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rbb, 05.03.2014
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Kai Luehrs-Kaiser |
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Schuberts Winterreise mit Jonas Kaufmann |
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Nicht souverän, fahl, leider ohne
Verständnis für die Sache |
Bereits
vor gut fünf Jahren widmete sich Jonas Kaufmann auf seiner damals zweiten
Decca-CD einem Schubert-Liedzyklus, nämlich der „Schönen Müllerin“. Was er
damals positiv für sich verbuchen konnte, nämlich jugendlichen Überschwang
und lyrisches Draufgängertum, das sind Eigenschaften, die er bei der weit
poröseren, reflektierteren „Winterreise“ kaum brauchen kann. Gerechte
Vergleichseinspielungen sind im Tenor-Bereich ohnehin kaum zu finden. (Peter
Schreier war kühler, Bostridge und Prégardien intellektueller, Anton Dermota
und Julius Patzak wienerischer.) Kein leichter Fall. Zweifelsohne ohne
Zweifel
Mit leicht gequälter, künstlich verschatteter und vor allem
steifer Stimme kann Kaufmann seine Praxis im Opern-Fach nicht verhehlen. Der
Künstler wirkt nicht wirklich souverän, sondern so, als wenn er an der
sicheren Hand seines Begleiters Helmut Deutsch durch zwielichtige Einöde
geführt würde. Wo er drohende, stürmischere Gebärden braucht (z.B. an
einigen Stellen der „Wetterfahne“ und der „Gefrornen Tränen“), fällt das
Ergebnis günstiger aus. Im Ganzen wirkt die Deutung abgerungen und freudlos
diszpliniert. Was völlig unter den Tisch fällt, sind reflektierende,
zweifelnde Stimmungen, die gerade das Besondere dieses Zyklus ausmachen.
Es fehlt so viel!
Dass Kaufmann sich auf dieses, für ihn schwer
erreichbare Terrain überhaupt vorwagt, liegt nicht an Selbstüberschätzung.
Der Grund findet sich eher in seiner Ansicht, dass man als Sänger alles kann
(oder können muss), wenn man es nur ernstlich versucht. Und an der Annahme,
dass die verschiedenen Fächer und Repertoires einander stützen und nützen.
Ich gestehe, dass ich diese Auffassung immer sympathisch, aber nur selten
überzeugend gefunden habe, sobald ich nämlich die CDs Kaufmanns hörte.
Dieser ist ein zumeist überzeugender, sogar überragender Bühnendarsteller
(und zwar auch vokal, denn der Raumklang der Stimme lässt diese live anders
wirken als auf Platten). Die CD-Eindrücke dagegen schwanken.
Der
dauererregte, künstlich verfärbte Ton mit einer Extra-Ration Vokal-Viagra
lässt Jonas Kaufmann sogar in der „Winterreise“ als Nachfolger viriler
Macho-Tenöre wie Franco Corelli oder Mario del Monaco erscheinen. Was auf
dem internationalen Markt, wo andere ästhetische Maßstäbe angelegt werden
mögen, vielleicht von Nutzen ist. Nur: Die „Winterreise“ ist kein
Fitness-Studio. Es fehlen Zwischentöne, fahlere Farben und Nuancen. Es fehlt
am Verständnis für die Sache.
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