NDR, 17.02.2014
Vorgestellt von Dagmar Penzlin
 
Jonas Kaufmann singt Schuberts "Winterreise"
CD der Woche
 
Jonas Kaufmann zählt als Opernsänger zweifellos zur Weltspitze. Gerade im vergangenen Jahr hat er sowohl in dramatischen Verdi- als auch in Wagner-Partien Furore gemacht. Aber dem Mittvierziger liegt nach wie vor auch der intime, feine Liedgesang sehr am Herzen.

Gerade hat er von Franz Schubert "Die Winterreise" aufgenommen - ein Gipfelwerk der romantischen Lied-Literatur.

Ein echter Künstler

Die Geschichte ist zeitlos: Eine Liebesbeziehung endet, und nun zieht ein Mann mit gebrochenem Herzen hinaus in den winterlichen Schnee. Kaufmann bringt uns gleich im ersten Lied der Schubertschen "Winterreise" diesen todunglücklichen Menschen nahe. Jeder Ton hat etwas Klagendes. Hier übt jemand schon die eigene Auflösung.

So glamourös sich die Karriere von Jonas Kaufmann auch entwickelt hat - von Jubel umrauscht und von Fanclubs gefeiert, gehört er zu den wenigen Hollywood-Stars der Opern-Szene -, die Basis dafür liefern eine exzellente Gesangstechnik und Kaufmanns große Ausdruckskraft. Er ist dabei ein echter Künstler, der tief in die Musik eindringt und jedes Wort, jede Note gestaltet. So gelingt ihm eine stimmige Interpretation von Schuberts Meisterwerk, die berührt. Und ja, dazu gehören auch opernhafte Ausbrüche des Wagner-Sängers Kaufmann.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Schubert-Puristen mag das zu viel Stimmkraft sein. Aber seine dramatischen Akzente dosiert Kaufmann ganz gezielt mit Blick auf die gesamte Dramaturgie. Begehrt der Winterreisende in der ersten Hälfte noch häufiger auf, so zieht er sich zum Ende hin immer mehr in sich selbst zurück. In dem Lied "Frühlingstraum", einem Schlüsselstück des gesamten Zyklus, wird dem Liebeskranken der Gegensatz zwischen Wunsch und Wirklichkeit klar. Kaufmann zeichnet das stimmlich genau nach: mit sehnsüchtig schattierten Melodiebögen, in die selbst kleinste Noten und leicht gedehnte Töne organisch eingewoben sind, gefolgt von verzweifelten Forte-Phrasen.

Beklemmende Atmosphäre

Helmut Deutsch leuchtet als erfahrener Liedpianist Schuberts "Winterreise" in all ihren Facetten aus. Wie er etwa im Lied "Der Wegweiser" die Akkord-Ketten leicht verzögert ineinander übergehen lässt, erzeugt eine beklemmende Atmosphäre.

Im letzten Lied, "Der Leiermann", begegnen wir schließlich einem Lebensmüden mit ersterbender Stimme.

Kaufmann schließt mit seiner "Winterreise" nahtlos an eine Reihe von Referenzaufnahmen an. Seine eigene Interpretation steht für sich, hat Substanz und den gewissen Sog, der uns die Geschichte hineinzieht.






 
 
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