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Tagblatt, 4.6.2013 |
Tobias Gerosa |
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Der Latino-Wagnerianer |
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Was Tonas Kaufmann auf seiner neuen Solo-CD abliefert, ist Wagner-Gesang vom Allerbesten. |
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Die
Wagner-CD des Tenors Jonas Kaufmann ist gut geplant: 2013 wäre der «Meister»
200 geworden, vieles dreht sich in der Klassikszene um ihn. Doch die
Aufnahme hätte dieses ganze Kalkül gar nicht nötig, sie überzeugt
künstlerisch.
Man konnte es hören, dass hier ein aussergewöhnlicher
Sänger am Werk war, als das Opernhaus Zürich 2000 seine Saison mit Fernando
Paers «Leonore» und Jonas Kaufmann in der Rolle des Florestan eröffnete. Was
auffiel, war die dunkel timbrierte, fast baritonale Stimmfarbe und diese
szenische Präsenz, die so schwer zu beschreiben und noch schwerer zu
erlernen ist. In den folgenden Jahren sang sich das neue Ensemblemitglied in
Zürich durchs Tenorrepertoire mit eindeutiger Richtung: Mozart, Monteverdi,
Gounod, Verdi, Bizet, Wagner, Puccini.
Schritt um Schritt
nach oben
Daraus entstand eine fast altmodische Karriere,
wie sie im Opernbetrieb mehr selbstverständlich ist: Vom kleinen Haus (bei
Kaufmann: Saarbrücken) ans grössere (Stuttgart) und dann ans noch
grössere (Zürich), von den lyrischen Rollen zu den schwereren (und immer
wieder zurück). Die Ensemblezugehörigkeit half wohl auch in den Phasen, wo
Kaufmann viele Auftritte absagte und man fürchten musste, dass es nun
doch zu schnell ging. Heute gehört Kaufmann zu den paar Superstars der
Szene, singt heute weniger und veröffentlichte jetzt eine Wagner-CD seine
beste seit den überraschenden Strauss-Liedern 2006.
Kaufmann
gestaltet Figuren
Jetzt also Wagner und wie! Eindrücklich
protzend sind die Wälse-Ruf Siegmunds, doch sie sind nur ein bisschen
Selbstzweck: Kaufmann singt hier wie in den fünf andern Opernausschnitten
nicht einfach Arien (wie es auf solchen Solo-CDs leider oft der Fall ist),
sondern gestaltet begleitet von Donald Runnicles und dem Orchester der
Deutschen Oper Berlin vollgültige Figuren. Siegmund ist heldisch
verzweifelt, während die Gralserzählung Lohengrins in der originalen
zweistrophigen Fassung seine Verzweiflung viel mehr nach innen singt und die
Stimme dabei herrlich zurücknimmt.
Ein Komponist, ein Sänger und so
unterschiedliche Abstufungen - das klingt nicht nur betörend, sondern ist
auch intellektuell faszinierend nachzuverfolgen. Hier weiss einer genau, was
er singt. Auch in Tannhäusers Rom-Erzählung, die eine Abrechnung der Figur
mit den enttäuschten Hoffnungen auf die Absolution durch den Papst
darstellt. Das könnte auf der Bühne nicht überzeugender klingen - obwohl
Kaufmann die Rolle noch nie gesungen hat.
Die Überraschung
Die grösste Überraschung sind die fünf Wesendonck-Lieder, die Wagner für
Mathilde Wesendonck schrieb und in ihnen ihre verbotene Liebe sublimierte.
Sie sind normalerweise für Frauenstimmen reserviert, aber warum soll sie ein
Tenor nicht singen? Was Kaufmann hier an Linien und vokalen Farben zaubert,
macht diese CD zum Favoriten des bisherigen Wagner-Jahrs.
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