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Der Standard, 14. Dezember 2020 |
Ljubiša Tošic
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Jonas Kaufmann ganz nah |
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CDs von Jonas Kaufmann[, Mathias Rüegg,
Clemens Wenger und Daniel Hope ]als Dokumente des ersten Lockdowns |
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Als
im März die Epoche des Lockdowns begann, mögen viele Bewohner einer in den
Tiefschlaf versetzten Welt auch einen Hauch von "Entschleunigung" verspürt
haben. Meditative Apathie und der Zeitvertreib in der existenziellen
Transitzone führte etwa bei Startenor Jonas Kaufmann auch zu ausgiebiger
Lektüre. Doch schnell kam bei ihm die Stunde der Ungeduld. Nach vier
Beethoven-Biografien befand Kaufmann, es wäre wieder an der Zeit, die Stimme
zu erheben.
Ins Studio konnte er nicht – dessen Schließung war
staatlich verordnet worden. Und erst nachdem Grenzbeamte bei Kaufmanns Label
Sony angerufen hatten, durfte der Wiener Pianist Helmut Deutsch nach Bayern
einreisen, um zumindest in Kaufmanns Haus Lieder aufzunehmen.
Selige Stunden mit Liedern
Die Einspielung Selige
Stunde rückte so auch in den Rang eines Lockdown-Dokuments, von denen nun
einige erschienen sind. Und: So unmittelbar und ehrlich klang Kaufmann
selten. Gustav Mahlers Ich bin der Welt abhanden gekommen wird regelrecht
zum Zeitgeist-Soundtrack. Zeilen wie "Ich leb allein ... in meinem Lied!"
repräsentierten im März erstmals ein (noch aktuelles) Lebensgefühl, das auch
den Komponisten Mathias Rüegg nervte. Auch wenn er – wie alle Komponisten –
die Situation kennt: Die Tonsetzerei ist eine Eremitentätigkeit.
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