Wiesbadener Kurier 13.05.00
KURIER-Redakteur Volker Milch
Er sprühte nur so vor Lebendigkeit
Mit Mozarts Oper "Così fan tutte" gastiert das Piccolo Teatro aus Mailand noch bis Sonntag bei den Maifestspielen. Die Inszenierung ist die letzte unvollendete Regie Arbeit des legendären Gründers des Piccolo Teatro, Giorgio Strehler. Der Regisseur, der 1996, aus Verärgerung über die Verzögerung des Neubaus, von der Leitung zurückgetreten war, kam 1997 als "künstlerischer Bevollmächtigter" an das Piccolo Teatro zurück. Mit "Così" sollte 1998 kurioserweise der Neubau eines Sprechtheaters eröffnet werden. Strehler hatte ein Faible für Mozart. Am 25. Dezember 1997 erlag er vor dem Abschluss der Proben einem Herzinfarkt.

Für die Sopranistin Janet Perry ist es nicht ganz einfach die Despina so durchzuhalten, wie Giorgio Strehler sie in seiner Inszenierung von Mozarts "Così fan tutte" sich wünschte: eine "bodenständige Frau", eine waschechte, wuchtige Neapolitanerin. Eine "Furba" wohl, würde man sie auf Italienisch nennen, eine schlaue gewiefte Person also, "aber nicht boshaft" wie die Sopranistin versichert. Mit dem schlauen Personal des Opern Repertoires, mit den Despinas und Susannas, hat Janet Perry viel Erfahrung, ob in Mailand, Wien oder Salzburg. Aber die Intensität von Strehlers Arbeitsweise, erzählt sie jetzt vor der ersten Wiesbadener Vorstellung am Freitag, könnte sie wohl nur mit der Jean Pierre Ponnelles vergleichen. "Auch ein Tyrann", sagt sie lachend, der keine Rücksicht auf Kosten nahm. Auch mit Ponnelle hatte sie das Kammermädchen erarbeitet, aber mit ganz anderem Ergebnis: "typisch französisch, leicht und kokett" eher die Schwester von Dorabella und Fiordiligi. Eine Inszenierung als unvollendeter Nachlass: Eine merkwürdige Situation sei das schon für die Sängerinnen und Sänger dieser Produktion. "Was hätte er getan?" würde man sich ständig fragen, sagt Janet Perry. Ein paar Wochen haben sie Strehlers Arbeit noch erlebt, dann der Schock seines Todes und die Frage wie mit dem skizzenhaften "Vermächtnis" umzugehen sei.

Mittlerweile wurde Strehlers "Così" über 80 Mal gegeben, in Mailand und auf Tourneen. Zur Premierenbesetzung Januar 1998 gehörte auch der junge deutsche Tenor Jonas Kaufmann der den Ferrando sang. Begeistert erzählt er von Strehlers Arbeit. "Ein ungeheures Energiepotenzial" habe er gehabt "vor Leben gesprüht" sich mit 76 Jahren während der Proben auf die Knie geworfen. Ein Extremist und Perfektionist des Theaters. Extrem aufwendig das Casting: rund 500 Vorsingen gab es für sechs Rollen. So etwas sei in einem normalen Theaterbetrieb überhaupt nicht denkbar. Bereits die erste Probe musste in Kostümen und Bühnenbild stattfinden. Und eigentlich habe sich Strehler für die beiden Liebespaare jüngere Sänger gewünscht, erzählt der 1969 geborene Kaufmann lachend, am liebsten hätte er Interpreten unter 20 gehabt. Er selbst sei Strehler als Ferrando eigentlich schon zu alt gewesen. Kurios, dass kein Italiener im Ensemble war. Strehler wollte wohl das italienische Agenten System umgehen. Bevor es zum eigentlichen Probieren kam, erinnert sich Kaufmann, habe Strehler sehr viel gesprochen, informiert, erklärt, bis man als Sänger ungeduldig wurde und ihn anflehte: " Lass es uns endlich machen". Die Kreativität der Sänger in ihren Rollen habe Strehler enorm gefördert gegen automatische Gesten gearbeitet. Jonas Kaufmann erinnert sich noch gut wie aufgeregt Strehler während seiner letzten Probe war als das Finale fehlte: " Er musste das unbedingt fertig stellen" als habe er gespürt, dass ihm keine Zeit blieb zur Vollendung der Inszenierung. Nach dem als Schock erlebten Tod sagt Janet Perry "war es sehr schwer sich wieder zu sammeln". Schließlich hat sich das Ensemble bei der Ausarbeitung der Inszenierung auf Strehlers Assistenten Stab verlassen, auf Mitarbeiter, die die Arbeit des Meisters teilweise seit 40 Jahren kannten. "Mit Demut" habe man weitergearbeitet. Eine "erotische Oper" keine "Farce der Schwachsinnigen" war "Così" für Strehler. "Una cosa seria. Vera" wie er in einem Gespräch sagte, eine ernsthafte wahre Angelegenheit. Aber "sehr heiter" würde es denn doch zugehen auf der Bühne verspricht Janet Perry "sie werden sehen".






 
 
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