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Rondo Magazin, 11.03.2023 |
Matthias Siehler |
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Turandot |
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Das grausame chinesische Märchen „Turandot“, es wurde Giacomo Puccinis
Schwanengesang, über dem er starb. Das erlösende Liebesduett zwischen der
eisumgürteten Prinzessin und dem fremden Prinzen Kalaf sowie das Finale
waren auf 30 Blättern nur angedacht; deshalb war nach Liùs Tod bei der
Premiere Schluss, obwohl der Dirigent Arturo Toscanini ein passendes Ende
bei Franco Alfano bestellt hatte. Dieses Finale, ein paar Tage später
gegeben, war allerdings bereits von Toscanini von 379 auf 270 Takte gekürzt
worden. Lange blieben die 109 Takte, etwa acht Minuten Musik, weggesperrt.
„Turandot“ aber avancierte als letzte, große italienischen Oper zum
Schlager. Daran änderte sich nichts, als der Ur-Schluss gefunden, in den
Achtzigerjahren einige Male szenisch gegeben sowie 1990 für eine CD als
Einzelnummer aufgenommen wurde.
Antonio Pappano, Italoamerikaner mit
britischem Pass, hat sich während seiner erfolgreichen Karriere als
ehrlicher Puccini-Liebhaber geoutet. Und so ist es folgerichtig, dass er
sich zum Auslaufen seines Vertrages beim Orchester der Akademie St. Cecilia
Rom von seinem Label noch eine luxuriös besetzte „Turandot“ hat spendieren
lassen. Mit Italiens bestem, maßgeblich von ihm auf diesen Rang gebrachtem
Klangkörper und einem spektakulären Cast.
Mit der US-Diva Sondra
Radvanovsky, die der Turandot erstaunlich viel Piano-Wärme leiht und Jonas
Kaufmann als Calàf, beides Debütanten, geht es furios zur Sache. Und nachdem
die zärtliche Liù Ermonela Jaho ihren letzten Todesseufzer getan hat, folgt,
erstmals in einer Gesamtaufnahme, das komplette Alfano-Finale. Dieser
harmonisch dimensionierte, lyrisch silbrige, noch einmal in weicher
Pentatonik funkelnde Schluss ist eine Wucht. Zumal er von Radvanovsky und
Kaufmann mit glühender Eleganz und glaubwürdigem Engagement gesungen wird.
Und nicht nur da, sondern auch im souverän modernistischen, dabei doch
klangsinnlichen Zugriff Pappanos wird deutlich: „Turandot“ kann so viel mehr
sein als bleiche Liebes-und-Todes-Parabel und ein Exotik-Abziehbild des
Fernen Ostens.
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