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Merkur, 04.02.13 |
Markus Thiel |
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Wer singt besser "Wagner"? |
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München - Die Sänger Klaus Florian Vogt und Jonas Kaufmann haben beide eine
CD mit dem Titel "Wagner" aufgenommen - zu Ehren von Richard Wagners 200.
Geburtstag. Doch wer brilliert mit welcher Stärke? Eine CD-Kritik.
Zuletzt hat es das bei Maria Callas und Renata Tebaldi gegeben. Wer für die
eine war, lehnte die andere ab. Zwei Lager. Unversöhnlich und ungerecht,
verbissen und mit Adrenalin vollgepumpt bis zur letzten Gehörgangsvene. Die
Geschlechter der Anbetungsobjekte haben nun gewechselt und die Kampfarenen
ebenfalls: Heute bekriegt man sich im Internet, im „Wagner-Forum oder bei
„Tamino, wo von anonymen Nutzern meist Gehässiges über Klaus Florian Vogt zu
lesen ist.
Dass der Holsteiner zum 200. Geburtstag von Richard selig
auch noch eine CD mit sehr ähnlichem und sehr gleichem Titel wie der
Münchner Jonas Kaufmann aufgenommen hat, befeuert natürlich die Debatte.
„Wagner heißen beide Silberscheiben (Kaufmanns Platte erscheint am 15.
Februar). Und sie führen nochmals vor, von welch entfernten Polen sich die
zwei Tenöre dem Heldentum nähern. Wem also den Vorzug geben? Wenns so
einfach wäre.
Kaufmann, der Virile, Robuste, der seine Figuren mit
Testosteron sättigt, das hört man auch hier. Tannhäusers „Rom-Erzählung ist
das stärkste Stück, dicht gefolgt von Siegmunds „Ein Schwert verhieß mir der
Vater, in dem sich ein Gebrochener übermenschlich aufbäumt. Klaus Florian
Vogts Siegmund-Lösung ist im Vergleich dazu wie immer bei ihm: viel
behutsamer, liedhaft grundiert, nie überreizt, ein Scheuer, Schutzloser, der
sich zum entscheidenden Entschluss erst durchringen muss.
Stimmklang
bleibt Geschmackssache, ob nun hell und offen wie bei Vogt oder baritonal
umdüstert wie bei Kaufmann. Nicht aber die Technik. Und wer Vogts (manchmal
zu) brave Porträts nicht mag, muss dennoch konstatieren: Die Klang-Balance,
die kluge Beimischung von Kopfstimmenresonanz, der unverschleierte Text, all
das ist musterhaft. Außerdem hat der Lyriker längst an Zusatzdimensionen
gewonnen.
Kaufmanns heißblütiges, imponierendes Gestalten ist um
gewisse Preise erkauft. Immerhin lässt er das Anschluchzen der Töne auf
dieser CD einmal sein. Doch oft werden Vokale verzerrt oder zu sehr gedeckt.
Leise Passagen verspannen sich, nachzuprüfen vor allem an Rienzis Gebet. In
dieser Szene hat Vogt seine besten Momente zumal Jonathan Nott mit den
Bamberger Symphonikern auf zügiges, erzählerisches Tempo setzt. Da bleibt
keine Zeit fürs Ausstellen der Finessen bei Zeitlupentempi, wie es Kaufmann
so liebt. Man höre dazu bei ihm nur Lohengrins Gralserzählung, die um die
fast immer gestrichene zweite Strophe erweitert wird.
Mehr als ein
Extra: Kaufmann singt auf seinem Album sogar die Mezzos vorbehaltenen
Wesendonck-Lieder. Ein Experiment ist das, das der Stimme (noch) nicht ganz
steht, das auch mehr Nuancen verlangt ähnlich wie bei Vogts Ausflügen zu
Parsifal („Amfortas, die Wunde!) oder Siegfried (Todesszene). Letzterer kann
sich mit den Bambergern und Nott auf die profilierteren Sekundanten
verlassen. Donald Runnicles und das Orchester der Deutschen Oper Berlin
bevorzugen demgegenüber eine eher neutrale Dramatik. Trotz alledem: Die
doppelte Leistungsschau dokumentiert eine komfortable Situation. Kaufmann
und Vogt sind beide Hauptgewinne fürs deutsche Fach, mögen die Fans auch
weiterhin ihre Scharmützel austragen. Der beste Wagner-Tenor bleibt ohnehin
Johan Botha. |
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