Frankfurter Neue Presse, 17. Mai 2006
Von Birgit Popp
Die Zwangsehe ist heute ein sehr ernstes Thema
Am 21. Mai hat an der Frankfurter Oper Bedrich Smetanas „Die verkaufte Braut" Premiere. Regie führt der Norweger Stein Winge.
Wenn unter der musikalischen Leitung des Frankfurter Kapellmeisters Roland Böer „Die verkaufte Braut" auf die Bühne kommt, wird Jonas Kaufmann in der Partie des Hans nach Frankfurt zurückgekehrt sein. Der deutsche Tenor, der seit 2001 zum Ensemble der Oper Zürich gehört, hatte seinen Einstand im Oktober 2005 am Frankfurter Opernhaus mit einem hochgelobten Liederabend gegeben.
Dem dunkelgelockten Mitdreißiger nimmt man den Typ des überschwenglich verliebten und zugleich listigen Knechts, der den Heiratsvermittler Kecal (Gregory Frank) austrickst und am Ende statt seines tölpelhaften Halbbruders Wenzel (Carsten Süß) seine Herzensdame Marie (Maria Fontosh) in den Ehestand führt, gerne ab. Persönlich sieht Jonas Kaufmann auch mehr die heitere als die ernste Note der 1866 uraufgeführten, gerne als Singspiel bezeichneten Oper: „Ich weiß, dass in letzter Zeit prinzipiell der slawisch-tragische Aspekt bei diesem Stück in den Vordergrund gerückt wird. Ich finde das aber schade. Smetanas ursprüngliche Idee war es, eine heitere Oper zu schreiben. Aber heute ist im westeuropäischen Kulturkreis die Situation, dass jemand verheiratet wird, nicht mehr normal. Mit dem historischen Hintergrund gesehen, war es sicherlich eine lustige Geschichte, zudem mit glücklichem Ausgang. Heute sieht man den Inhalt viel ernster, weil man sich über die Problematik viel mehr Gedanken macht. Das Thema Zwangsehen ist ja auch in Deutschland ein sehr aktuelles. Was das Musikalische betrifft, so ist in der Oper alles enthalten, sowohl heitere, lustige als auch melancholische Elemente. Im tschechischen Kulturkreis ist dieses Stück eine Nationaloper, ein Heiligtum."

Gefallen gefunden hat Jonas Kaufmann an seiner Partie bereits in jungen Jahren durch die Aufnahme der Oper mit Fritz Wunderlich als Hans. „Für jeden deutschen Tenor dient Fritz Wunderlich sicherlich als Vorbild. Neben der Strahlkraft seiner Stimme beeindruckt die Sentimentalität, die er in seiner Stimme besitzt. Man hört in seinen Tondokumenten, mit welchem Mitteilungsbedürfnis und mit wie viel Lebensfreude er singt, welche Gefühlswelt er in seine Stimme hineinlegt. Es gibt zum Beispiel eine Aufnahme der Lensky-Arie, die einen zutiefst berührt. Man könnte meinen, er stände wirklich kurz vor dem Selbstmord. Das ist sehr prägend, das gibt es nicht so oft, und es zeigt: Singen besteht nicht nur aus schönen Tönen, sondern soll einen packen."
Kaufmann hätte sich gefreut, wenn sein Rollendebüt auf Tschechisch stattgefunden hätte. „So ist es einfacher für die Zuschauer, aber in der Originalsprache hätten Musik und Sprache eine noch bessere Einheit gebildet." Das Verhalten von Hans, der Marie bis zuletzt über seine wahre Identität im Unklaren und sie an seiner Liebe und seinen lauteren Absichten zweifeln lässt, ist ihm allerdings auch in der genutzten, sehr genauen Übersetzung nicht klar geworden. „Sein Verhalten wirkt dadurch nicht weniger seltsam. Er spielt der Marie übel mit. Es hätte sicherlich die Möglichkeit bestanden, ihr zu einem früheren Zeitpunkt die Wahrheit zu sagen. Dass sie das anders interpretiert, dass ihn das alles nicht berührt, ist verständlich. Was als Motivation dahinter steht, lässt sich nur erahnen. "

Bedrich Smetana (1824–84), dem zeitlebens eine zu große Begeisterung für Wagner in seiner Heimat vorgeworfen wurde, gilt als heimlicher Verehrer Mozarts. „Wenn man sich die Struktur des Stückes betrachtet, ist dies sicherlich richtig, zum Beispiel im Vergleich mit ,Die Entführung aus dem Serail’. Musikalisch betrachtet, ist es aber eine andere Welt. Da gibt es folkloristische, slawische Elemente, die sich in der Komposition widerspiegeln und ihr das Lokalkolorit verleihen", so Jonas Kaufmann.
Das Repertoire des gebürtigen Münchners, der mit der Mezzosopranistin Margarete Joswig verheiratet ist, reicht heute vom Tamino in Mozarts „Zauberflöte" bis zum Parsifal, den er kürzlich am Opernhaus Zürich sang. „Je breiter das Repertoire ist, desto wohler fühle ich mich. Ich mag es, meine Stimme in den Ecken zu bewegen, nicht immer nur im Zentrum." An der New Yorker Met feierte der Sänger gerade erst sein Debüt als Alfredo in Verdis „La Traviata", im Herbst kommt der Don José in Bizets „Carmen" in der Londoner Covent Garden hinzu. „Der Don José ist sicherlich eine neue Herausforderung für mich." Zu den Partien, die er noch gerne singen möchte, zählen die Titelrollen in Jacques Offenbachs „Les Contes d’Hoffmann" und in Jules Massenets „Werther". Aber das sind eben nur Nebenwünsche. „Generell muss ich sagen, ich bin eigentlich wunschlos glücklich." So, wie der Hans am Ende in „Die verkaufte Braut".






 
 
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