Nun, das war eine Verlockung. Vorausgesetzt, dass man sich fesseln lässt, gibt es nur eine Beschreibung Schritt für Schritt, die langweiligste Operation, die man lesen könnte. Man hinkt ständig hinterher, wenn man die Schwankungen, die die Intensität abstufen oder das Timbre variieren beschreiben möchte-ohne von den Worten zu sprechen- in der wirklichen Zeitfolge des klanglichen Zusammenhangs/der Verzauberung. Ich werde einen Kompromiss finden zwischen Analyse und Synthese, der sich bei der Lektüre etwas verdichtet, in dem man sich dem Ausdruck « Zuhören » nähert und alles lässt bis hierher, wie es war.

Wie kann man von nun an geschriebene Zeilen lebendig werden lassen, die von Nuancen und Farben handeln, von denen ich bisher als nur zwei Energiequellen gesprochen habe ? Misstrauisch gegenüber jeder emotionellen Beeinflussung des klanglichen Weges, den ich durchlaufen habe, habe ich Bild ( métaphore ) und Vergleichbarkeit ( analogie) gewählt, so wie es im Zuhören mir erschienen ist, selbst wenn ich es jetzt schriftlich ohne die Gemütsbewegung zu Papier bringen muss.

Das, was als Unmittelbarstes erscheint, ist das Spiel mit den Farben. Der Ausdruck, der in sich selbst schon metaphorisch ist, wenn es sich um Klangfarbe handelt, erlaubt, sich diesen Fragen des Timbre zu nähern, der dermaßen schwierig für jede Worterklärung scheint. Farben des Metalls oft benutzt für die hohen Töne oder die Lautstärke: Kupfer oder Blei, Stahl, Gold oder Silber . Oder in einer Sinnlichkeit noch intimer, das was man berühren kann , Seide, Velours, Pelz; Oder diese des Geschmacks, mild bis herb. Denn die Stimme des Sängers öffnet für mich jeden Augenblick eine solche Sinnesvorstellung. Außerdem ist das Prisma dieser Farbtöne untrennbar von einer enormen Palette von Nuancen. ( Ist es ein Zufall, das dieses Wort ebenso repräsentativ ist für Stärke und Farbe, visuelle wie klanglich.) Die Skala ist weitläufig, sie startet beim pianissimo, das nicht nur in sich selbst schon schön ist, aber mit Zärtlichkeit, Betäubung oder heftigem Schmerz beladen ist und geht bis zum schrecklichen Schrei der Freude, des Leidens, der Demenz.

Diese Verbindung zwischen Nuance und Farbe aber bereichert ohne Unterlass die Dramaturgie jeder Epoche: Musik des Wortes verschmolzen mit Musik des Tones. Sehr wenige Sänger ( wenn nicht Maria Callas oder Elisabeth Schwarzkopf )haben die Kunst dieses Kombinierens der beiden Parameter in einer ambivalenten Synthese, in einer kontrastreichen und rührenden Folge erreicht. Dermaßen, dass man zuweilen sich erlaubte bei ihnen einen Manierismus oder Theatralität festzustellen. Das ist kaum möglich hier- dennoch man hat es immer gemacht und man wird es noch machen, ohne Zweifel , Jonas Kaufmann verkörpert in sich selbst die Begriffe wie Liebe, Zärtlichkeit mit einer natürlichen Echtheit, selbst dann, wenn er sich an diejenigen wendet, die ihm zuhören.

Schließlich hat mich eine andere Sache in dem Dialog, den er mit mir kreiert, enorm verblüfft: eine Illusion , die die Männlichkeit und die Weiblichkeit versinnlicht, indem das männliche Timbre eines Baritons mit der weiblichen Klarheit der Kopfstimme vermischt ist; Augenblicke mehr oder minder vergänglich oder beharrlich, erleuchtend oder verdunkelnd sein natürliches Timbre des
Tenors.

Dennoch das Bild ( la métaphore) und seine Vergleichbarkeit ( l'analogie) zu erforschen, wie ich es gemacht habe, bagatellisiert nichts, solange das Ganze der Empfindungen sich herauskristallisiert als eine Art von Klassizismus. Selbstverständlich als Maßstab des Geschmacks, das ist genau, wie der richtige Ausdruck dafür benutzbar ist und verwirft alles ,was einem herbei gesuchten Effekt ähneln würde, um dieses veristische Repertoire, unterschiedlich von dem was ich mir vorstellte, zu verformen. Ich wusste schon, dass Jonas Kaufmann jede Emphase in Wagner, jeden Sentimentalität bei Massenet ausschloss, dem Don José in Carmen und dem Mario in Tosca eine menschliche Dimension gab, die ihren bekannten Charakter noch mehr adelten. Gegenwärtig schulde ich ihm ,nicht mehr genau zu wissen, was Verismus ist: zwischen fast kindlicher Unschuldigkeit des Frederico in L'Arlésienne de Cilea und der verzweifelten Liebe von Roméo von Zandonai, eine Folge von Arien, so intelligent ausgesucht, weist alle übertragenen Ideen zurück .

Ich verstehe, dass es eine Musik ist, die vom Interpreten offenbart ist und die ich liebe.
 






 
 
  www.jkaufmann.info back top