Kleine Zeitung, 12.10.2010
Ernst Naredi-Rainer
 
Intelligenz und Leidenschaft
 
Als Titelheld von Richard Wagners „Lohengrin“ hat er heuer sein triumphales Debüt bei den Bayreuther Festspielen gegeben. Aber Jonas Kaufmann, der derzeit international erfolgreichste deutsche Tenor, will sich keinesfalls auf das deutsche Repertoire festlegen lassen. In der Höhle des Löwen, an der Pariser Bastille-Oper, bestand er heuer als Jules Massenets „Werther“ an der Seite von Sophie Koch und die New Yorker Metropolitan Opera hat ihn in diesem Frühjahr als ersten deutschen Tenor seit 103 Jahren eingeladen, den Cavaradossi in Luc Bondys Neuinszenierung der „Tosca“ von Giacomo Puccini zu singen.

Auf seinem neuen, seinem vierten Soloalbum widmet sich der 1969 in München geborene Tenor ausschließlich dem Verismo. Er singt viele gängige Reißer wie drei Solonummern von Umberto Giordanos „Andrea Chenier“, Canios Verzweiflungsausbruch in Ruggero Leoncavallos „Pagliacci“ oder das Trinklied des Turiddu und dessen Abschied von der Mutter aus Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“. Giordanos „Amor ti vieta“ aus der „Fedora“ fehlt ebensowenig wie Einschlägiges aus Arrigo Boitos „Mefistofele“ oder das Lamento des Federico aus Francesco Cileas „L'Arlesiana“. Es gibt aber auf diesem heuer im März in Rom aufgenommenen Album auch eine wirkliche Rarität, nämlich eine Arie aus Amilcare Ponchiellis „I Lituani“.

Vom ausgezeichneten Orchester der Academia Nazionale di Santa Cecilia getragen, dessen stilistisch souveräner, allen vergröbernden Effekten abholder Chef Antonio Pappano für dieses Projekt von seinem Exklusivlabel EMI freigegeben wurde, gelingt es Kaufmann, pralle Gefühle zu vermitteln, ohne zu Drückern zu greifen oder Schluchzer einzubauen. Seine dunkel timbrierte, mit viel Schmelz und strahlenden Spitzentönen aufwartende Stimme klingt stets männlich und wird von ihm durchaus kraftvoll eingesetzt. Als Kontrast dazu gibt es betont zarte, innige Piano- und Pianissimopasagen, bei denen sich aber bisweilen gaumige und verschattete Töne einschleichen. Dennoch: Jonas Kaufmann weiß zu gestalten, singt mit Intelligenz, Geschmack und Leidenschaft und schafft es so, den 17 Nummern dieses Albums durchaus unterschiedliche Profile zu geben.

 






 
 
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