Bunte, 20.3.2008
Ulrike Reisch, Eva Schuberth
Wir haben wieder einen "Welttenor"!
JONAS KAUFMANN aus München singt sich in die Pavarotti-Liga
In der Opernwelt geht es auch nicht anders zu als im Fußball: Die größten Tenöre (so etwas wie die Ballartisten der Bühne) kommen derzeit aus Mittel- und Südamerika: Rolando Villazón ist Mexikaner, José Cura Argentinier, Juan Diego Flórez Peruaner. Doch jetzt gibt es den Münchner Jonas Kaufmann, 38. Aussehend wie ein Latin Lover und mit einer wunderbaren Stimme gesegnet. Einer für die Pavarotti-Liga. Wo kommt so einer plötzlich her?

Seinen Durchbruch hatte er nicht in der Heimat, sondern 2007 * an der Met in New York. Wieso das? „An den deutschen Opernhäusern und auch an der Wiener Staatsoper hat man ‚mich etwas verschlafen" sagt Kaufmann, als BUNTE ihn in Berlin im Hotel trifft. „Erst jetzt werde ich überall engagiert." Überall — das ist die stimmliche Champions League: Am Royal Opera House in London hat er gerade „La Traviata" mit Anna Netrebko gesungen, im April ist er mit „Manon Lescaut“** in Wien und 2009 gibt er den „Lohengrin“ zur Festspieleröffnung in München. Dazwischen fliegt Kaufmann immer wieder nach Zürich, seinen Lebensmittelpunkt, wo Ehefrau und Sängerkollegin Margarete Joswig sowie drei kleine Kinder auf ihn warten.

„Zum Glück stellt meine Frau im Moment ihre Karriere hintan und ist in erster Linie Mutter“, sagt Kaufmann. Aus Dankbarkeit packt er mit an, wenn er zu Hause ist, kocht („Das kann ich gut“) oder macht mit dem Nachwuchs Hausmusik.

Erfreulich uneitel ist er auch beim Interview, trägt lässig zerrissene Jeans, Surfer-Shirt und eine orangefarbene Salewa-Jacke. Darauf angesprochen, dass die „New York Times“ von ihm und Sopranistin Angela Gheorghiu in Anlehnung an Brad Pitt und Angelina Jolie als ‚Brangelina on Stage“ schwärmte, grinst er: „Es gibt Schlimmeres, das einem nachgesagt werden könnte, aber in erster Linie bin ich von Beruf Sänger und nicht Model oder Schönling.“Auf jeden Fall ist er seit Peter Hofmann der erste deutsche Tenor, der Weltkarriere macht. Ein Vorbild? Nein, auch wenn er mit Opernaufnahmen von Fritz Wunderlich aufwuchs. Sein Riesen-Repertoire, das von lyrischen Mozart-Partien übers italienische und französische Fach bis zu Wagners Heldenrollen reicht, lässt eher an Supertenor Plácido Domingo denken. Und Kaufmann ist auf dem besten Weg zum „Tenorissimo“: Er ist schon mal Exklusivkünstler beim Plattengiganten Decca.

Kann man Kaufmann live hören und sehen? Ja, im Juli gibt er einen Liederabend bei den Münchner Opernfestspielen, im Dezember ist er Solist bei Beethovens neunter Symphonie mit den Münchner Philharmonikern und seine CD „Romantic Arias“ ist gerade auf dem Markt.
Ulrike Reisch, Eva Schuberth
* 2006, nicht 2007
** Manon (Massenet), nicht Manon Lescaut (Puccini)






 
 
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